Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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war Nils tatsächlich entführt worden, aber schon einige Zeit früher und durch jemanden, den er kannte. Dieser Jemand hatte ihm den Durchgang in die Welt der Rûngori ermöglicht, ihm aber aus besonderen Gründen die Erinnerung an seine Vergangenheit genommen. Dieser Zustand würde erhalten bleiben, wenn er jetzt auf die Erde zurückkehrte. Nils war gewiss kein Gefangener Narvidurs und seiner Freunde, aber er konnte auch nicht wieder zurück, was zu dieser Zeit auf das Gleiche hinauslief. Im Grunde war er ein Gefangener dieser Welt, der Welt Rûngnár, denn nur hier konnte er seiner Erinnerung zurückerhalten.]

      Nach einiger Zeit des Schweigens blickte Nils auf. Von seiner vorangegangenen Entmutigung war fast nichts mehr übrig. Da er sein Schicksal anscheinend doch nicht ändern konnte, wollte er es zumindest mit einer gewissen Neugierde ertragen und endlich herausfinden, wo er war.

      „Warum sprecht ihr eigentlich dauernd von meiner und eurer Welt?“, fragte er, denn inzwischen war ihm das aufgefallen. „Wir sind doch immer noch auf der Erde, nur nicht mehr in Deutschland.“

      Bis dahin war Nils tatsächlich noch überzeugt davon, sich auf der Erde zu befinden, aber in einem Land, von dem er noch nie gehört hatte, und in das er auf rätselhafte Weise gelangt war, obwohl seine Umgebung ihm manchmal durchaus wie eine andere Welt vorkam. Es hätte aber mehr als einen triftigen Grund gegeben zu erkennen, dass er sich irrte, doch bei all den Aufregungen und seiner eigenen Verwirrung hatte er keine Gelegenheit gehabt, tiefgründig darüber nachzudenken.

      „Ich fürchte, es ist nicht so, wie du es dir vorstellst“, begann Narvidur. „Nun, es ist ein wenig komplizierter. Du bist ein Mensch von der Erde. Damit erzähle ich dir nichts Neues. Unsere Welt, wir nennen sie Rûngnár, ist zwar keine andere Welt als eure Erde, aber nur im Hinblick auf den Raum, den sie einnimmt. Unser Volk, das Volk von Rûngor, eines unter mehreren, aber unter allen das wichtigste in Rûngnár, ist eine Verkörperung sämtlicher menschlicher Völker der Erde. Warte bitte noch mit Fragen. Du wirst im Verlauf meiner Erklärungen noch einige Antworten erhalten. Hast du dich noch nicht gefragt, warum wir deine Sprache sprechen? Wir sprechen neben unserer Sprache, nenne sie meinetwegen Rûngori, alle möglichen Sprachen der Menschen, denn unsere Sprache ist eine Mischform eurer Sprachen. Das Volk von Rûngor verkörpert alle Eigenschaften der Menschen. [Zur Erklärung: Die Angehörigen des Volkes der Rûngor wurden Rûngori genannt, alles, was mit ihm in Verbindung stand, rûngorisch, während die Bewohner Rûngnárs, vergleichbar mit der ganzen Menschheit, allgemein als Rûngnári bezeichnet wurden, und rûngnárisch alles, was sie betraf. In diesem Augenblick fragte sich Nils noch nicht, warum das Volk von Rûngor aus menschlicher Sicht ein erst mittelalterliches Stadium erreicht hatte. Der Grund lag darin, dass der Entwicklungsstand aller Menschenvölker im Durchschnitt dem Niveau des späten europäischen Mittelalters entsprach, auch wenn einige Rûngori wie zum Beispiel Narvidur durchaus große wissenschaftliche Kenntnisse in sich vereinigten, aber der zählte nicht, weil er eigentlich kein Rûngori war.] Du wirst zugeben, dass die Menschen bei all ihrer Intelligenz und bei alldem, was sie an Großem geschaffen haben, einschließlich ihrer gesellschaftlichen Ordnungen, eine überwiegend streitsüchtige und zerstörerische Lebensform sind. Wundert es dich da, wenn es auch in unserer Welt Kriege gibt?“

      „Dann verursacht ihr unsere Kriege“, schloss Nils

      „Im Gegenteil, wir machen sie euch nach“, erklärte Torfrida.

      „Torfrida hat Recht“, unterstützte Narvidur die junge Frau. „Du fühlst dich uns ausgeliefert? Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen sind psychisch die stärkeren Lebewesen. Sie bedingen unsere Handlungen, zumindest besitzen sie einen großen Einfluss darauf. Sicherlich tun die Menschen es nicht als Einzelwesen, aber als ganze Menschheit. Wir sind vielleicht die besseren Magier, aber wir unterliegen stärker der menschlichen Willenskraft. Ich bitte dich, dich mit dem, was ich sagte, zufriedenzugeben, aber ich verspreche dir, dass du bald mehr darüber lernen wirst.“

      „Du darfst es aber nicht so verstehen, dass wir Ereignisse eurer Welt in gleicher Weise umsetzen“, erklärte Torfrida. „Was nun die Kriege auf der Erde betrifft, so ahmen wir sie natürlich nicht im gleichen Maße nach. Wenn wir sagen, dass wir sie übernehmen, dann meinen wir damit, dass die Bewohner dieser Welt der Bereitschaft der Menschen, Kriege zu führen, ausgesetzt sind und diese Bereitschaft übernehmen. Es gibt hier jedoch keine Kriege, die ebenso verlaufen wie die auf der Erde, den Göttern sei Dank. Es gibt ja auch keine rûngnárischen Völker, die einzelnen Völkern der Erde entsprechen.“

      Nils wusste nicht, ob er darüber erleichtert sein sollte. Vielleicht würden die Rûngori, oder treffender, die rûngnárischen Völker, irgendwann dazu in der Lage sein, die Menschen in dieser Hinsicht zu überflügeln.

      „Aber wo befindet sich Rûngnár, wie du eure Welt nennst, wenn wir auf der Erde von ihr nichts wissen und sie offenbar nur ausnahmsweise besuchen können – und wenn wir einen solchen Einfluss auf euch haben?“, fragte Nils. „Wenn du sagst, dass beide Welten den gleichen Raum einnehmen und damit die gleichen Körper sind, also sozusagen ineinanderstecken, müssten sie doch durchlässiger sein für gegenseitige Besuche.“

      Er musste zugeben, dass er nicht alles verstand, was Narvidur und Torfrida ihm erklärten, aber die Anordnung der beiden Welten hatte er begriffen, wenn er auch keine Ahnung hatte, wie das möglich war.

      „Rûngnár befindet sich zwar am gleichen Ort wie deine Erde, wie ich sagte, nimmt aber einen anderen Zustand ein. Ich will versuchen, es dir an einem Beispiel klar zu machen, mithilfe einer Wissenschaft, die ihr Physik nennt, und -.“

      Nils stöhnte auf. Schon in der Schule hatte er kaum Verständnis für dieses Fach aufbringen können, erinnerte er sich plötzlich wieder, und nun wollte Narvidur, dessen Volk eher eines aus dem Mittelalter zu sein schien, ihn in derartig unverständlichen Dingen unterweisen. Dazu kam, dass er in seinem Zustand auch die Erinnerung an einen Teil seines schulischen Wissens eingebüßt hatte.

      „Geht es dir nicht gut?“, fragte Torfrida besorgt.

      „Doch, doch“, beeilte sich Nils zu sagen. „Es ist nur gerade wieder ein Stück meiner Erinnerungen aufgetaucht. Könnt ihr sie wieder ganz herstellen? Narvidur sagte doch, ihr seid gute Magier, da sollte euch das doch nicht schwerfallen.“

      „Das werden wir, sei unbesorgt“, meinte sie. „Es wird nicht mehr lange dauern.“

      „Wann?“, fragte Nils.

      „Eins nach dem anderen“, sagte Narvidur. „Lass mich dir zuerst das Angefangene erklären.“

      „Vielleicht verstehe ich dich dann aber besser“, meinte Nils spitzfindig.

      „Das glaube ich nicht, weil ich es dir jetzt schon sehr gut erklären werde“, erwiderte Narvidur lachend.

      Nils gab es auf. Er verstand nicht, warum sie ihm nicht helfen wollten, seine Erinnerungen zurückzuerlangen, obwohl sie es anscheinend tun konnten, und bemühte sich, darüber nicht in Zorn zu verfallen. Vielleicht würde er es später verstehen, vielleicht war es auch nicht mehr nötig, falls er auf Rûngnár seine letzten Tage fristen sollte. Eine erneute Schicksalsergebenheit in seine anscheinend hoffnungslose Lage machte sich in ihm breit.

      Unentwegt setzte Narvidur seine Erklärungen fort.

      „Hast du schon einmal gesehen, was geschieht, wenn zwei Wolken zusammenstoßen? Sie werden sich nicht durchdringen, da sie die gleiche Dichte haben, wie ihr es nennt. Ein Vogel jedoch kann mühelos durch sie hindurchfliegen. Er wird sie kaum spüren, außer durch eine schlechtere Sicht und dadurch, dass sich Feuchtigkeit auf sein Gefieder legt. Und so musst du dir den Unterschied zwischen der Erde und Rûngnár vorstellen. Hätten beide die gleiche Dichte, würden sie aufeinanderprallen und Schaden nehmen. Vereinfacht gesagt, ist Rûngnárs Dichte geringer und

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