Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban

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Adler und Leopard Gesamtausgabe - Peter Urban

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nicht verändert. Er war immer noch impulsiv und genauso überschwänglich, wie früher. Trotz seines schwierigen Amtes war es ihm gelungen, seinen jugendlichen Übermut zu bewahren. Er warf sich seinen schweren, dunkelblauen Soldatenmantel über die Schultern, um die kurze Strecke bis zum White‘s Club am Eingang zum St.James Park gemeinsam mit Castlereagh zurückzulegen. Er hatte sich noch nicht an das englische Wetter gewöhnt. Der Club, der in einer Nebenstraße von Whitehall und parallel zur Downing Street lag, war nicht für seine gute Küche bekannt. Aber es war der einzige öffentliche Ort in London, an dem die Mitglieder von Regierung und Opposition zivilisierten Umgang miteinander pflegten. Castlereagh bat einen Bediensteten, ihnen das Mittagessen nicht am langen Tisch der Klubmitglieder zu servieren, sondern in einem der Separees. Natürlich freute er sich über das Wiedersehen mit Arthur. Doch in seiner Rolle als Kriegsminister musste er ihm auch eine schlechte Nachricht schonend beibringen: Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte und jeder ein Glas mit einem Aperitif in Händen hielt, fing er an zu erklären. Wellesleys Bruder, Lord Mornington, war von seinem Posten als Generalgouverneur von Britisch-Indien abberufen worden. Er befand sich bereits auf dem Rückweg nach England. Großer Ärger mit der Ostindienkompanie erwartete ihn...und ein Untersuchungsausschuss.

      „Robert, die können nicht einfach so behaupten, dass Mornington dieses Land schlecht verwaltet hat!“ Castlereagh schüttelte den Kopf. Der Kriegsminister vertrat eine etwas andere Meinung als sein Gast. Richard Wellesley Lord Mornington hatte in seinen acht langen Jahren als Generalgouverneur von Britisch-Indien viele Fehler gemacht. Der Letzte war sein übereilter Feldzug gegen Holkar gewesen. Dass diese Schlappe den Einfluss Großbritanniens in Mysore, Bullum, Wynaad und Soonda nicht geschmälert hatte, war alleine der Verdienst seines jüngeren Bruders Arthur gewesen. Nachdem die Kellner ihre Vorspeisen aufgetragen und den Raum wieder verlassen hatten, antwortete Castlereagh seinem Freund: „Es hat eigentlich Nichts mit der Verwaltung der Kolonie zu tun. Es ist mehr Richards unmöglicher Charakter: er hat sich, als Addington noch Premierminister war, hier in London einfach zu viele Feinde gemacht. Der missratene Feldzug und die Niederlage gegen Holkar waren lediglich die beiden letzten Nägel zu seinem Sarg.“

      „Holkar? Monson?“ Arthur verstand nicht. Ein Offizier im Dienste der Ostindien-Kompanie hatte an einem strategisch unwichtigen Ort ein bedeutungsloses Scharmützel verloren. Zur gleichen Zeit hatte er selbst die gesamte Marattha-Konföderation einschließlich ihrer europäischen Söldner bei Assaye vernichtet und General Lake hatte den Anführer der Franzosen Jean-Francois Perron bei Deeg geschlagen. Wieso war ein kleiner Rohrkrepierer plötzlich wichtiger, als eine große Entscheidungsschlacht und ein beeindruckender Sieg? Castlereagh wollte Arthur Wein nachschenken, doch dieser legte seine Hand übers Glas und zog die Stirn in Falten: “Wer steckt hinter dieser Intrige?“

      „Arthur, das ist keine Intrige“, der Blick des Kriegsministers war hart geworden, “aber immer, wenn Dein Bruder Erfolg hatte, dann hat er großartige Berichte nach Hause geschickt und sich dabei stets kräftig selbst auf die eigene Schulter geklopft. Seine Niederlagen, Pleiten und Pannen hat er aber regelmäßig tot geschwiegen oder sogar ganz unverfroren Anderen in die Schuhe geschoben. Die Nachricht über Monsons Niederlage kam auf verschlungenen Pfaden nach London. Richard hat versucht, die Sache zu verschweigen. Der Grund für seinen Fall ist eine Vertrauenskrise. Pitt ist zu krank um ihn zu beschützen und ich habe nicht diese Macht...“, belog Castlereagh seinen Freund unverfroren. Natürlich hätte er Mornington beschützen können, doch es war dem Kriegsminister nicht ungelegen gekommen, dass dieser hinterlistige Ränkeschmied endlich zu Fall kam. Er hatte Arthurs ältesten Bruder nie leiden können. Und Castlereagh spürte, dass lediglich ein einziger Wellesley Potential besaß. Arthur hatte nicht Richards Charisma, aber er hatte enormes militärisches Talent, Integrität und darüber hinaus noch einen ruhigen, ausgeglichenen Charakter. Er wurde scheinbar nicht von gefährlichen Ambitionen getrieben. Trotzdem hatte in Indien bewiesen, dass er auch ein geschickter Diplomat sein konnte. Und er verfügte über eine rasche Intelligenz. Um in militärischen Dingen zwischen den regierenden Konservativen und den Liberalen in der Opposition zu vermitteln, war Arthur wohl nicht die schlechteste Wahl. Vielleicht war er gar, wenn jemand sich nur die Mühe machte, ihm den richtigen Weg zu weisen, ein politischer Faktor von unbekannter Größe.

      Die Bedrohung Englands durch Bonaparte war offensichtlich. Schon bald würden die beiden Kontrahenten sich nicht mehr nur zur See gegenüber stehen. Der Kriegsminister hatte alle Berichte über Arthurs erfolgreiche militärische Operationen in Indien sorgfältig studiert. Castlereagh hatte bereits nach dem Sturm auf Seringapatam begriffen, dass sein Freund aus Kindertagen eine außergewöhnliche Begabung in militärischen Dingen besaß. Was der Kriegsminister mit noch größerem Interesse studiert hatte, als die rein militärischen Berichte, waren Wellesleys Gedanken zu Strategie, Taktik und der Organisation des militärischen Nachschubwesens. In allen drei Bereichen hatten Englands Landstreitkräfte erhebliche Schwachstellen und ihm gegenüber saß ein Mann, der begriffen hatte, wie man diese Probleme in den Griff bekam. Arthur war dabei auch erfrischend unpolitisch. Das würde ihm möglicherweise dabei helfen, sich bei den Horse Guards und beim Oberkommandierenden der Streitkräfte Gehör zu verschaffen. Dieser, der zweite Sohn von König George, Frederick Herzog von York, war ein fanatischer Liberaler. Jeden Tag machte er seinem konservativen Kriegsminister mit großem Gusto das Leben zur Hölle! Trotz seiner Freundschaft für Arthur, sah Robert Castlereagh in dem gerade aus Indien heimgekehrten General auch ein Instrument der Macht, das England eines Tages gegen Napoleon und seine Marschälle würde einsetzen können. Heute brauchte er dieses Instrument, um die verkalkte und überalterte militärische Führungselite aus den Angeln zu heben. Darum wollte er auch verhindern, dass Arthur sich aus einem unsinnigen Gefühl brüderlicher Loyalität heraus, mit der Ostindischen Kompanie anlegte. Ein solcher Schritt gefährdete seine Zukunft und er riskierte es, sich unnötige Feinde zu schaffen. Dabei würde Mornington es seinem jüngeren Bruder am Ende nicht einmal danken, sondern ihn bei erster Gelegenheit wieder hinters Licht führen. “Arthur“, sagte der Kriegsminister bestimmt, „ich möchte, dass Du den Premierminister triffst. Ich werde für dich einen Termin mit William Pitt vereinbaren. Wo wohnst Du eigentlich, falls ich dich kontaktieren möchte? Bei Deiner Mutter?“ Der General stöhnte. “Gütiger Himmel. Meine Mutter! Was für eine Idee!“ Lady Mornington hatte sich während seiner zehn Jahre in Indien nicht ein einziges Mal die Mühe gemacht, Arthur zu schreiben, um zu erfahren, ob ihr Sohn überhaupt noch lebte. Als er in Plymouth gelandet war, hatte er sich und seine ganze Habe lieber den britischen Landstreitkräften anvertraut, als seiner lieblosen Familie. Man hatte ihm ein recht hübsches Quartier in der Nähe der Horse Guards zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hatte er seit Lady Hollands Ball noch eine Einladung seiner alten Freunde, der Richmonds in der Tasche. Er würde sie annehmen. Ein bisschen Leben und Trubel nach den langen, harten Jahren im Felde konnten nicht schaden: „Lasse mir Nachrichten nach Richmond Palace schicken, Robert! Ich ziehe um!“, erklärte er entschlossen. „Ah, Richmond Palace!“, schmunzelte der Kriegsminister, “Hast Du die Älteste des Herzogs, Lady Sarah schon gesehen. Sie ist reizend!“

      „Sarah hat mich eingeladen ...“

      „Großer Gott.“, Castlereagh grinste, „dann bist Du der einzige Mann im ganzen Königreich, den Zerberus noch nicht gebissen oder verbellt hat. Seit Lady Sarah Lennox vom Kontinent zurück ist, hat sie wenigstens fünf oder sechs Anträge entrüstet abgelehnt … und die jungen Herren kamen aus den allerbesten Familien unseres Landes! Willst Du etwa Dein Glück bei ihr versuchen? Soviel ich weiß, bist Du selbst ja auch noch nicht unter der Haube!“

      Arthur seufzte traurig. Der Freund hatte einen wunden Punkt getroffen: In Indien war er mit einer wunderbaren, jungen Frau verlobt, ja fast verheiratet gewesen. Ein unbarmherziges Schicksal hatte ihm Charlotte und ihr ungeborenes Kind genommen und er war bis zu diesem Tag nicht über den Schmerz dieses Verlustes hinweggekommen. Er war sich nicht sicher, ob er schon bereit war, das Blatt zu wenden und einen neuen Anfang zu versuchen, obwohl der Geist seiner geliebten Charlotte ihm immer und immer wieder zuflüsterte, das fünf Jahre der Trauer eine endlos lange Zeit waren. Arthur hatte während der neunmonatigen Überfahrt nach Europa genug Zeit zum Nachdenken gehabt. Er hatte sich eingestehen müssen, dass er nicht nur kreuzunglücklich war, sondern sich auch schrecklich

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