Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 27

Автор:
Серия:
Издательство:
Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

Скачать книгу

einstmals in Gebrauch gewesen war. Nils blickte verstohlen um sich und hoffte, dass die anderen nichts von seinem wachsenden Interesse an der Waffe bemerkten, aber Narvidur und Tophal unterhielten sich am Ausgang der Höhle und Torfrida räumte den Raum auf. Allerdings, lange konnte sein Sinneswandel nicht unerkannt bleiben.

      „Hirschleder und Runen“, murmelte Nils, als er mit seiner Hand darüber strich.

      Das war eine bemerkenswerte Erkenntnis, denn eigentlich hätte er niemandem sagen können, zu welchem Tier ein Leder gehörte, das ihm vorgelegt wurde. Und für jemanden, der Nils von der Erde her kannte, wäre es nicht weniger bemerkenswert gewesen, ihn jetzt zu sehen, denn unter gewöhnlichen Umständen hätte er sich über eine derartig kitschige Waffe zweifellos lustig gemacht. Nils kam jedoch zu der unerklärlichen Einsicht, dass ihm das – dieses – Schwert etwas bedeutete. Er zog die Klinge heraus. Sie war glatt und ohne Gravur. Und wenn der Zustand der Tasche auch bewies, dass sie nicht neu war, so zeigte die Klinge keine Spuren des Gebrauches, keine Scharten, Flecken oder Verschmutzung. Sie war makellos und glänzend. Nils hob die zweischneidige Waffe vor sein Gesicht und drehte sie einige Male. Er war so in Gedanken, dass er nicht wahrnahm, wie Narvidur und Tophal ihn beobachteten. Nils war sicher, dass er nichts von Schwertern verstand, aber er fand, dass dieses ausgezeichnet in der Hand lag. Aber da war noch etwas. Die Ahnung einer verschütteten Erinnerung überkam ihn. Doch es blieb dabei, es war keine angenehme Erinnerung. Weiter kam er jedoch nicht, denn Torfrida unterbrach seine Gedanken.

      „Vorsicht, Nils“, ermahnte sie ihn lächelnd. „Du verletzt schließlich noch jemanden.“

      Das riss ihn aus seiner Gedankenverlorenheit. Er schob das Schwert wieder in die Tasche.

      „Wie eigenartig“, murmelte er versonnen.

      „Wie ich sagte, du musst es nicht behalten“, meinte Tophal und streckte Nils seine Hände entgegen. „Wenn du willst, nehme ich es wieder zurück.“

      Nils überlegte. Er zögerte kurz und sah auf die Erde. Dann schüttelte er den Kopf und blickte Tophal an.

      „Ich glaube, ich werde es doch behalten. Vielleicht kann ich es im Wald benutzen, um uns einen Pfad zu bahnen und solche Sachen. Vielleicht ist es doch ganz brauchbar.“

      „Wie du meinst. Dann schlage ich vor, wir brechen auf. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, wie Torfrida schon sagte.“

      Tophal zwinkerte Narvidur unauffällig zu und der antwortete mit einem kaum sichtbaren Nicken.

      Torfrida löschte das Feuer und nahm eine brennende Fackel zur Hand. Ohne das Licht hätte sie pechschwarze Dunkelheit umgeben. Nils erkannte die Tür am Ende des Tunnels erst, als sie kurz davorstanden. Sie war so dicht, dass kein Tageslicht durch irgendwelche Ritzen fiel. Tophal horchte einen kurzen Augenblick, dann nickte er. Narvidur öffnete die Tür und Torfrida steckte die Fackel in einen ehernen Halter in der Felswand. Die Flamme erlosch unvermittelt, als sie ins Freie traten. Nils sah es nicht mehr.

      Sie kamen geradewegs vor einem Busch heraus und Nils musste sich ein wenig zwischen die Zweige drücken, um seinen Begleitern Platz zu machen. Leise knarrend schloss Torfrida die Tür wieder. Jetzt im Hellen konnte Nils erkennen, dass sie kein Schloss hatte, nur einen kleinen Handgriff.

      „Darf ich?“, fragte er und bevor jemand Einspruch erheben konnte, zog er an dem Griff. Die Tür bewegte sich nicht um Haaresbreite. Er nickte.

      „Ein kleiner Zauber, nehme ich an“, meinte er lächelnd.

      „Ein kleiner“, gab Narvidur zu. „Da vorne geht es lang.“

      Mit einer kurzen Handbewegung zeigte er den Weg. Torfrida übernahm die Spitze. Dann folgten Tophal, Nils und Narvidur.

      Ein enger Pfad führte vom Eingang des Unterschlupfes in den Wald hinein, aber dieses Mal schlugen sie eine andere Richtung ein, die sie zunächst durch das Unterholz führte. Nach wenigen Schritten war von der Tür nichts mehr zu sehen. Narvidur gab Nils ein Zeichen weiterzugehen. Auf dem Weg musste er mehrmals Zweige abwehren, die Tophal vor ihm achtlos zurückpeitschen ließ und die ihm ins Gesicht zu schlagen drohten. Für einige Zeit kamen sie langsamer vorwärts als in der Nacht zuvor.

      Nils wunderte sich ein wenig über sich selbst. Er hatte die Sache mit der Tür erstaunlich gleichmütig hingenommen, als wäre eine magisch verschlossene Tür das Gewöhnlichste, was es gab. Vor ein paar Tagen hätte er allein eine solche Möglichkeit rundweg ausgeschlossen, war er sicher. Auch seine Empfindungen und Gedanken, nachdem Tophal ihm dieses sonderbare Schwert in die Hände gelegt hatte, und sonderbar war es ohne Frage, konnte er sich nicht erklären. Da war irgendetwas in seiner Vergangenheit, das seiner Enthüllung harrte. Und plötzlich war sich Nils nicht mehr sicher, ob er wirklich zum ersten Mal in Rûngnár war. Hoffentlich kriege ich die Antworten, wenn meine Erinnerung wieder hergestellt ist, dachte Nils.

      Was immer auch geschah und wie lange er auch in dieser Welt bleiben musste, wobei er sich wünschte, dass es nicht mehr lange dauerte, war er doch froh, dass er nicht mehr allein war. Ob sie seine Freunde waren, das musste sich erst noch herausstellen, aber zumindest war sein Trübsinn und seine Verzweiflung der ersten Tage verschwunden.

      Nach einiger Zeit erreichten sie einen engen Waldpfad. Narvidur sah sich prüfend um.

      „Gut, er ist frei“, meinte er und betrat als Erster den Pfad.

      „Ist es der von gestern Abend?“, fragte Nils.

      „Nein.“

      Aber welcher es nun war und wohin er führte, sagte er nicht. Da sich Nils in dem Wald aber nicht auskannte, war das auch gleichgültig.

      Solange sie in diesem Wald blieben, benutzten sie wildwechselähnliche Pfade. Mehrmals folgten sie Abzweigungen und zweimal überwanden sie unbefestigte Straßen, die deutliche Spuren von Kutschen- und Reiterverkehr zeigten. Allerdings betraten die vier nie eine Straße, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass sie an dieser Stelle frei von Reisenden war. Nils war erstaunt, wie unauffällig die drei Rûngori sich im Wald bewegten. Und dabei waren sie so schnell, dass er Mühe hatte, ihnen zu folgen. Er war sicher, dass sie aus Rücksicht auf ihn sogar langsamer marschierten, als sie es vermocht hätten. Sie waren sichtlich bemüht, den Wald möglichst unauffällig zu durchqueren und Nils zweifelte nicht daran, dass sie dabei erfolgreich waren, denn den ganzen Vormittag begegneten sie keinem weiteren Einwohner dieses seltsamen Landes. Nils ahnte, dass sie in dieser Gegend keine Freunde erwarten durften. Das änderte sich erst am Abend.

      Der Tag war sehr angenehm. Es war morgens schon mild, und als sie das ehemalige Bergwerk verließen, versprach der klare Himmel einen sonnigen Tag, obwohl von der Sonne selbst noch nichts zu sehen war. Nebenbei erfuhr Nils, dass die Sonne Rûngnárs den Namen Bithnar trug, und dass es auch einen Mond gab, der aber nur zu unbestimmbaren Zeiten auftauchte, und das waren nicht die ersten Tage, in denen sich Nils in Rûngnár aufhielt. Er hieß Uthrud. Nils fiel auf, dass all diese Namen sich anhörten, als entstammten sie der nordischen Mythologie Europas, aber Narvidur konnte diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Tophal wusste nur wenig darüber und Torfrida überhaupt nichts.

      Im Lichte des Tages schien der Wald ein ganz gewöhnlicher zu sein, denn die Bäume, ein Gemisch aus Laub- und Nadelhölzern, die Nils nicht fremd waren, obwohl er ihre Namen nicht kannte, sahen hier nicht anders aus als auf der Erde, aber anders als bei der Lichtung, auf der er angekommen war. Die vier Wanderer wurden von zahllosen Insekten umschwirrt, die Nils ebenfalls bekannt waren, deren Artennamen er aber auch ohne Erinnerungslücke nicht gewusst hätte. In den Wipfeln und Kronen der Bäume und zwischen den Stämmen flog und sang ein Heer verschiedenster Vögel, wie man es auch an einem Sommertag auf der Erde erwarten

Скачать книгу