Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 35
Schließlich wurden die Antworten der Rûngori und des Erdgeistes immer spärlicher und Nils ahnte, warum. Er hörte auf, Fragen zu stellen. Er fand es schon bewundernswert, dass sie überhaupt so lange geduldig geblieben waren. Untereinander fiel zwischen seinen vier Begleitern während der ganzen Zeit kein Wort.
Dann endlich war der eintönige Marsch zu Ende und sie standen vor einer Wand aus gewachsenem Erdreich.
„Das ist geschickt“, fand Nils. „Ein magisches Tor nach draußen. Vollkommen unsichtbar.“
Er flüchtete sich in die Hoffnung, dahinter eine weite Landschaft vorzufinden. Den Gedanken an eine milde Sommersonne verwarf er aber wieder. Sie sollten ja schließlich im Reservat herauskommen, und da gab es bekanntlich keine Sonne. Und warm würde es auch nicht sein.
„Ein magisches Tor?“, fragte Elvis verwundert. „Wofür, um alles in der Welt, Bruder?“
„Na ja, ich dachte, weil....“
„Außer uns kommt hier doch nie jemand lang. Außerdem, sagten wir nicht, dass der Tunnel so endet, wie er begonnen hat. Also sicher kein Tor, weder magisch noch gewöhnlich.“
Elvis konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Nils war entsetzt. Jetzt bewahrheitete sich, was er vor einiger Zeit befürchtet und dann erfolgreich verdrängt hatte.
„Aber – das heißt doch nicht ...?“
Torfrida kicherte.
„Doch, ich fürchte schon“, meinte sie. „Elvis wird uns wieder ein wenig zur Hand gehen.“
Nils schluckte. Nur zu gut erinnerte er sich an die Nebenwirkungen des letzten Males. Ohne Erklärung verschwand Elvis plötzlich.
„Wo ist er hin?“, fragte Nils. „Ich denke, er wollte uns hier herausbringen.“
„Elvis kommt gleich wieder“, erklärte Torfrida. „Er sieht sich oben um, ob die Luft rein ist. Ohne die Hilfe der Erdgeister könnten wir diese geheimen Wege nicht benutzen. Sie bringen uns herab und wieder hinauf. Und sie sichern unser Auftauchen auf der Erdoberfläche. Keiner wird Elvis bemerken, dem er sich nicht zeigen will.“
„Aber woher wusste er gestern, dass wir oben auf ihn warteten? Hat er unsere Gegenwart von unten festgestellt?“
„Das wäre zwar auch möglich gewesen, wenn er sich in der Nähe aufgehalten hätte, aber in diesem Fall wusste er von unserer Ankunft, denn wir sind auch hier entlang aus dem Reservat herausgekommen. Außerdem haben wir Möglichkeiten, uns mit Erdgeistern in Verbindung zu setzen.“
Nils überlegte. Das alles war schon recht merkwürdig. Wieder einmal ging ihm der Gedanke durch den Kopf, in einer ziemlich verworrenen Welt gelandet zu sein, und hoffentlich erhielt er bald seine volle Erinnerung zurück. Mit seinen Fragen, und er stellte bei weitem nicht alle, die ihm einfielen, kam er sich vor wie ein kleines Kind, und das war kein angenehmer Zustand für jemanden in seinem Alter. Und trotzdem....
„Ist es so gefährlich da oben, dass wir nicht einfach hinaufkönnen? Schon in der Gefängniskutsche hatte ich das Gefühl, dass sich meine Bewacher nicht sehr wohl fühlten, solange wir im Reservat waren. Ich konnte zwar nicht erkennen, ob sie Angst hatten, aber ich glaube, sie waren recht – sagen wir – angespannt.“
„Und du? Hast du nichts gespürt?“, fragte Narvidur.
„Sicher, aber es waren immer Stimmungen, die unmittelbar meine Lage betrafen. Eine globale Gefahr habe ich nicht bemerkt.“ Er grinste. „Das war jetzt ein Wortspiel aus meiner ach so segensreich globalisierten Welt. Aber ich schließe aus deiner Frage, dass es sie tatsächlich gibt. Ist sie der Grund dafür, dass das Dorf verlassen wurde?“
„Nicht nur das Dorf, in dem du gefangengenommen wurdest. Das ganze Reservat ist von seiner rûngnárischen Bevölkerung verlassen worden, und von den meisten der anderen Lebewesen. Seit es die Kuppel gibt, ist das Gebiet von einer Ausstrahlung erfüllt, die jedem dort, ob Rûngnári oder Tier, eine tiefe Furcht einflößt.“
„Euch auch?“
„Wir wissen sie zu bekämpfen, aber natürlich bemerken wir sie jetzt wieder, und seit einiger Zeit ist sie wieder unser ständiger Begleiter.“
„Seit wir die Kuppelwand unterquerten? Also reicht sie auch in die Erde.“
„Nicht die Wand, aber die Wirkung der unbekannten Kraft, die unter der Kuppel herrscht. Wir glauben, dass sowohl die Kuppel als auch die Furcht von einem unbekannten Wesen verursacht wird, dass sich vor vielen Jahren hier niedergelassen hat. Irgendwo im Reservat, aber bisher unauffindbar. Aber was die Gefahr betrifft, können wir nur diese Ausstrahlung feststellen. Darüber hinaus ist durch das vermutete Wesen noch niemand zu Schaden gekommen, soweit wir wissen.“
Plötzlich rührte sich etwas in Nils. Narvidurs Bemerkung kam ihm nicht so befremdend vor, wie es eigentlich hätte sein müssen. Aber wann hatte er davon gehört? Nils war ziemlich sicher, dass der Zauberer diesen Umstand bisher mit keinem Wort erwähnt hatte.
„Was für ein Wesen ist das?“, fragte Nils. „Woher kam es und wie sieht es aus? Ist es immer noch da und was tut es?“
„Alles unbeantwortete Fragen, wie du jetzt wissen solltest“, erklärte Torfrida. „Außer die nach seiner Anwesenheit. Davon sind wir überzeugt. Es wurde nie gesehen. Es richtete unter der Bevölkerung keinen Schaden an, das bedeutet, niemand wurde von ihm verletzt oder getötet, wie es scheint. Es verbreitet nur einen gewaltigen Schrecken. Und der ist immerhin so verheerend, dass es niemand mehr längere Zeit innerhalb der Kuppel aushält.“
„Außerdem, wer will schon in einer kalten Umgebung ohne Sonne und Nachthimmel leben“, fand Nils.
„Das kommt noch hinzu. Aber, um die Wahrheit zu sagen, wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt ein lebendes Wesen ist. Wir vermuten es. Es kann sich aber auch um eine vollkommen andere Macht handeln, die sich keiner von uns vorstellen kann.“
„Für ein Lebewesen scheint die Auswirkung auch außergewöhnlich groß“, fand Nils. „Aber trotzdem treiben sich im Reservat immer noch Rûngori herum. Ganz verlassen ist es also doch nicht. Es scheint auch noch einige Tiere zu geben, wenn sie zuweilen auch ein wenig eigenartig aussehen. Und ihr habt euren Schlupfwinkel dort. Prüft Elvis, ob dieses komische Wesen dort oben auf uns wartet?“
„Dann wären wir schneller als erwartet am Ziel, aber damit hat es nichts zu tun“, antwortete Narvidur. „Es geht um die Patrouillen der Berg- und Steppenkrieger, die es trotz allem dort oben allzu oft gibt, zumal wir uns hier am Rande des Reservates befinden. Erst zur Mitte hin werden sie seltener. Allerdings gibt es zwei Orte, die von dem Einfluss des Wesens aus unbekannten Gründen verschont bleiben. Einer davon ist unser Versteck. Und dort sind wir auch sicher vor den Wächtern.“
Nils´ Frage nach dem zweiten Ort blieb ungestellt, denn in diesem Augenblick kehrte Elvis wieder zurück.
„Es hat etwas länger gedauert“, entschuldigte er sich. „Genau über euch hat sich ein Tor geöffnet, als ich oben war. Charlotte ist angekommen. Das wäre beinahe schiefgegangen, denn nicht weit entfernt waren Steppenkrieger. Irgendwie entwickelt sich bei ihnen ein Gespür für die Tore, habe ich den Eindruck. Es war nicht leicht, Charlotte unauffällig in Sicherheit zu bringen, aber es ging noch einmal gut, auch