Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.
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»Ich hoffe, niemand hat etwas dagegen, wenn wir uns beeilen.«
»Nein, sicher nicht«, bestätigte Carola.
Es kam ihr so vor, als hätte Reto Winterhalter ein liebenswürdiges Dauergrinsen aufgelegt. Freundlich, aber trotzdem reserviert, seitdem sie ihn auf seinen Beruf angesprochen hatte. Sie konnte sich täuschen, aber es kam ihr so vor. Unterwegs begegneten ihnen viele Gäste des Konzerts, Taxis fuhren an ihnen vorbei. Sie unterhielten sich auf dem Weg nur über belanglose Dinge. Vom Theater bis zur Klinik brauchte man ungefähr fünf Minuten, wenn man sich beeilte.
Vor der Auffahrt zur Klinik standen mehrere Menschen und schauten hinauf zum Eingang. Durch die angeregte Unterhaltung fiel es ihnen erst auf, als sie dort ankamen.
Carola erkannte die Blaulichter der Einsatzfahrzeuge als Erste.
»Oh je, das sieht nach einem erneuten Diebstahl aus. Sonst wäre wohl die Polizei nicht dort«, sagte sie.
Doch dann erkannte sie einen Rettungswagen und einen Notarztwagen, die vor dem Eingang der Klinik parkten. Trotz der späten Stunde herrschte reichlich Betrieb. Kurgäste, nur mit Morgenmänteln und Hausschuhen bekleidet, standen vor dem Eingang.
Sofort wich ihre gelöste Stimmung einer gespannten Erwartung. Sie hatte lange Zeit als Gerichtsmedizinerin gearbeitet, bevor sie sich der plastischen Forensik zugewandt hatte. Daher kannte sie die gedrückte Gemütslage, die herrschte, wenn man sich einem Tatort näherte.
»Diebstahl?«, fragte Reto Winterhalter.
»Ja, es gab einen Diebstahl vor einigen Tagen. Aber wenn Notfallmediziner vor Ort sind, ist es sicher etwas anderes«, antwortete Carola. Eine unerfreuliche Vorahnung breitete sich in ihr aus.
Näherten sie sich einem Tatort?
Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie auf das Gebäude zugingen.
Die kreisenden Blaulichter der Rettungsfahrzeuge unterlegten die Szenerie mit einer düsteren Stimmung.
Carola bemerkte nicht, dass sie den Arm von Reto Winterhalter ergriff, als sie die Treppenstufen hinaufgingen. Was sie jedoch registrierte, war, dass ihr Puls langsam anstieg. Nicht besorgniserregend, aber spürbar. Die Leute in den Bademänteln tuschelten miteinander. Carola bekam nur Gesprächsfetzen mit.
Sie hörte das Wort ‚Tote‘ und man sprach vom Hallenbad. Winterhalter öffnete die Tür und ließ den Frauen galant den Vortritt.
Vor der Rezeption drängten sich die Hausgäste. Links vor dem Durchgang zur Schwimmhalle stand ein Polizist und wies Neugierige ab. Frau Schleisieck drehte sich um und deutete an, dass sie sich an der Rezeption erkundigen wollte.
Carola wollte auf sie warten, doch Reto Winterhalter zog sie in Richtung Hallenbad, bis sie vor dem Polizisten standen.
»Ist die Presse zugelassen?«, fragte er den unerfahren wirkenden Beamten und hielt ihm seinen Presseausweis vor die Nase. Der Polizist kontrollierte ihn und gab den Weg frei.
Carola schaute Reto Winterhalter fragend an. Doch der grinste nur schelmisch und sagte: »Wenn ihm der Schweizer Presseausweis ausreicht, was soll ich sagen?«
Sie schmunzelte über seine Unverfrorenheit, obwohl ihr nicht nach Scherzen zumute war.
Langsam gingen sie weiter, vorbei an dem Büro von Ferner, bis sie an der Decke des Ganges bereits die Reflexionen des Wassers sehen konnten.
Der Pulsschlag stieg. Nach rechts öffnete sich der Gang und daran schloss sich eine kleine Treppe an, über die man den ornamentierten Fliesenbelag der Halle betrat. Doch für die kunstvoll verlegten Fliesen hatte sie keinen Blick. Der haftete auf dem im Wasser treibenden Körper, den jemand gerade versuchte, an den Beckenrand zu schieben. Der Polizeibeamte musste schwimmen, da der Körper im tiefen Wasser trieb. Ein weiterer Polizist hantierte ungeschickt mit einer Stange vom Beckenrand aus.
Pulsschlag: Tendenz weiter steigend. Doch sie bemerkte es nicht. Ihre Zählmacke arbeitete, ohne Schaden anzurichten, im Offline-Modus. Schnell und präzise.
Ihr war das Schwimmbad vom Samstag her bekannt, doch hatte es jetzt etwas Fremdes, Bedrohliches. Durch die mit Jugendstilblüten verzierten Fenster fiel kein Licht.
Im Gegenteil, wie durch finstere Höhleneingänge glotzte die Dunkelheit herein. Alle Strahler in der Halle schienen in Betrieb zu sein und beleuchteten sie mehr als taghell. Dennoch blieb die Stimmung düster.
Sie bemerkte, wie ihr Blick durch den gesamten Raum flog, ein Detail hier und ein Detail dort aufnahm.
Die Leiche weiblich und nackt.
Carola sah am Beckenrand und im Wasser keine Kleidung. Nur die Uniform des Polizisten lag auf einem Haufen neben einer Leiter, die ins Wasser führte.
Kein Badeanzug, Bikini oder Badetuch.
Keine Schuhe oder Sandalen.
Sie hob ihren Kopf und ließ den Blick wandern.
Alle Fenster verschlossen.
Alle Türen geschlossen.
Am Beckenrand, etwa zehn Meter entfernt, bemerkte sie Wasserpfützen. Hatte diese Spuren jemand hinterlassen, als er aus dem Wasser kletterte?
Die Spuren endeten vor einer Tür am hinteren Ende der Halle.
Carola wettete, dass man auch dahinter noch nasse Fußabdrücke finden würde.
Ein Fluchtweg. Der Weg des Mörders?
Der Körper wurde aus dem Becken gezogen und auf ein Handtuch der Notärzte gelegt. Carola Pütz kletterte die drei Stufen hinunter und ging mit festem Schritt zu der Leiche hinüber. Mit betroffenen Gesichtern standen drei Polizisten und der Notarzt neben der Toten. Der Beamte, der die Tote aus dem Wasser geholt hatte, kletterte heraus und trocknete sich ab.
Vor Carola lag eine junge Frau, noch keine zwanzig Jahre alt. Blondes Haar ruhte wie Seetang auf dem Handtuch und auf ihren Schultern. Schlank war sie, eine beinahe knabenhafte Figur. Ihre Augen starrten an die hellblau gestrichene Decke.
War diese Decke das Letzte, was sie gesehen hatte?
Wie war diese Frau hierher gelangt? Sie schaute wie gebannt auf die Tote. Dunkle Einblutungen an ihrer Kehle schienen auf einen Tod durch Erwürgen hinzudeuten. Was Carola außerdem noch wahrnahm, ließ sie erschaudern. Der Vaginalbereich der Frau schien ebenso blutunterlaufen. Vor ihren Tod hatte man ihr massiv Gewalt angetan. Eine Vergewaltigung erschien mehr als wahrscheinlich, sie würde die Tote auf jeden Fall auf Sperma untersuchen.
»Was haben Sie denn hier zu suchen?«, fragte einer der Beamten, der nun auf Carola und Herrn Winterhalter aufmerksam geworden war.
»Ich bin von der Presse, man hat uns durchgelassen«, sagte Winterhalter cool.
»Ausweis«, herrschte ihn der Beamte an.
Winterhalter zückte seinen Presseausweis.
»Aus der Schweiz?«