Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban
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London war ins Endlose gewachsen. Die Anzahl der Menschen, die hier lebten, hatte sich in den letzten zehn Jahren erheblich vergrößert. Es war an manchen Stellen kaum mehr möglich, durch das Gedränge zu reiten. Kutschen und Fuhrwerke verstopften die Straßen. Oft musste Arthur sogar absteigen und sein nervöses Pferd an einem Engpass vorbeiführen. Irgendwann merkte der Offizier, dass er den Stadtkern verlassen hatte. Die Häuser sahen zunehmend bescheidener aus und die Leute waren schlechter gekleidet. Doch es war nicht diese schreckliche Armut, die er in Indien kennengelernt hatte.
Vor einem kleinen Gasthof stieg er ab, um sich zu erkundigen, wo er denn überhaupt sei. Man erklärte ihm, dies sei Lambeth und wenn er weiter geradeaus reiten würde, käme er zum Frachthafen von London. Da Sarah ihm erzählt hatte, sie praktiziere als Arzt in einem Armenhospital dieses Stadtteils, fragte er den Wirt auf gut Glück nach dem Weg. Nach kurzem Gespräch stellte sich heraus, dass das Hospital nur wenige Straßen von der Taverne entfernt war und Arthur beschloss, der Tochter des Herzogs von Richmond einen Überraschungsbesuch abzustatten. Er war bereits auf dem Ball von Lady Holland neugierig geworden und hatte Lust, die junge Frau wiederzusehen. Es war nicht schwer das Hospital zu finden. Der solide Steinbau überragte alle anderen Häuser. Ein alter Mann mit einem Holzbein versah das Amt des Türstehers. Freundlich fragte er, ob der feine, junge Herr sich verlaufen habe. Ebenso freundlich antwortete Wellesley ihm, dass er gekommen sei, um Dr.Lennox zu besuchen. Der alte Mann zwinkerte ihm zu und klopfte auf das Holzbein: "Ein guter Mensch, unsere Lady Sarah! Hat mir die Haut gerettet, als alle anderen Ärzte schon aufgegeben hatten. Gehen Sie nur nach oben. Im zweiten Stock müssen Sie dann eine der Schwestern fragen. Die führt sie zu Dr.Lennox.“ Er bot Arthur an, sein Pferd in den Stall hinter das Hospital zu bringen.
Das Innere des Gebäudes war einfach, aber sehr sauber. Alle Wände waren weiß getüncht und es roch streng nach Kampferessig. Ordensschwestern in schwarzen Kleidern und mit absonderlichen Kopfbedeckungen, die an Kuhhörner erinnerten, liefen geschäftig durch die Gänge. Der Krankensaal war groß, aber mit Decken unterteilt und jeder Patient hatte ein eigenes Bett, ähnlich dem Feldbett, das er in Indien gehabt hatte. Aus einem Zimmer am Ende eines Ganges im zweiten Stock kam Sarah im weißen Kittel. Neben ihr ging ein anderer Arzt. Er war älter und trug einen eindrucksvollen Backenbart und eine Hornbrille. Die junge Frau bemerkte Arthur und winkte ihm munter zu. Sie schien sich über seinen Besuch zu freuen. Dann stellte sie ihn ihrem Kollegen vor: " Sir James, das ist General Sir Arthur Wellesley, ein alter Freund der Familie. Er ist erst vor kurzem aus Indien zurückgekehrt.“ Der Schotte Sir James McGrigor war der führende Professor für Chirurgie an der Londoner Universität und ein bekannter Philanthrop, der verschiedene Armenkrankenhäuser der Stadt mit seinen eigenen, nicht unerheblichen finanziellen Mitteln unterstützte und gleichzeitig auch die Patienten von seinen medizinischen Fähigkeiten profitieren ließ. "Ah, unser unbesiegbarer General! Der Held von Assaye! Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Sir Arthur. Möchten Sie unser Krankenhaus ansehen? Ihre Armeehospitäler können hier viel lernen!" Arthur schmunzelte: " Leider verstehen sich die meisten Feldscher am besten aufs Amputieren."
" Ja, ja, junger Freund“, schmunzelte McGrigor, “bei Migräne schneiden meine militärischen Kollegen den Patienten gleich den Kopf ab. Eine schnelle und sichere Methode. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dieser Tage von Dr.Lennox dazu verleiten ließen, mit mir und meinen Assistenten zu speisen. Am Lehrstuhl natürlich. Indien ist sicher voll mit schrecklich interessanten Krankheiten. Sie müssen uns alles genau schildern und wir laden einen Freund ein, der sich mit dem neuen Fachgebiet der Tropenmedizin beschäftigt und erfreut sein wird, aus erster Hand zu erfahren, woran man in der Kolonie so alles sterben kann..." McGrigor verabschiedete sich leicht zerstreut und überließ es Sarah, Arthur herumzuführen. “Tut mir leid, mein Lieber! Mac wollte Dich nicht provozieren, aber die Medizin ist nun mal...“ Arthur wiegelte ab. “Lass nur, ich hab ihn schon richtig verstanden und Du kannst Deinem Chef sagen, dass ich seine Einladung gerne annehme, um Euch über Indien zu erzählen. Wenn es vielleicht irgendwann einmal hilft, irgendeinem Rotrock die Haut zu retten...“ Er konnte durchaus über seinen Krieg auf dem Subkontinent sprechen, wenn er einen tieferen Sinn darin sah, sich an die Geister der Vergangenheit zu erinnern. Er war sichtlich beeindruckt von der Organisation des Hospitals und vom Eindruck, den die Patienten machten. In Indien hatte er nach einer unglücklichen und außergewöhnlich schmerzhaften Erfahrung die Feldscher und anderen Ärzte, die mit den Soldaten zogen lieber gemieden und darauf vertraut, dass die Natur ihr Werk tun würde. Der Sanitätsdienst der britischen Landstreitkräfte war dafür berüchtigt, dass er mehr Soldaten umbrachte, als der Feind.
"Den dritten Stock zeige ich Dir nicht, mein Lieber”, sagte Sarah und schob Arthur in Richtung ihres Büros, “da liegen nämlich die schweren Fälle. Das ist nichts für einen Gentleman!”
"Ich habe in Indien nicht nur Rosengärten gesehen!", bemerkte der Soldat belustigt.
"Für heute reicht es! Lasse uns nach Hause reiten, Arthur. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann nimmst Du unsere Einladung an und kommst nach Richmond Palace, genauso, wie früher! Das ist besser, als in irgendeiner Absteige der Armee zu hausen.“ bemerkte Sarah, “Und du kennst dich hier doch gar nicht mehr aus.“ Dann fügte sie ohne böse Absichten aber völlig undiplomatisch hinzu: “Deine komische Familie benimmt sich Dir gegenüber ja immer noch genauso miserable, wie damals! Na ja, darüber dürftest Du inzwischen hinweg sein!“ Arthur seufzte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte ihn eine Aussage dieser Art tief getroffen. Einen kurzen Augenblick lang - in Kalkutta - hatte er tief in seinem Inneren gehofft, die Uhren vielleicht zurückdrehen zu können und neu anzufangen. Doch Richard hatte ihm bewiesen, dass die Kluft zwischen ihnen unüberwindlich war: Auf der einen Seite diejenigen, die um der Macht willen bereit waren jeden zu verraten, auf der anderen die, die zu naiv oder zu dumm waren, um sich zu wehren. Er hatte einfach Abstand zwischen sich und seine Familie gebracht; Henry stand ihm zwar irgendwie nahe und sie mochten sich auch, aber der Benjamin der Wellesleys führte inzwischen sein eigenes Leben und hatte seine eigene Familie gegründet. Gerald, den Zweitältesten und William, der bereits mit drei Jahren von einem entfernten kinderlosen Verwandten adoptiert worden war kannte er kaum. Und seine Mutter hatte ihn - das vorletzte Kind - weggeworfen, wie einen alten Lumpen, als er gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen war und sein geliebter Vater starb. Arthur wollte nichts von diesen Menschen, deren Namen er trug und er hoffte, dass sie alle vernünftig genug waren, auch ihn in Ruhe zu lassen. Sarah spürte, dass sie in ein Fettnäpfchen getreten war. Sie schimpfte sich innerlich einen Esel und wechselte rasch das Thema. “Ich habe heute nichts Dringendes mehr zu tun. Das Wetter ist viel zu schön, um Dir und mir die gute Laune mit meinen hoffnungslosen Fällen zu verderben. Es gibt einen hübschen Weg von hier ins West End, entlang der Themse und dann setzen wir uns zuhause gemütlich auf die Terrasse und trinken eine Tasse Tee. Dabei kannst Du mir dann ausführlich von