Kuss der Todesfrucht. Agnes M. Holdborg
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»Verdammt nochmal, wo bin ich hier?« Bestürzt sah sie an sich hinunter und bedeckte beschämt ihre entblößte Brust.
Die große gebräunte Hand, die ihr eine dunkle Felldecke reichte, wirkte mit den feingliedrigen langen Fingen perfekt.
Kann eine Hand perfekt aussehen? Was ist nur mit mir los? Das muss ein Traum sein, ein wirklich absurder Traum. Nur, warum fühlt sich dann alles so echt an?
Während sie sich zudeckte, ließ sie den Blick langsam an seinem Arm hochgleiten, vorbei an wohlgeformten Muskelbergen, über eine breite Schulter, zu einem starken Hals mit ausgeprägtem Adamsapfel, bis hin zu seinem Gesicht, einem Antlitz, das ihr den Atem stocken ließ:
Augen – zwei leuchtenden Türkisen gleich – blickten zwar ernst, strahlten aber auch eine enorme Ruhe, Wärme und Kraft aus. Über einem energischen Kinn mit männlichem Grübchen in der Mitte lächelte sie ein Mund an, so fest und voll, als wäre er nur zum Küssen erschaffen worden. Hohe Wangenknochen unterstrichen markante Züge. Das blonde Haar fiel ihm bis auf die Schultern.
In Manuelas Augen war Frederick einer der attraktivsten Männer dieser Erde, aber dieses Exemplar hier erschien ihr überirdisch.
»Wer bist du?«, flüsterte sie. »Bitte, sag mir, was passiert ist, und wie ich ...«, sie schaute wieder beschämt an sich hinab, »... so in deine Arme komme.«
»Ich bin Adol. Du hast mich gerufen, Manuela.«
»Ich habe niemanden gerufen. Ich habe ... Ich ...« Sie brach ab, denn ein heftiger Schauder überlief ihren Rücken bei der Erinnerung an das Blut und das Messer – und besonders an Frederick. Doch sie fasste sich, um es erneut zu versuchen. »Ich stand unter der Dusche. Dann wurde alles dunkel. Ich habe nicht gerufen.«
»Oh doch, du hast sogar geschrien. Du hast beinahe fünf Jahre deiner Zeit in fast jeder Nacht geschrien, bis ich deine Schreie erhört habe, erhören musste.«
Nun sah sie wieder zu ihm auf. Seine leuchtenden Augen zogen sie magisch an, gaben ihr keine Chance zum Rückzug.
Trotzdem versuchte sie sich in Gegenwehr. »Ich habe nicht geschrien. Außerdem ist das kein Grund, mich aus meinem Haus, noch dazu nackt in dein Bett zu holen.«
»Ein paar deiner Wunden hatten sich böse entzündet und dich heftig fiebern lassen. Obendrein haben deine Albträume dich gejagt, Nacht für Nacht. Ich habe Verschiedenes ausprobiert, aber meine körperliche Nähe war nun einmal das Einzige, was dich letztendlich beruhigt hat.«
»Du hast also nicht ...? Ähm, ich meine ...« Schlagartig traf sie eine Erkenntnis. »Moment mal! Nacht für Nacht? Wie lange bin ich denn schon hier?«
»In deiner Zeitrechnung?«
»Was soll denn diese blöde Frage? Gibt es auch eine andere?« Allmählich beschlich Manuela ein äußerst ungutes Gefühl, eines, welches über das bereits bestehende ungute Gefühl weit hinausging.
»Du befindest dich jetzt, in diesem Augenblick, seit fünf Tagen, sechs Stunden und dreizehn Minuten bei mir. Die Sekunden ...«
»Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Ich brauche keine Sekundenangabe.« Ich brauche einen doppelten ›Ramazotti‹ mit Eis und Zitrone – und einen Hammer, um ihn mir auf den Kopf zu hauen, überlegte sie. Werd endlich wach, Manuela, du träumst dir da gerade einen furchtbaren Mist zusammen!
»Den Ramazotti könnte ich dir besorgen, aber das mit dem Hammer ginge nun wirklich zu weit, wo ich mir mit deiner Genesung so viel Mühe gegeben habe.«
Scheiße! Das kann doch nicht angehen, oder?
»Dieses Wort ist selbst in meiner Welt ein Wort, das von einer Dame wie dir nicht benutzt werden sollte.«
»Wie bitte? Das wird mir gerade ein bisschen zu viel, Adol, oder wer auch immer du bist. Willst du allen Ernstes andeuten, dass ich tatsächlich splitternackt bei dir im Bett sitze – und das seit sage und schreibe mehr als fünf Tagen? Und als kleines i-Tüpfelchen soll ich auch noch glauben, dass du meine Gedanken liest?«
Sie war laut geworden. Zudem krallte sie ihre Fingernägel in die eigenen Unterarme, um so festzustellen, ob sie wach war oder träumte. Der Schmerz, der sie daraufhin durchfuhr, war bestimmt ein Phantomschmerz, versuchte sie, sich selbst einzureden.
Mannomann, so etwas Verrücktes habe ich noch nie geträumt.
Viele Jahre lang hatte sie sich vor Fredericks grausamen Attacken in eine Traumwelt geflüchtet. Doch war er ihr jedes Mal auch dorthin gefolgt, als wilder Tiger, der sie reißen wollte. Sie, die schwarze Leopardin, war stets ein wenig schneller und behänder als er gewesen. Trotzdem bekam er sie schlussendlich immer zu fassen und dann: Nein! Hilf mir!
»Genau, Manuela, du hast mich immer und immer wieder gerufen, bis ich mich dir nicht mehr entziehen konnte. Niemals hat ein Mensch es geschafft, dass ich ihn erhöre, bis auf dich.«
»Du lieber Gott, wo bin ich da nur reingeraten?« Manuela raufte sich die Haare.
Seine Stimme veränderte sich zu einem tiefen Grollen. »Sprich nicht von ihm! Nicht in meiner Gegenwart, hörst du?« Die Fackeln loderten wild auf. Erneut zuckte sie erschrocken zusammen. Die altgewohnte Angst erfasste sie mit eisigem Griff. Doch im nächsten Moment sprach er wieder sanft: »Entschuldige bitte, aber er ist nicht gut auf mich zu sprechen und ich nicht auf ihn.«
»Wer bist du, Adol?« Zu gerne hätte sie das Zittern aus ihrer Stimme verbannt, klang sie doch ähnlich ihrem jahrelangen elenden Betteln und Winseln, wenn sie Frederick anflehte, ihr nichts anzutun.
»Frederick ist tot, Manuela. Du brauchst keine Angst mehr vor ihm zu haben. Und du warst niemals elend. Er hatte dich in der Hand, aber gebrochen hat er dich nicht. Das hätte ich auch nie zugelassen.«
Sie wollte und konnte derzeit nicht darüber nachdenken, dass dieser Adol sie offenbar schon länger ins Visier genommen zu haben schien. Es kam ihr auf einmal wichtig vor, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Irgendwo müsste man ja anfangen!
»Wer bist du, Adol?«, stellte sie ihm deshalb noch einmal dieselbe Frage.
»Ich bin dein Traumbegleiter, dein Zeitgeist.«
»Ist das so etwas wie ein Traum- oder Schlafgott? Mein Go... ähm, meine Güte. Ich habe darüber gelesen: über Morpheus, dem Gott des Traumes, und Hypnos und andere. Die Namen weiß ich nicht mehr. Das ist aber doch einfach nur griechischer Mythos, sonst nichts. Morpheus konnte sich in jede x-beliebige Form verwandeln und in Träumen erscheinen.« Sie betrachtete das Bett, auf dem sie saß. »Sein Bett soll aus Elfenbein gebaut sein und in einer dunklen Höhle stehen. Sein Symbol ist die Kapsel des Opium-Schlafmohnes.« Manuela sah ihn staunend an. »Du bist ein Oneiroi?«
»Du kennst dich recht gut aus in griechischer Mythologie«, stellte er fest, und sie stellte fest, dass er ihr keine Antwort gegeben hatte.
»Nein, ich kenne mich nicht richtig aus. Ich habe mich nur früher einmal ein bisschen dafür interessiert, früher, bevor ... Ach, egal! Du hast meine Frage nicht beantwortet. Bist du ein Oneiroi?«
»Wie