Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 21
Sie waren nicht allein. Gelegentlich hörten sie ein Knacken und Rascheln oder gar ein hastiges Rauschen nahe am Wegrand. Nils konnte sich kaum vorstellen, was für Tiere es waren und hoffte, dass es wirklich nur Tiere waren, Tiere, die auch so aussahen, wie gewöhnliche, richtige Tiere, aber es waren auf jeden Fall mehr als im Reservat.
Und wieder zog sich ein Weg endlos hin. Das wurde ein Teil seines Schicksals, der Nils begleitete, so lange er in dieser Welt war.
4. Im Versteck der Verschwörer
Nachdem sie einige Zeit unterwegs waren – Nils wusste zwar, dass ihn sein Zeitgefühl in dieser Welt schon mehrmals im Stich gelassen hatte, aber er rechnete doch mit einigen Stunden – blieb Narvidur plötzlich vor ihm stehen. Nils blickte an ihm vorbei und erschrak. Nicht weit vor ihnen leuchteten zwei türkisfarbene Augenpaare in der Dunkelheit. Nils ergriff unwillkürlich das Heft seines Schwertes und wollte es schon ziehen, als er die beruhigenden Worte des Rûngori hörte.
„Lass es stecken. Du zerschneidest dir nur deinen Gürtel. Es sind meine Freunde, die mich hier erwarten. Aber immerhin, deine Reaktion auf eine mögliche Gefahr ist beachtlich. Du hast schnell gelernt. Sehr gut.“
Nils begriff nicht, dass Narvidurs Äußerung einen tieferen Sinn hatte. Er kam aber nicht mehr dazu, sich darüber Gedanken zu machen, denn Worte in einer fremdartigen Sprache nahmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch.
„Mori tha ino“, sagte Narvidur laut.
„Tho tehamo en ge ino”, lautete die Antwort.
„Lo ge Narvidur heim Nils Holm. Kahente em Bihaford. Eh mortia.“
„Xeh ago ino de. Torfrida heim Tophal.”
„Strago.“
Die vorletzten Worte hatte eine Frau gesprochen, und wenn er Narvidur richtig zugehört hatte, dann hatte sie ihren Namen und den ihres Begleiters genannt: Torfrida und Tophal. Nils war überrascht. Ohne nachzudenken, hätte er hier nur Männer und dazu Krieger erwartet. Auf jeden Fall aber Feinde – und keine Frau. Für einen kurzen Augenblick befürchtete er, dass seine Erlebnisse in der Burg einen beginnenden Verfolgungswahn bei ihm ausgelöst hatten. Allerdings lag er mit seiner Erwartung nicht vollkommen falsch. Vor ihm standen tatsächlich zwei Krieger oder besser, ein Krieger und eine Kriegerin. Aber eben keine Feinde.
„Es sind Torfrida und Tophal“, bestätigte Narvidur seine Vermutung. „Sie sollten hier auf mich warten. Mit ihnen gelangen wir in unseren Unterschlupf für diese Nacht. Du wirst müde sein.“
„Jetzt nicht mehr, nach diesem Schreck“, meinte Nils. „Aber warum haben sie auf dich gewartet? Wussten sie denn, dass du hier entlangkommen würdest?“
„Ja, aber das erkläre ich dir später.“
Nils sah, wie sich die Augen der beiden anderen Rûngori abwandten, und hörte vor sich Zweige rascheln. Narvidur folgte ihnen mit einigen schnellen Schritten und Nils hatte Mühe, ihn in der Dunkelheit nicht zu verlieren.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie ihr Ziel erreichten. Seit ihres Zusammentreffens mit Torfrida und Tophal leuchteten auch Narvidurs Augen wieder. Nils hielt das für ein beruhigendes Zeichen. Vor sich hörte er leise eine Tür knarren. Nils Augen hatten sich bereits so an die Dunkelheit gewöhnt, dass er sofort den schwachen Lichtschimmer im Türschlitz wahrnahm. Schnell schmuggelten sie sich in den dahinterliegenden Gang und Torfrida schloss die Tür wieder.
„Jetzt seid ihr in Sicherheit“, sagte sie. „Nils, es ist ein großer Vertrauensbeweis, dass wir dich in unser Versteck einlassen. Du bist einer von sehr wenigen Menschen, denen er gewährt wird.“
Bestimmt nicht aus reiner Zuneigung, dachte er, hütete sich aber, seine Zweifel laut zu äußern. Immer stärker hatte er den Eindruck, dass die Rûngori etwas von ihm erwarteten und er war sicher, dass sie nicht die Freundschaft der Steppenkrieger genossen, denn sonst würden sie nicht so heimlich tun müssen. Er fragte sich, welche anderen Menschen noch dieses Privileg besaßen. Und waren die Rûngori denn keine?
Der Tür schloss sich ein Stollen an, der leicht abfallend in den Untergrund führte. Seine Decke und Wände bestanden aus nacktem Felsen und waren nur roh behauen. Auch der Fußboden war felsig, zeigte aber deutliche Abnutzungsspuren.
„Ist das hier ein Bergwerk?“, fragte Nils.
„Ja“, bestätigte Narvidur, „aber es ist stillgelegt und so alt, dass es bereits in Vergessenheit geraten ist. Wir sind nur zufällig darauf gestoßen.“
Nils nickte.
Es wurde kühler und feuchter, je tiefer sie kamen. Der Stollen war nicht ausgeleuchtet. Aber er führte geradewegs in einen hellen Raum, dessen schwachen Schimmer ihm bereits oben am Eingang aufgefallen war. Nils hoffte auf ein wärmendes Feuer, denn seine Kleidung war noch nicht trocken und er fror.
Seine Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Sie kamen in eine kleine Halle und hier gab es sogar zwei Feuerstellen. In der Mitte des Raumes befand sich in einer Vertiefung im Boden ein ansehnliches offenes Feuer, über dem ein stählerner Rauchabzug in die Felsdecke eingelassen war. Ein zweites Feuer brannte in einem steinernen Herd an der hinteren Wand. Es gab keinen Zweifel, dass er der Essenzubereitung diente.
Torfrida füllte einen Kessel mit Wasser aus einem Holzfass und stellte ihn auf den Herd, während sich Tophal daranmachte, Essen auf den Tisch zu bringen, Brot, Fleisch, Butter, Honig und einige Früchte.
Nils stellte sich vor das Lagerfeuer und streckte ihm wärmesuchend seine Hände entgegen. Jetzt würde seine Kleidung bald trocken sein, hoffte er.
„Dir ist auch kalt?“, wunderte sich Nils, als sich Narvidur zu ihm gesellte.
„Warum nicht? Schließlich war ich ebenso im Wasser wie du.“
Das stimmte zwar, aber Narvidur hatte nicht den Eindruck gemacht, als ob es ihn störte.
Jetzt hatte Nils die Gelegenheit, den Rûngori, der ihn aus dem Kerker der Burg gerettet hatte, noch genauer zu betrachten. Er ähnelte tatsächlich der Gestalt, die er sich in der Dunkelheit der Gefängniszelle vorgestellt hatte. Narvidur war gut einen Kopf größer als Nils, hager und machte äußerlich den Eindruck, ziemlich betagt zu sein. Aber so, wie er gekämpft hatte, war es zweifelhaft, ob seine Erscheinung einen Schluss auf seine körperliche Verfassung erlaubte. Narvidur trug einen langen, in diesem Augenblick ziemlich zerzausten Bart, was nach den letzten Stunden nicht verwunderte. Brandspuren waren keine mehr zu sehen. Sein Haupthaar war kurzgeschoren, aber nicht grau, wie Nils gedacht hatte, nachdem es ihm in der Düsternis des Geheimtunnels in der Burg so vorgekommen war, sondern schwarz, und es gab einen guten Teil seines Schädels preis. Im Übrigen hatte sein Gesicht nichts Auffälliges, wenn man von den meistens leuchtenden Augen und der aschfahlen Haut, den hervorstechendsten Merkmalen des Volkes der Rûngori, einmal absah. Sein Gewand bestand aus einer dunkelbraunen Robe, die von einem schwarzen Ledergürtel zusammengehalten war, mit einer Kapuze. Narvidurs Füße steckten in den allgegenwärtigen Sandalen. Offensichtlich waren die Schuster der Rûngori nicht sehr phantasievoll.
„Was