Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 28
All das war nicht ungewöhnlich und hätte auch zu einem irdischen Wald gepasst. Und trotzdem gab es dort etwas, das Nils das bestätigende Gefühl gab, nicht mehr auf der Erde zu sein, etwas Merkwürdiges, Geheimnisvolles, das alles überlagerte. Aber es war nur ein Gefühl, ungreifbar und unerfindlich, und er wäre nicht in der Lage gewesen zu sagen, ob er die Atmosphäre als bedrohlich oder nur als befremdlich empfand. Sie war auf jeden Fall eigentümlich. Er glaubte nicht, dass es an seiner Überzeugung lag, in dieser Gegend keinen freundlich gesinnten Rûngori zu begegnen. Auf jedem Fall haftete dem Wald etwas Zauberhaftes an.
Nils war ein Stadtmensch und ein Leben in der Natur war ihm fremd. Besuche von Wäldern gehörten zu seinen Kindheitserlebnissen, und die lagen unter einem fast undurchdringlichen Schleier des Vergessens verborgen. Aber dass hier etwas anders war, als er erwarten würde, das spürte er deutlich. Er kam aber nicht dazu, seine Begleiter zu fragen, denn er hatte genug damit zu tun, ihnen zu folgen und während der Wanderung sprach keiner von den dreien. Dann geschah es zum dritten Mal.
Nils war für einen kurzen Augenblick in eigener Sache in den Büschen verschwunden, und die drei Rûngori warteten ein Stück vor ihm auf dem Pfad. Als er sich ihnen näherte, verschwammen plötzlich ihre Umrisse und es schien, als wollten sie sich auflösen. Doch wie bei den ersten beiden Ereignissen dieser Art wurde der Vorgang nicht vollendet. Aus den Gestalten der Rûngori heraus entstanden drei neue und wie es schien, wieder irdische. Es waren Afrikaner, drei sehr dunkelhäutige Männer. Wie Nils´ Freunde waren auch sie Krieger. Die Afrikaner waren in verschiedene Felle gekleidet und mit Speeren und Schilden bewaffnet. Ihre Gesichter waren mit merkwürdigen Mustern bemalt. Mehr konnte Nils auf die Schnelle nicht erkennen. Er rief seinen Begleitern etwas zu und tatsächlich drehten sich die Afrikaner zu ihm um. Im gleichen Augenblick verschwanden sie und Tophal, Narvidur und Torfrida gewannen wieder ihre solide Erscheinung zurück. Sie starrten Nils in der gleichen Haltung an, wie es die verschwundenen Afrikaner getan hatten.
„Wohin wolltet ihr denn gerade entschwinden?“, fragte Nils launig, als er bei ihnen ankam. Inzwischen hatte er ein wenig Erfahrung mit der Beobachtung dieses Phänomens, und seine Fassungslosigkeit darüber hielt sich in Grenzen.
„Was soll denn diese Frage?“, erwiderte Narvidur verständnislos. „Wir wollten nirgendwo hin.“
„Ist euch eben nichts aufgefallen?“
„Was soll uns aufgefallen sein?“
„Na ja, die Verwandlung. Also gut, ich will euch erklären, was ich an euch beobachtet habe.“
Er versuchte, möglichst jede Einzelheit zu erwähnen, an die er sich erinnerte. Als er fertig war, schüttelten Narvidur und Torfrida ihre Köpfe.
„Offensichtlich hat Torfrida genauso wenig davon bemerkt wie ich“, meinte Narvidur.
Tophal sah Nils nachdenklich an.
„Wie oft hast du diese Beobachtung schon gemacht?“, fragte er.
„Es war jetzt das dritte Mal. Das erste Mal bei den Pferden der Gefängniskutsche, die mich nach Bihaford brachte. Das nächste Mal bei meinem Verhör in der Burg Dyrgorns. Jedes Mal sind Wesen dieser Welt durchsichtig geworden und welche aus meiner Welt für kurze Zeit an ihrer Stelle aufgetaucht.“ Nils überlegte und bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, fuhr er fort. „Mir kommt da ein Gedanke. Ihr könnt darüber lachen, aber Narvidur erklärte mir in der letzten Nacht, dass sich die Erde und Rûngnár ineinander befinden. Du hast es gehört. Ich bin zwar nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe, aber ist es möglich, dass beide Welten doch nicht so vollkommen voneinander getrennt sind und sie sich hier und dort überschneiden?“
„Da sagst du etwas Wahres“, meinte Tophal und seine Stimme klang nicht sehr belustigt. „Du hast mehr begriffen, als du selbst glaubst und ich fürchte, du hast Recht. So etwas kommt vor. Aber dreimal an vier Tagen ist sehr oft. Vor allem, weil dies nur deine eigenen Beobachtungen waren. Wahrscheinlich wird es dann noch mehr solcher Ereignisse geben.“
„Verzeih meine Frage, aber wie wollt ihr das beurteilen, wenn es euch nicht auffällt?“
„Das stimmt und trotzdem ist es möglich“, meinte Tophal. „Einige von uns können diese Erscheinung erkennen. Wir drei gehören nicht dazu. Auf jeden Fall wissen wir von ihr und ich bin sicher, dass sich das Tchelasan dafür interessieren wird.“
„Außerdem ist es doch ganz einfach“, meinte Narvidur. „Die Statistik spricht doch dafür, oder?“
„Welche Statistik?“, fragte Nils verdutzt.
„Lasst uns weitergehen“, forderte Tophal sie auf.
„Eine Frage noch“, sagte Nils. „Was geht da vor sich?“
Tophal lachte.
„Wenn wir das wüssten. Antworten auf dieses Phänomen suchen wir noch und hoffen, dass du uns dabei hilfst. Auch aus dem Grund haben wir dich hergeholt.“
„Wie soll ich euch denn dabei helfen? Ich habe doch selbst keine Ahnung davon“, entgegnete Nils, aber da musste er sich schon beeilen, die drei Rûngori wieder einzuholen.
Also von solchen Dingen wie Statistik konnte Narvidur nichts wissen, war Nils sicher. Und woher er diesen Ausdruck kannte, war ihm schleierhaft. Aber immerhin hatte er jetzt einen ersten Hinweis darauf, was sie von ihm wollten, und den empfand Nils nicht als sehr beruhigend.
Am frühen Nachmittag erreichten sie den Rand des Waldes. Vor ihnen erhob sich sanft ein ausgedehnter Hügel, auf dem sich eine blumenübersäte Wiese ausbreitete. Weiter rechts schloss sich eine Senke an, durch die eine Straße verlief, die an einem kleinen, silbern glänzenden See vorbeiführte. Dahinter stieg das Land wieder an. Ein paar Baumkronen verrieten, dass jenseits der Straße und des dahinterliegenden Hügels der nächste Wald anfing. Deutlich sichtbar erhob sich im Hintergrund die graue Kuppel des Reservates.
Die vier konnten nirgends eine Rûngoriseele sehen und auch weidendes Vieh und äsendes Wild gab es nicht. Sie spürten die milde Brise, die über das Land strich und vor der sie im Wald geschützt waren.
„Wir müssen über die Straße“, erklärte Torfrida. „Und dann weiter in den Wald, der sich dort hinten durch die Wipfel abzeichnet. Lasst uns am Waldrand entlang…. runter!“
Den Befehl, in Deckung zu gehen, hatte sie fast zischend ausgesprochen, obwohl diejenigen, die der Grund für ihre Warnung waren, kaum eine lautere Stimme gehört hätten. Aus der Hocke heraus sahen sie eine Kutsche auf der Straße.
„Eine Gefängniskutsche“, sagte Nils leise.
Er erkannte sie wieder. Vielleicht war es nicht die Gleiche, aber immerhin war er mit so einem Gefährt in die Burg von Bihaford gebracht worden. Und wieder waren sechsbeinige Pferde davorgespannt.
„Sie kommt aus dem Reservat und ist auf dem Weg nach Bihaford“, meinte Narvidur.
„Wieder mit einem gefangenen Menschen?“, fragte Nils.
„Vielleicht, aber unwahrscheinlich. Menschen tauchen bei uns nicht alle Nase lang auf. Sie verhaften auch andere Wesen, obwohl....“
Den Rest ließ er offen. Schon sein »obwohl« hatte sich nachdenklich angehört.
„Was wollen die denn in Bihaford?“, fragte Nils. „Bei der Unordnung