Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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erstaunt, wie seltsam nüchtern sich Elvis doch ausdrücken konnte, ohne jedes »ey«, »Bruder«, »Freak« usw. Sein Bericht war beinahe professionell. Inzwischen war Nils sowieso zu der Ansicht gekommen, dass Elvis Auftreten als Hippie nicht sehr gekonnt war, weder was seine Kleidung betraf, noch seine Ausdrucksweise und noch weniger seine nach wie vor ziemlich strengen Ausdünstungen. Zumindest was den letzten Aspekt seiner etwas grotesken Erscheinung betraf, hatte Janis nicht versucht, mit ihm wettzueifern.

      „Charlotte?“, fragte Nils interessiert.

      „Eine schweizerische Hexe“, erklärte Narvidur in einer Weise, als wäre es das Gewöhnlichste auf der Welt, zumindest in dieser Welt.

      „Eine Hexe. Ja, natürlich.“

      „Gut, sind alle bereit? Dann können wir los“, bestimmte Torfrida.

      „Nein, ich bin nicht bereit“, meinte Nils murmelnd. „Aber das wird wohl keinen interessieren.“

      Das stimmte, aber dieses Mal war es leichter für ihn.

      Als Nils die Augen aufschlug, drehte sich die Welt zwar noch ein wenig um ihn, aber ihm war weder schwindelig, noch spürte er Panik. Dieses Mal, war Nils sicher, war er auch nicht bewusstlos geworden. Dafür lag er wieder mit dem Rücken auf dem Boden. Er fühlte trockenes Gras und atmete auf. Immerhin lag er nicht in einer schlammigen Pfütze.

      „Helft ihm hoch“, hörte er die Stimme Torfridas.

      Tophal und Narvidur stellten Nils wieder auf die Beine. Der Pudding in seinen Knien verfestigte sich zusehends und wenige Augenblicke später stand er wieder so sicher wie zuvor.

      Elvis war schon wieder verschwunden. Er befand sich bereits auf dem Rückweg zu Janis.

      „Wie fühlst du dich?“ fragte Torfrida.

      „Hervorragend“, meinte Nils mit unverhohlenem Spott. „Ich war nicht bewusstlos, bin nicht in einem Grab aufgewacht und auch nicht in einer Schlammpfütze gelandet und keine Sonne blendet meine Augen. Es ist alles prima. Was will ich mehr? Ich werde Elvis bitten, mich diese Art der Fortbewegung zu lehren. Sie macht Spaß.“

      „Sei nicht undankbar“, tadelte Narvidur Nils milde. „Hättest du dich lieber nach oben durchgegraben? Über uns befanden sich zwanzig Meter Erdreich.“

      „Das mag ja sein und es wäre sicher ziemlich anstrengend gewesen, aber du vergisst, dass ich all die Unbequemlichkeiten durchmache, ohne zu wissen, warum. Also gut, holen wir Charlotte ab. Wer ist das eigentlich wirklich?“

      „Das wirst du gleich sehen“, antwortete Torfrida.

      Sie waren in der Nähe eines Waldrandes herausgekommen. Nils wusste zwar nicht, ob es der Gleiche war, der vor der weiten Ebene mit dem verlassenen Dorf lag, aber auf jeden Fall war es eine andere Stelle. Von einer Ansiedlung war weit und breit nichts zu sehen, und in geringer Entfernung erhob sich die graue Wand der Kuppel, die sich jetzt über sie wölbte. Sie war deutlich näher als bei seiner Ankunft im Reservat. Weiter weg als damals, erhoben sich die schneebedeckten Gipfel des bekannten Gebirges. Die Richtung, aus der er es jetzt betrachtete, war ein wenig anders, aber die Reihenfolge der Bergspitzen erkannte Nils wieder. So riesig dieser Höhenzug erschien, er lag immer noch innerhalb des Reservates. Daraus schloss Nils, dass das Wesen, das die Kuppel erzeugt hatte und bewahrte, von ungeheurer Macht sein musste, wenn es tatsächlich lebte.

      Nils horchte in sich hinein. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Nein, eine unbestimmte Furcht empfand er nicht, nur diese unnatürliche Kälte.

      Endlich hatten sie genügend Platz, um nebeneinander herzugehen und die Rûngori bewegten sich wieder so schnell, dass Nils sich bemühen musste, mit ihnen Schritt zu halten. Trotzdem gelang ihm ein unauffälliger Seitenblick auf sie. Er konnte keine Anzeichen für eine Furcht erkennen. Falls sie tatsächlich etwas Derartiges spürten, gelang es ihnen sehr gut, es zu verbergen.

      Schon von weitem erkannte Nils einen kleinen Fluss, der sich durch eine baumlose Niederung schlängelte. Und dort stand auch die Hütte, von der Elvis gesprochen hatte. Da sollte sich Charlotte versteckt halten.

      Narvidur hatte Nils in der Zwischenzeit ein wenig über diese merkwürdigen Tore erzählt, die es möglich machten, zwischen der Erde und Rûngnár hin- und herzuwechseln. Es handelte sich eigentlich um Orte, an denen die Schwingungen beider Welten so weit angeglichen werden konnten, dass die Grenze zwischen ihnen durchlässig wurde. Gleichzeitig veränderte sich aber auch die Dichte derjenigen, die die Tore durchschritten. In beiden Welten waren sie durch ein schwaches Flimmern erkennbar, das aber nur so lange bestehen blieb wie das Tor, und das waren nur wenige Augenblicke. Auf die zufällige Öffnung eines solchen Tores an einem bestimmten Ort zu warten, war unmöglich. Man hätte ewig warten können. Aber manche Menschen und Rûngnári besaßen die Fähigkeit, solche Tore entstehen zu lassen und das unabhängig von einem bestimmten Ort. Nur so waren planvolle Übergänge möglich. Zu ihnen gehörten Narvidur, die zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Cereia und Charlotte, die kurz darauf auf den Plan trat. Nils besaß die Veranlagung dazu, was er aber nicht wusste. Zu dieser Zeit war er aber noch nicht im Stande, sie anzuwenden.

      Nils war erstaunt gewesen, mit welcher Geduld Narvidur versucht hatte, ihm die Zusammenhänge zu erklären. Worüber er weniger erstaunt war, das war die Tatsache, dass er es nicht verstand. Immerhin begriff Nils, dass es sich um eine Magie handelte, die er einige Tage vorher noch als völligen Unsinn abgetan hätte, wie jede andere Magie auch. Umso mehr bewunderte er sich selbst, dass er sie in der Welt der Rûngori innerhalb so kurzer Zeit für eine beinahe alltägliche Erscheinung hielt.

      Nils´ Übertritt war beabsichtigt gewesen. Von wem, das würde er schließlich beim Tchelasan erfahren. An dem Ort, an dem er herausgekommen war, sollte er von Freunden Narvidurs abgeholt werden. Doch entweder war er zu früh aufgetaucht oder die Rûngori hatten sich verspätet, das mussten sie noch herausfinden. Jedenfalls hatten sie sich verfehlt. So kam es, dass Nils von den Wächtern gefangengenommen und abgeführt wurde, bevor die Gesandten ihn befreien konnten. Sie erfuhren noch nicht einmal, was mit Nils geschehen war. Daher war es ein glücklicher und ungemein unerwarteter Zufall, dass sich Nils und Narvidur schließlich in der Kerkerzelle begegneten.

      So, wie Elvis vom Auftauchen Charlottes gesprochen hatte, schien das nicht zufällig geschehen zu sein. Nils fragte sich, ob sie beide aus dem gleichen Grund in der Welt der Rûngnári angekommen waren, den er hoffentlich bald erfahren würde.

      Narvidur klopfte vernehmlich an die Tür der Hütte.

      „Charlotte! Kela om bo lem!“, sagte er laut.

      Es kam keine Antwort.

      „Charlotte?! Kela om bo lem! Tophal, Torfrida, Nils und Narvidur sind hier. Wir kommen dich abholen. Mach die Tür auf.“

      Er rüttelte an dem Griff. Mit einem Quietschen öffnete sich die Tür. Der Schuppen war klein und es gab keine Möglichkeit, sich zu verstecken, aber auch keine Spur von Charlotte.

      „Meinst du, sie hat Angst vor uns und ist abgehauen?“, fragte Nils.

      „Unsinn“, meinte Narvidur. „Sie kennt uns. Charlotte ist auch nicht das erste Mal in dieser Welt.“

      „Auch?“, fragte Nils, als ob ihm plötzlich etwas schwante. Irgendetwas, glaubte er, braute sich über ihm zusammen.

      „Ja.“

      Plötzlich schwebte ein Schatten neben Nils vom Himmel und erschrocken griff er an sein Schwert.

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