Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.
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»Ich weiß nicht, was ein Schweizer Pressemann hier zu suchen hat«, sagte der Beamte leicht irritiert.
Reto Winterhalter beugte sich leicht nach vorne, denn der Beamte war einen Kopf kleiner als er. »Auch wenn Sie es nicht glauben, auch in der Schweiz interessiert man sich für Mordfälle. Vor allem, wenn sie in mondänen Kurorten geschehen.«
Der Dialekt.
Carola kam es so vor, als setzte er ihn in diesem Moment gezielt als Waffe gegen die scheinbare Begriffsstutzigkeit dieses Beamten ein.
»Mord? Wer spricht hier von Mord? Wir haben bisher nur eine Tote im Pool. Niemand redet von einem Mord.« Als hätte er sich vor seinen eigenen Worten erschrocken, blickte er sich unsicher um.
Wenn solche Pfeifen in dem Fall ermitteln, spricht auch niemand von einem Mord, weil sie zu unbedarft sind, ihn zu erkennen.
»Wer leitet denn hier die Ermittlung?«, fragte Carola.
»Darf ich mal fragen, wer Sie sind? Auch Presse? Vielleicht aus Österreich?«
Er grinste, weil er seine Worte für witzig hielt.
»Nein, keine Presse. Tut mir leid, Sie da enttäuschen zu müssen. Mein Name ist Dr. Carola Pütz aus Deutschland. Ich bin Gerichtsmedizinerin und plastische Forensikerin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Wer leitet die Ermittlungen?«
Dem Polizisten blieb der Mund offen stehen. Das Grinsen war verschwunden. Reto Winterhalter allerdings grinste in sein kleines Bärtchen. Jetzt also hatte seine Begleiterin ihr Inkognito aufgegeben. Gerichtsmedizinerin. Welcher Beruf passte besser? Keiner.
»Der Kommissar und sein Team sind noch nicht eingetroffen. Es kann eine Weile dauern, bis sie aus Plauen hier vor Ort eintreffen«, sagte der Mann recht kleinlaut.
Carola konnte nicht länger an sich halten. »Und in der Zeit zerstören sie hier wie eine Herde Elefanten alle Tatortspuren. Na toll, wo haben Sie denn Ihre Ausbildung gemacht? Im Hühnerstall?«
»Tatortspuren?«, fragte der Beamte. Er hatte die Beleidigung entweder nicht verstanden oder einfach überhört.
»Ja, Tatortspuren. So etwas nennt man zum Beispiel Tatortspuren«, sagte sie und zeigte auf die kleinen Wasserpfützen, die bis zu der Tür in der Ecke führten.
Der Beamte schaute in die Richtung, in die Carola mit ihrer rechten Hand zeigte.
»Die haben wir noch nicht bemerkt«, gab der Mann beschämt zu.
Carola kam in Fahrt. »Das denke ich mir. Lag die Tote auf dem Bauch oder auf dem Rücken im Wasser?«
»Auf dem Rücken«, antwortete der Beamte behäbig.
»Aha, das lässt darauf schließen, dass der Täter oder derjenige, der die Tote ins Becken gelegt hat, eine Beziehung zu seinem Opfer hatte. Er wollte ihr noch einmal in die Augen schauen. Hätte man sie auf dem Bauch liegend vorgefunden, könnte man davon ausgehen, dass er sie einfach entsorgt hat; sie ins Wasser warf. Aber dagegen sprechen auch die Wasserspuren am Beckenrand. Der Täter ist zusammen mit dem Opfer hineingestiegen und ist später erst wieder herausgeklettert. Wenn Sie den Spuren hinter dieser Tür dort folgen, können Sie Ihren Kommissar enorm beeindrucken, weil sie bereits wissen, wohin der Täter geflohen ist. Und sperren Sie alles hier ab. Ist nur ein gutgemeinter Rat von mir.«
Man sah dem Mann die Überraschung an, doch nach einer Sekunde des Nachdenkens reagierte er, schrie quer durch die Halle zu seinem Kollegen: »Wir müssen hier absperren. Der Mörder ist sicher durch diese Tür dort geflohen.«
Er fuchtelte mit seinem rechten Arm in der Luft herum und zeigte auf die besagte Tür. Der angesprochene Beamte verstand überhaupt nichts und der, der ihn angesprochen hatte, spurtete zu ihm hinüber, um ihm sein Wissen vorzutragen.
»Ich bin beeindruckt, Frau Doktor Carola Pütz. So etwas lernt man als Gerichtsmedizinerin? Ich dachte immer nur, das wäre: Leiche auf, die Todesursache suchen und Leiche wieder zu.« Winterhalter machte eine kleine, elegante Verbeugung vor Carola Pütz.
Sie fühlte sich geschmeichelt und gleichzeitig amüsiert durch die beiden niedlichen schweizerischen ‘ch‘ in dem Wort Leiche. Dennoch, so oder so wollte diese kleine Neckerei nicht zur Situation passen.
»Nein, das lernt man in langen Jahren als Ermittlerin am Tatort. Ein Toter gibt seine Geheimnisse viel schwerer preis. Naja, manchmal jedenfalls.«
»Was denken Sie? Ist sie ermordet worden?«
Diese Frage stellte er hoffentlich rhetorisch. Jeder konnte sehen, dass die Frau keines natürlichen Todes gestorben war. Selbst Ertrinken schied mit den immensen Würgemalen am Hals als Todesursache aus. Mit Sicherheit war Winterhalter nur scharf auf eine weitere Kostprobe ihres gerichtsmedizinischen Könnens. Sie wollte sie ihm gewähren.
Carola ließ ihren Blick über die nackte Tote gleiten. Sie kniete sich neben das Handtuch. Ihre Hose saugte sich sofort voll mit Wasser, sie bemerkte es nicht. Jetzt war Carola in ihrem Element. Aus ihrer Manteltasche zog sie ein Päckchen Taschentücher, entnahm zwei und steckte das Päckchen wieder zurück. Mit einem geschickt gehaltenen Taschentuch in jeder Hand tastete sie den Hals der Toten ab, drehte ihren Nacken, hob den linken Arm an, schaute in die Ellenbeuge. Besonderes Augenmerk legte sie auf die Handgelenke und die Fingernägel.
Sie rutschte ein bisschen nach unten auf dem Badetuch, hob mit der Hand behutsam den linken Schenkel der Frau an und drehte ihn ein wenig zur Seite. Sie fand bestätigt, was sie bereits geahnt hatte. Die Vagina und vermutlich auch der Anus der Toten wiesen massive Verletzungen auf, die nur von einer Vergewaltigung herrühren konnten. Beinahe hätte sie aus Gewohnheit angefangen, ihre Ergebnisse in ein nicht vorhandenes Mikrofon zu sprechen. Sie ließ das Bein behutsam auf den Boden gleiten und stand wieder auf.
Carola hob den Kopf und steckte ganz in Gedanken die nassen Tücher in ihre Manteltasche.
»Die Frau wurde erwürgt. Mit bloßen Händen. Bei so einer zarten Person braucht man dafür nicht viel Kraft. Sie hat sich gegen ihren Angreifer gewehrt, das verraten die Abwehrverletzungen an den Armen. Trotzdem ist sie vergewaltigt worden, sogar mehrfach«, sagte sie und den letzten Halbsatz flüsterte sie beinahe.
»Das ist fast noch ein Kind«, sagte Winterhalter mit teilnahmsvoller Stimme.
Seine Miene war versteinert, keine Spur mehr von der Leichtigkeit.
»Sie ist fast noch ein Kind. Ein Kind, das aber einen Ring getragen hat, den man ihm abgenommen hat«, verbesserte Pütz.
»Weil er etwas verraten würde?«
»Wahrscheinlich«, antwortete sie nickend, »Wie viele tote Kinder haben sie in Ihrem Leben schon gesehen?«
In diesem Moment wurde es laut in dem Gang hinter ihnen, deshalb blieb er ihr die Antwort auf diese Frage schuldig.
Der Kommissar und sein Team schienen angekommen zu sein. Tatsächlich schob sich in dem Moment ein breitschultriger Mittvierziger die kleine Treppe herunter. In seinem Schlepptau befanden sich drei weiß gekleidete Tatortermittler.
»Was