Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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sie mit einem leutseligen Gesichtsausdruck und blickte Nils unverwandt an.

      „Ich, äh, nein“, erwiderte Nils. „Entschuldigung.“

      Nils war weniger verwirrt über ihre Frage, als vielmehr durch die Art ihres Auftauchens, denn ein Sprung aus dieser Höhe nahm üblicherweise weniger Zeit in Anspruch. Vielleicht lag es auch daran, dass er zum ersten Mal einer angeblichen Hexe gegenüberstand.

      Er schätzte Charlotte auf sein Alter, und dass sie eine Schweizerin war, war deutlich an ihrem Dialekt zu erkennen. Sie besaß feuerrote, schulterlange Haare und grüne Augen. Auch wenn sie nicht rûngorisch leuchtenden, so war Nils doch überzeugt davon, dass sie es in Augenblicken des Zornes oder der Leidenschaft tun würden, oder wenn es galt, jemanden von ihren Worten zu überzeugen, der sich damit ein wenig schwertat, vorausgesetzt, sie war tatsächlich eine Hexe. Insoweit kam sie dem Klischee einer Hexe nahe. Aber ihr durchaus ansehnliches Gesicht wurde weder von einer gewaltigen Nase noch von einer fetten Warze an derselben oder an einer anderen sichtbaren Stelle verunstaltet. Charlottes Lächeln überzeugte ihn davon, dass ihre makellosen Zähne keine Lücken aufwiesen. Allerdings passten ihr langes, dunkles, etwas schlotteriges Kleid und ihre abgewetzte Umhängetasche aus Leder zu ihrer angeblichen Profession.

      Wenn sie tatsächlich eine Hexe ist, dann ist sie noch nicht lange im Geschäft, dachte er schmunzelnd, nachdem er sich von seinem Schrecken wieder erholt hatte. Glücklicherweise deutete Charlotte sein Lächeln als Verlegenheit.

      „Warum hast du auf meinen Zuruf nicht geantwortet?“, fragte Narvidur. „Und warum warst du auf dem Dach und nicht in der Hütte?“

      „Weil es in der Hütte nicht sicher war. Dem ersten Trupp Wächter sind Maart und ich entkommen, doch kaum hatte er mich hierher gebracht, kam der nächste und größere vorbei. Sie fanden den Stall hier so interessant, dass sie ihn inspizierten. Natürlich hätte ich mich ihrer erwehren können, aber ihr habt es mir ja verboten. Also habe ich mich auf dem Dach versteckt. Und dort bin ich ein wenig eingenickt. Das ist alles.“

      „Und den Wächtern ist wirklich nichts passiert?“, vergewisserte sich Tophal.

      Nils fand es seltsam, dass Tophal so um die Wächter besorgt schien.

      „Ich schwöre es. Ich habe sie weder in Mäuse noch in Spatzen oder Mistkäfer verwandelt, sondern laufen lassen, wie versprochen.“

      Nils war sicher, dass sie jetzt mit ihnen ihre Späße trieb – oder etwa nicht?

      „Das war auch besser so“, meinte Narvidur. „Du weißt, was alles passieren kann.“

      „Nur bei mir macht ihr euch deswegen Sorgen“, grummelte Charlotte und beschloss, für eine Weile zu schmollen.

      „Also gut“, meinte Tophal. „Ich will dir glauben. Dann lasst uns von hier verschwinden, bevor die Wächter zurückkommen oder ein anderer Trupp auftaucht.“

      Von der Hütte entfernte sich genauso wenig ein Pfad, wie einer zu ihr hinführte. Die Schleuse war schon seit langer Zeit nicht mehr in Betrieb und es gab keinen Verkehr mehr, seit die Bewohner das Reservat verlassen hatten. Die Feldwege waren inzwischen wieder von Gras überwuchert und nicht mehr zu erkennen. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich ihren Weg selbst zu bahnen.

      Eine Weile gingen sie über die ebene Steppe und nur selten gab es Hindernisse in der Gestalt von Bächen oder Gräben. Manche von ihnen schienen einst von Rûngorihand angelegt worden zu sein. Sie waren zwar verwildert, aber von unnatürlich geradem Verlauf. Und immer wieder stießen sie auf die Überreste verfallender Brücken.

      Es war ihnen klar, dass sie sich wie auf einem Präsentierteller bewegten, aber es gab für einige Zeit nirgends die Möglichkeit, im Schutz von Deckungen voranzukommen. Immerhin galt das Gleiche für die Rûngori-Wächter. Wenn sie in ihrer Aufmerksamkeit nicht nachließen, konnten Krieger sich ihnen kaum unbemerkt nähern.

      Tophal und Narvidur gingen schweigsam nebeneinander her. Dahinter folgte Torfrida und den Schluss bildeten Nils und Charlotte. Die Rûngori gingen schnell und Nils wusste, dass sie möglichst rasch die freie Fläche überwinden wollten. Immer wieder ließen sie ihre Blicke über die Ebene gleiten und richteten sie von Zeit zu Zeit auch in den Himmel, als fürchteten sie eine Gefahr von oben. Ihre offensichtliche Unruhe steckte Nils an und so sah auch er sich gelegentlich am Himmel um, stets in der Hoffnung, nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Eigentlich konnten es auch nur Drachen sein, glaubte er.

      Nils musterte Charlotte möglichst unauffällig. Als sie es doch bemerkte, erwiderte sie seinen Blick. Da musste Nils irgendetwas sagen und es fiel ihm nichts Besseres ein, als:

      „Du bist wirklich eine Hexe?“

      Charlotte sah ihn abwägend an und im gleichen Augenblick fand er diese Frage töricht und unfreundlich, aber nun hatte er sie gestellt.

      „Woran hast du das bemerkt?“, fragte sie zurück.

      „Noch gar nicht. Es wird behauptet.“

      „Das ist gefährlich. Behauptungen solcher Art haben schon viele Frauen in Gefahr gebracht, die damit überhaupt nichts zu tun hatten. Manch einer hat es sogar das Leben gekostet.“

      „Das ist doch lange her“, meinte Nils.

      „Auf der Erde, aber nicht in Rûngnár.“

      „Wirklich?“

      „Es gibt hier Gegenden, da sollte man es nicht unbedingt erwähnen“, sagte Charlotte. „Aber abgesehen davon ist es unhöflich, eine Frau, vor allem, wenn man sie nicht kennt, eine Hexe zu nennen.“

      „Ja, ich weiß. Es ist mir so herausgerutscht. Entschuldigung. Aber so wurdest du mir vorgestellt.“

      „In meiner Abwesenheit? Das ist ja noch unhöflicher. Na gut, in diesem Fall stimmt es aber. Ja, ich bin eine Hexe.“

      „Charlotte, ich darf dich daran erinnern, dass du bei anderen Gelegenheiten durchaus Wert auf die Anerkennung dieser Eigenschaft legst“, erinnerte Torfrida sie lächelnd. „Also warum zierst du dich jetzt so?“

      „Es ist nur -. Ach ich weiß auch nicht. Nils, soll ich dir etwas von meinem Können zeigen?“

      „Ach, ne, lass `mal.“

      Auch wenn er ihr nicht glaubte, was sie behauptete, so erweckte ihre Frage doch ein gewisses Unbehagen in ihm. Nils konnte sich zwar nicht vorstellen, dass es stimmte, trotzdem war ihm die Sache unheimlich. Da galt es, vorsichtig zu sein. In dieser Welt war schließlich einiges möglich, wie er herausgefunden hatte.

      Charlotte grinste ihn schelmisch an.

      „Und du bist der große Erdenkrieger“, riss ihre Stimme ihn aus seinen Gedanken.

      „Wie? Der was?“, erwiderte Nils entgeistert.

      „Haben sie dir noch nichts erzählt? Unsere Aufgabe? Warum du hier bist?“

      „Äh, nein. Ich weiß ja nicht einmal, woher ich komme und wer ich bin. Aber Narvidur hat mir versprochen, dass ich bald alles erfahren werden.“

      Charlotte sah ihn offen an und in ihrem Blick lag ein Schimmer von Mitleid. Dann war es doch schwieriger, dich zum Herkommen zu überreden, dachte sie. Du hättest dir all die Unwissenheit ersparen können.

      Tophal,

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