Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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noch alles geben. Das wird bei richtigen Hexen doch bestimmt nicht anders sein.“

      „Was macht dich so sicher, dass es solche Wesen überhaupt gibt, wenn du mir und den anderen schon nicht glaubst, was ich bin.“

      „Ja, das ist wahr. Deshalb sagte ich, es soll sie geben, und bis vor wenigen Tagen hätte ich es, soweit ich mich erinnern kann, rundweg abgestritten. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. In der Zwischenzeit ist viel geschehen, weißt du, und Narvidur behauptet von sich, ein Zauberer zu sein, und ich hoffe, er meint damit einen Weißmagier. Außerdem habe ich Dinge gesehen, die ich vorher nie für möglich gehalten hätte. In dieser Welt scheint mir vieles Unmögliche möglich.“

      „Greife einmal in die Innentasche deiner Jacke“, forderte sie Nils auf, ohne einen Grund anzugeben.

      Zögernd kam er ihrem Wunsch nach. Es knisterte, also war es keine Kröte und keine Schlange. Er zog eine Tüte mit Schokoriegeln hervor.

      „Nanu, wo kommt die denn her? Hast du -?“

      Sie nickte feixend.

      „Wann denn? Ich habe nichts bemerkt. War ich vorhin so abwesend?“

      Charlotte rollte mit den Augen.

      „Ja, glaubst du denn, ich habe dir die Schokolade in die Jacke gesteckt, sozusagen als Begrüßungsgeschenk? Himmel, nein. Ich habe sie dir gerade eben hineingezaubert.“

      „Aha, na dann, vielen Dank. Möchtest du auch ein Stück?“

      Na gut, das hat ihn nicht überzeugt, dachte sie kopfschüttelnd.

      „Ja.“

      Nils reichte die Tüte `rum, aber die Rûngori lehnten dankend ab.

      „Wie ist das nun?“, fragte Nils noch einmal. „Schwarz oder weiß oder noch anders?“

      „Du glaubst es ja doch nicht“, meinte sie kauend. „Ich bin alles, so wie es gebraucht wird. Zufrieden? Ich habe meine Ausbildung mit einem Diplom abgeschlossen?“

      „Ach ja, so etwas gibt´s? Interessant. Na gut. Eine andere Frage, wenn du darauf antworten willst. Hast du noch einen anderen Beruf?“

      „Du meinst, einen, von dem ich lebe? Das könnte ich davon auch, aber es könnte das Misstrauen der Nachbarn erregen. Ich arbeite in der Eheberatung.“

      Nils hustete gekünstelt, als hätte er sich an einem Stück Schokolade verschluckt.

      „In der was? Eheberatung? Das ist ja toll.“

      „Warum? Arbeitest du da auch?“

      Nils schüttelte den Kopf.

      „Nein, ich glaube nicht. Es ist nur, hier hätte ich keine Eheberaterin erwartet.“

      „Hier bin ich ja auch in meiner Eigenschaft als Hexe, falls du das schon wieder vergessen hast.“

      Nils überhörte nicht, dass Charlotte sich einige Mühe gab, ihre aufkommende Verärgerung zu unterdrücken. Sie schien leicht reizbar zu sein und alles, was sie gesagt hatte, ernst zu meinen. Vielleicht sollte er mit seinen Zweifeln ein wenig zurückhaltender sein. Am Ende sagte sie doch die Wahrheit und verwandelte ihn aus lauter Unmut in irgendetwas Kleines und Hässliches. Ihm fiel ein, was sie über die Wächter gesagt hatte. Und falls die Möglichkeit bestand, dass es so ausging, wollte er es lieber vermeiden, sie noch mehr herauszufordern.

      „Schon gut, nochmals Entschuldigung. Ich wollte dich nicht kränken.“

      „Schau an, wie feinfühlend du bist.“

      „Nicht wahr.“

      Nils kam ein Gedanke. Vielleicht war Charlotte ja in der Lage, seine verlorengegangene Erinnerung wiederzubeleben. Wenn sie die Hexe war, die sie vorgab zu sein, nämlich mit Diplom, dann sollte sie es können. Doch dann kamen ihm genauso plötzlich Zweifel, wie die Hoffnung aufgekeimt war. Was würden die anderen davon halten? Noch als er um eine Entscheidung rang, sah er ihr erschrockenes Gesicht.

      „Was –?“

      Mit einem verhaltenen Aufschrei stürzte sie sich auf Nils. Im gleichen Augenblick lagen sie nebeneinander in einer flachen Senke.

      „Oh, wir Rindviecher“, fluchte Charlotte gepresst. „Beim Barte meiner Großmutter! Schmoren sollen wir in ihrer Küche! Wie konnte ich mich von dir nur so ablenken lassen? Ich Anfängerin!“

      Sie deutete nach vorn. Vorsichtig hob Nils seinen Kopf. Von ihren Begleitern war weit und breit nichts zu sehen.

      „Was ist denn los? Ich sehe nichts.“

      Charlotte legte einen Zeigefinger auf ihren Mund und er schwieg. Nils richtete sich noch ein wenig weiter auf, aber sie zog ihn wieder herunter. Doch dieser kurze Augenblick hatte ausgereicht, um den Schatten zu erkennen, der sich ein Stück vor ihnen erhob. Erschrocken duckte Nils sich wieder ab und ein wenig umständlich zog er sein Schwert.

      „Was ist das?“, fragte er flüsternd.

      Nils bekam keine Antwort, stattdessen verdunkelte sich seine Umgebung und er konnte nichts mehr sehen.

      In der Kürze der Zeit hatte er kaum eine Gestalt erkennen können, aber was er gesehen hatte, schien ihm bedrohlich genug zu sein. Dass sich ihnen der Schatten auf geradem Wege näherte, war ihm nicht aufgefallen, aber er hörte ein zunehmendes Brummen und Klopfen. Dann senkte sich ein Tuch, eine Decke oder ein Mantel über ihn und deckte ihn vollständig zu. Neben sich hörte er Charlotte leise atmen. Zu allem Übel fühlte er einen aufkeimenden Niesreiz. Das ist jetzt bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt, dachte er und kämpfte ihn verzweifelt nieder.

      Charlotte öffnete einen kleinen Sehschlitz. Die Luft schien rein. Er wusste nicht, was er tun sollte, und Charlotte gab keine Erklärungen. Nils wagte kaum zu atmen. An seiner Seite hielt er sein Schwert, aber er war sich nicht sicher, ob es ihnen helfen würde. Er wusste nicht einmal, ob das Phantom, das sich vor ihnen auftürmte, feindlich oder freundlich war, aber Charlottes Reaktion ließ nicht so sehr auf das Letztere schließen. Alle Gedanken an Tophal, Narvidur und Torfrida waren verschwunden. Dann sah er es und Panik überkam ihn. Nils musste sich zwingen, nicht einfach aufzuspringen und wegzulaufen.

      Das Wesen war vor ihnen stehengeblieben und damit hatten auch die fremdartigen Geräusche aufgehört. Es war größer als Nils, so viel war sicher. Und es war nuancenlos grau, ohne Anzeichen für irgendwelche Bekleidung. Der Körper bestand aus einem tonnenförmigen Rumpf, zwei kurzen, stämmigen Beinen und an jeder Seite hingen zwei dicke, übermäßig lange Arme herab. Der Blick auf den Kopf der Gestalt war durch die Decke abgeschnitten und die Hände hingen verborgen unterhalb der Graskuppe vor ihnen.

      Das Wesen drehte sich einmal zu dieser, einmal zu jener Seite und schien zu wittern, denn es zog mehrmals kurz aber vernehmlich Luft ein. Es schien sich vergewissern zu wollen, dass niemand anderes in der Nähe war. Dann machte es einen Schritt auf das Versteck von Charlotte und Nils zu und – Nils stockte das Herz – bückte sich zu ihnen herab.

      Grünleuchtende Augen aus einem Gesicht ohne Mund und ohne erkennbare Nase starrten sie an. Beide schrien sie erschrocken auf. Charlotte, weil sie wusste, mit was sie es zu tun hatten, und Nils einfach so vor Entsetzen. Er wollte aufspringen und fliehen, aber bei diesem Gedanken blieb es, denn bevor er sich bewegen konnte, griffen

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