Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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Narvidur sie genannt hatte, verschwunden war, ertönte plötzlich Musik. Nils horchte auf. Das war irre. Es war Rock ’n’ Roll. Keine Frage, sie hörte Bill Haley. Wo um alles in dieser Welt bin ich hier gelandet, stöhnte Nils innerlich auf. Offensichtlich war ihm seine Verwirrung anzusehen, denn Torfrida erbarmte sich seiner.

      „Elvis und Janis sind keine Rûngori“, erklärte sie. „Es sind – ihr Menschen würdet sagen – Erdgeister.“

      „Geister?“, unterbrach Nils Torfrida. „So richtig echte Geister?“

      Torfrida lächelte nachsichtig.

      „Ja, so richtig echte Geister. Aber wieder keine von Verstorbenen. Sie haben deinetwegen die Gestalt von Menschen angenommen. Meistens erscheinen sie aber als Rûngori, weil sie sich so unter ihnen bewegen können, ohne gleich für Aufsehen zu sorgen, wenn sie sichtbar sein wollen. Janis und Elvis sind sehr hilfsbereit und besitzen, wie du sicher bemerkt hast, eine Schwäche für den Lebenswandel einiger deiner Artgenossen zu einer bestimmten Zeit eures letzten Jahrhunderts. Die beiden haben uns für heute Nacht aufgenommen und Elvis bringt uns morgen ins Reservat. Es wird für uns hier nur ein kurzer Besuch sein. Aber ich will dich darauf vorbereiten, dass du in unserer Welt wahrscheinlich auf weitere recht eigenwillige Wesen stoßen wirst. Darum wäre es für dich zum Vorteil, wenn du zukünftig versuchst, dich nicht mehr so leicht verwirren zu lassen.“

      „Du hast gut reden“, meinte Nils. „Hier ist alles so – anders. Na schön, ich will mich bemühen. Aber meinetwegen hätten sie ruhig die Gestalt von Rûngori behalten können. Sind die beiden immer so durchgeknallt? Oh, Verzeihung.“

      Als er bemerkte, dass Elvis hinter ihm stand, war es schon zu spät.

      „Bruder, du bist undankbar“, sagte er mit gekränkter Stimme und ging mit merkwürdig rhythmischen Bewegungen, die nicht recht zur Musik passten, zu Janis in den Nebenraum.

      „Ist er jetzt beleidigt?“, fragte Nils. Ein etwas schlechtes Gewissen hatte er nun doch.

      Torfrida lächelte.

      „Ich glaube nicht. Solche Regungen gehören nicht zu ihren Wesenseigenschaften.“

      „Trotzdem solltest du in Zukunft freundlicher sein“, sagte Narvidur.

      „Oh, ist das alles verrückt“, meinte Nils und schälte sich aus seiner Decke.

      Ihm war immer noch etwas schwindelig, aber mit der Hilfe von Torfrida und Narvidur gelang es ihm aufzustehen. Nils sah sich um. Torfrida hatte Recht. Nicht nur der Auftritt von Elvis passte zu den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Erde, auch die Einrichtung der Wohnung war stilecht. Janis kam wieder herein.

      „Das Essen ist fertig“, sagte sie mit säuselnder Stimme. „Ihr werdet hungrig sein.“

      Essen?, fragte sich Nils, seit wann gibt es bei Geistern denn etwas zu essen? Na da bin ich aber `mal gespannt – und nicht verwirrt.

      Gemeinsam gingen sie in die Küche. Hier war es heller als nebenan. Eine ziemlich stillose Lampe, wie Nils fand, hing von der Decke. In ihrem Licht sah Nils Janis das erste Mal in ihrer ganzen Erscheinung. Ja, sie passte zweifellos zu Elvis, und zu allem anderen dort unten. Und sie war – welch Wunder – so spindeldürr, dass Nils jede Wette eingegangen wäre, dass sie niemals von ihrem Essen probiert hatte.

      „Woher habt ihr den Strom?“, wunderte sich Nils. „Bisher gab es immer nur Fackeln, Kerzen oder andere offene Feuer. Hier sehe ich echtes Kunstlicht.“

      Elvis lachte.

      „Bruder, das ist so `was von falsch. Es ist echtes Licht und noch echter, als du glaubst. Nenne es ein echtes echtes Licht. Kein Strom, was immer das ist. Das hier sind die Kräfte Rûngnárs, Alter. Wir können sie nutzbar machen. Das kann keiner außer uns Erdgeister. Und nun setzt euch.“

      Nils schüttelte den Kopf, als er sah, was Janis aufgetragen hatte. Es gab Chili con Carne, Nudeln, Weißbrot und Bier. Er entschloss sich, sich auch darüber nicht mehr zu wundern. Mit Sicherheit war das Essen nicht echt, aber wie Janis es geschafft hatte, es nicht nur für die Augen, sondern auch für den Bauch zuzubereiten, blieb ihr Geheimnis. Es schmeckte vorzüglich, wenn vielleicht auch ein wenig scharf, und es machte satt. Offensichtlich war es nur für ihre Besucher gedacht, denn weder Elvis noch Janis aßen davon und das kam Nils schon wieder ganz normal vor für Geister. Aber sie setzten sich wenigstens zu ihnen an den Tisch. Im Hintergrund spielte immer noch Musik und Nils fand nicht heraus, woher sie kam.

      Den restlichen Abend geschah nichts mehr, was besonders erwähnenswert gewesen wäre. Allerdings brauchte Nils an diesem Tag auch keine Aufregungen mehr. Für ihn war er erschreckend und unglaublich genug verlaufen.

      Elvis und Janis hatten zwar von dem Überfall auf die Stadt Bihaford gehört, aber es kümmerte sie wenig. Sie waren in der glücklichen Lage, dass solche Dinge sie nicht betrafen. Dass sie einigen bestimmten Rûngori gelegentlich halfen, unauffällig ins Reservat zu kommen, hatte Gründe, die sie Nils gegenüber nicht erwähnten.

      Die Besucher übernachteten in dem Raum, in dem Nils erwacht war. Außer dem einen Bett, das er wieder benutzen durfte, gab es jetzt noch drei weitere, einigermaßen bequeme Lager auf dem Boden. Sie waren vor dem Abendessen noch nicht da gewesen. Wo Elvis und Janis die Nacht verbrachten, fand Nils nicht heraus. Sie tauchten erst am nächsten Morgen wieder auf. Im Bett fragte er sich noch, ob es diese Räume wohl auch gab, wenn Elvis und Janis keine Besucher beherbergten, und darüber schlief er ein.

      6. Charlotte

      Woran sie erkannten, dass es Tag war, war Nils wieder einmal schleierhaft, denn die Wohnung von Elvis und Janis hatte natürlich keine Fenster. Als sie sich schlafen legten, hatte sich das Licht in ihrem Raum, passend zu den ganzen Umständen, wie von Geisterhand verdunkelt und als er seine Augen am Morgen wieder aufschlug, war es so hell wie am Abend zuvor. Obwohl Nils mehrmals in der Nacht aufgewacht war, war es jedes Mal ziemlich finster um ihn herum gewesen. Irgendwann nach seiner letzten Wachphase musste die Helligkeit wieder zugenommen haben. Janis kam herein und rief sie zum Frühstück. Aus der Küche hörte er leise Musik von Neil Young.

      Nils hatte gut geschlafen. Eigentlich war es die erholsamste Nacht, seit er in Rûngnár war. Er hatte zwar geträumt, aber dieses Mal waren die Träume weniger verwirrend und entspannender gewesen, und so war er ziemlich ausgeruht aufgewacht.

      Das Frühstück hielt, was das Abendessen versprochen hatte. Es gab Toast, Butter, Käse, Wurst, Marmelade, Obstsaft, Kaffee und Milch. Es fehlte an nichts, aber Nils wollte nicht darüber nachdenken, wie Janis´ geisterhaften Hände es zuwege gebracht hatten. Möglicherweise hatte sie sich nicht einmal sehr viel Mühe machen müssen. Auf jeden Fall, dachte Nils, hat sie ein phantastisches Frühstück gezaubert.

      Dann kam Elvis herein, und zu Nils´ Beruhigung kam er durch die Tür und nicht durch die Wand. Er teilte ihnen mit, dass alles für ihren Aufbruch vorbereitet war. Nils blickte ihn mit gemischten Gefühlen an, was ihm wohl nicht entging, denn lachend erklärte er:

      „Also Bruder, mach dir keine Sorgen. Dieses Mal werde ich dich nicht so bald in einen lichternen Fahrstuhl verwandeln. Es gibt einen Tunnel. Er ist schön eng und lang und du wirst dir vielleicht bald wünschen, doch für einen kurzen Augenblick eine Leuchte zu sein.“

      Das glaubte Nils nicht. Tunnel vertrug er besser als feste Erde und er atmete auf. Elvis hatte jedoch nicht erklärt, wie sie den Tunnel verlassen würden.

      Der

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