Kuss der Todesfrucht. Agnes M. Holdborg

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Kuss der Todesfrucht - Agnes M. Holdborg

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sie, was er ihr so ›freundlich‹ zubrüllte.

      »Gut, der Motor ist schon mal soweit okay, aber jetzt machen wir mal 'ne kleine Spitztour.«

      Ehe sie sich versah, schmiss er sich mit seinen ölverschmierten Klamotten in ihren zugegebenermaßen auch nicht gerade sauberen Altgolf.

      »Woll‘n doch mal sehen, was mit der Kiste los ist. Also, dann mal los, junge Frau. Fahr‘n Sie mal so ‘n Stückchen rum, und ich guck und hör mir das Ganze mal an.«

      Verärgert zog sie die Brauen hoch. Sie hatte gehofft, ihren Wagen fein säuberlich in eine der Parkbuchten neben der Werkstatt abstellen und das Auto danach - samt Schlüssel und Papieren, inklusive Schilderung des Problems – dalassen zu dürfen, um sich danach endlich ihrem heimischen Abendprogramm widmen zu können. Ein verlockender Gedanke, auch wenn dieser letztlich keine Pizza, Chips und keinen Wein mehr beinhaltete. Doch nun saß ein völlig verdreckter grober Kerl neben ihr und faselte ständig was von »mal Gas geben, mal in die Kurve gehen, mal Autogeräusche deuten«. Was für ein Tag!

      »So geht das nicht!«, schimpfte er. »Halten Sie mal an! Ich fahre mal!«

      »Sie? Wieso wollen Sie mein Auto fahren?«, protestierte Manuela lauthals. Allmählich verlangte ihr dieser Tag zu viel ab.

      »Soll ich die Karre denn nun auf Vordermann bringen, oder nicht?«

      »Blöde Frage, klar sollen Sie!«

      »Herzchen, dann tun Sie jetzt mal, was ich Ihnen sage. Da vorne ist ein Parkplatz. Halten Sie an!«

      Sie tat es. Warum auch nicht?, überlegte sie. Heute läuft doch sowieso alles anders oder schief. Sie bereute ihre Entscheidung just in der Sekunde, als er sich hinters Steuer klemmte und Gas gab. Augenblicklich war ihr klar, dass nun ihr letztes Stündlein schlagen würde. Überdies würde die Aufmerksamkeit sämtlicher Starenkästen des Ortes einzig diesem Kerl, ihr und ihrem Auto gelten, was ihr zu guter Letzt auch noch fürchterliche Fotos einbrächte.

      Gerade, als sich ihr Magen zum dritten Male hob, sich gen Umkehrrichtung drehte und sie überlegte, wie es wohl wäre, wenn das bisherige Leben in einzelnen Bildern an ihrem geistigen Auge vorbeizöge, schrie dieser verrückte Mechaniker: »Haben Sie das gehört? Da schlurft nicht nur was, da knackt auch was! Das ist nicht der Reifen, Süße, das ist die Radaufhängung, die ist hin!«

      Er war vergnügt - sie am Boden zerstört.

       Radaufhängung? Was heißt das? Vielleicht Achse?

      Das hörte sich nach verdammt hohen Kosten an. Dabei hatte sie erst gestern eine super schöne, zudem sündhaft teure Handtasche entdeckt.

      »Tja, ich empfehle Ihnen da mal eine neue Kiste. Mit Tickel-Tackel-Schuhen oder 'ner schicken Handtasche können Sie jedenfalls nicht fahren, Süße.«

       Gott, kann dieser ungehobelte Klotz etwa auch meine Gedanken lesen, so wie ...? Stopp! Den letzten Gedanken unbedingt streichen!

      Insgeheim stimmte sie dem Mann zu, wenn auch widerwillig. Trotzdem, es müsste eine andere Lösung für das Problem geben.

      Dankbar, dem Kamikaze-Fahrer entkommen zu sein, stieg sie an der Werkstatt mit wackligen Beinen aus.

      »Hey«, meinte der Mechaniker in versöhnlichem Ton, wobei er ihr den Autoschlüssel reichte, »es wäre wirklich vernünftiger, wenn Sie sich mal ein neues Auto zulegen würden. Das ist nämlich nicht das einzige Manko, was diese olle Karre hier aufweist. Es lohnt sich einfach nicht, dafür noch Geld zu investieren, echt.«

      Sein Lächeln schien aufrichtig zu sein. Erst jetzt bemerkte Manuela sowohl die Zahnlücke und angegrauten Haare als auch seine eher väterliche Art. Der Mann war sicher schon ein Stück über fünfzig und könnte ihr Vater sein. Warum hatte sie das nicht gleich bemerkt?

      Na ja, fiel ihr wieder ein, ein väterlicher Typ sagt wohl kaum ›Süße‹ zu seiner Kundin.

      Sie unterdrückte ihren aufkeimenden Ärger. »Ach verflixt, ich hänge an dem alten Teil. Ist denn da gar nichts zu machen? Was würde es denn kosten?«

      »Na ja, 'nen Tausender wären Sie mindestens los, wenn Sie das alles richten lassen. Er muss ja auch bald zum TÜV. Also – roundabout – tausendfünfhundert, weniger ist nicht, Süße, eher mehr.«

      Schon wieder ›Süße‹! Ihre Geduld zersprang wie sprödes Glas.

      »So, jetzt hören Sie mir mal zu, Herr, ähm ...« Sie versuchte, das verdreckte Namensschildchen auf seiner Blaumannbrust zu entziffern, musste sich dann ein Kichern verkneifen. »... Herr Müller! Erstens: Ich heiße Frau Kern, nicht Süße! Zweitens: Ich bin durchaus in der Lage, das Geld für mein Auto lockerzumachen – mit oder ohne Handtasche – süßer Herr Müller. Tja, und drittens: Ich vertraue ich Ihnen nicht, weshalb ich mal eine weitere Meinung einholen werde. Guten Abend!«

      Damit ließ sie den Mechaniker stehen, stieg ein und fuhr schnurstracks in ... Oh nein, nicht in Richtung meiner Wohnung! Noch kannte der Typ einzig ihren Nachnamen und wusste auch nur, dass sie irgendwo hier in der Nähe wohnte. Sie würde ihm nicht zeigen, dass ›in der Nähe‹ direkt nebenan war. Schließlich wusste man ja nie! Da wäre sie besser vorsichtig.

       Himmel, Arsch und Zwirn, was für ein beschissener Feierabend ist das denn?

      ~~~

       Aah, ist das eine Wohltat! Gott, wie ich das liebe!

      Mit einem wohligen Schnurren ließ sie sich vom weichen Schaum streicheln und versenkte ihre Locken in das duftende Badewasser. Dieses Vergnügen für die Sinne hatte sie sich redlich verdient, fand sie. Die heimelige Atmosphäre, die sie in ihr kleines Bad gezaubert hatte, konnte sie auch mit geschlossenen Augen genießen.

      Bei der Besichtigung der Zwei-Zimmer-Wohnung vor vier Monaten hatte sie ein tristes weißgefliestes Badezimmer mit kleinem Fensterchen vorgefunden und deswegen fast abgelehnt, weil sie durch das viele Weiß zu sehr daran erinnert worden war, wie ... Stopp! Aber dann war ihr eingefallen, dass sie jetzt – im Gegensatz zu früher – freie Hand besaß: Sie durfte die erste eigene Wohnung ihres Lebens nach Herzenslust selber einrichten und gestalten, ganz nach ihrem persönlichen Geschmack!

      So war zuallererst dieses Bad von ihr mit wenigen Dingen in eine feminine Wohlfühloase verwandelt worden. Dazu hatte es nicht viel gebraucht, nur ein paar farbige Akzente und Accessoires. Besonders die Farbwahl hatte ihr großen Spaß bereitet: Pink, Rosa, Rot, Orange – früher undenkbar! – setzten sich nun fröhlich von dem glänzenden Weiß ab. Herrlich, befand sie und schmunzelte glücklich.

      Früher, da ... Manuelas Mundwinkel verzogen sich nach unten. Verärgert schlug sie die Augen wieder auf, fokussierte eines der vielen Duftteelichte, die sie auf dem Wannenrand und Toilettendeckel sowie der Fensterbank in bunten Gläsern – natürlich in passenden Farben – aufgestellt hatte und ein geheimnisvoll freundliches Licht verströmten. Das half ihr, den anstrengenden Tag, ihre Vergangenheit, zudem die tief in ihr festsitzende Traurigkeit zu verdrängen.

      Der Tag war aber nicht nur anstrengend und doof, musste sie sich eingestehen, dafür war er einfach zu besonders.

      Er hatte völlig unspektakulär begonnen: Alles lief glatt. Die Klamotten, das Make-Up, ja, sogar die

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