Wie ein Dornenbusch. Wilfried Schnitzler

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Wie ein Dornenbusch - Wilfried Schnitzler

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Alle Blätter und die Blütenstände wurden abgefackelt, weil sie kaum Zuckersaft enthielten und die Arbeit und den Transport nur noch zusätzlich erschwerten. Das zuckerhaltige Rohr ragte als schwarz verkohlte Stecken aus der grau-braunen, immer noch rauchenden Asche, als wertvoller Dünger für den nährstoffarmen Tropenboden. In einem benachbarten Feld, das wahrscheinlich schon vor ein paar Tagen abgezündelt worden war, schwangen die Arbeiter schwere Macheten und schnitten die bis zu armdicken Stängel kurz über dem Boden ab. Andere trugen sie in großen Haufen zusammen, die dann in knochenharter Arbeit auf Ochsenkarren mit hohen Seitengattern aufgetürmt wurden. Die Hitze war mörderisch, das Feld flimmerte, die Arbeiter ächzten unter der Schwere der Bündel. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Keiner redete, denn jedes unnötige Wort wurde zur weiteren Bürde. Die wenigen Lumpen, die sie anhatten, hingen nass vor Schweiß an ihren ausgemergelten, sonnenversengten Körpern. Schon der Anblick verursachte Pein. Einzig die Ochsen, immer vier nebeneinander vor die Karren gespannt, warteten, Zuckerrohrabfälle wiederkäuend, in stoischem Gleichmut auf den Befehl zum Anziehen

      Der Kutscher war wieder aufgesessen, die Pferde hatten sich inzwischen beruhigt und trotteten gemächlich auf eine vor ihnen liegende grüne Baumoase zu, die sich in eine fantastisch blau blühende Jacaranda-Allee öffnete. Am Ende lag der noble Landsitz, die Gebäude der Rodriguez Hazienda, umgeben von hochragenden Bäumen mit gewaltigen Schirmkronen, die wohltuende Schattenkühle spendeten.

      Beide Stockwerke des gepflegten Anwesens umrundeten breite Veranden, die von holzverzierten Säulen getragen wurden und durch filigrane Bogen miteinander verbunden waren. Die zurückgebauten Zimmer lagen in angenehmem Schatten. Die weiträumige Residenz versprach Rast, aber auch Mahlzeit. Der Hausherr stand bereits wartend auf dem schattigen Patio, so als beschäftigte er ein Netz von Kundschaftern, um ihm die Ankunft aller Besucher, erbetene oder unerbetene, auf seiner Latifundie rechtzeitig kund zu tun. Schaukelstühle, Korbsessel und kleine und große Tische standen überall verteilt, dazwischen lagen, wie zufällig, drei große, schwarze Hunde, die gemächlich mit ihren dünnen Schweifen zum Gruß der Ankömmlinge die Holzdielen behämmerten. Sie hatten sich nicht erhoben, ihre Augen folgten aber aufmerksam allen Bewegungen der Gäste und den Gesten ihres Herrn. Man sollte ihre gespielte Trägheit nicht unterschätzen!

      »Fernando, mein geschätzter Freund, dürfen wir eintreten?« begrüßte ihn Herr Grünbaum mit ausgestreckten Händen. Man umarmte sich, klopfte sich auf die Schultern, links, dann rechts, dann nochmals links, wobei die beiden Männer die Wangen aneinander drückten. Ja, man hatte auf der Farm nicht zu häufig Gäste und Señor Rodriguez war keiner von der Sorte, der lieber in der Stadt wohnte, um dort sein Geld zu verprassen, gleich anderen arroganten und faulen Rabiblanco - so wurden diese Leute abfällig genannt - und von einem Verwalter sein Land bewirtschaften ließ. Neben dem Wohnhaus gab es in angemessener Entfernung mehrere Wirtschaftsgebäude und Stallungen. Das ganze Areal war prächtig, wie in einem botanischen Garten, in eine unendliche Vielfalt von Pflanzen eingebettet mit unglaublichen Grünschattierungen der Blätter und Blüten in Farben und Formen, die Cornelius die Sprache raubten. Vor seinen Augen breitete sich eine gepflegte Unordnung aus, wie diese nur über viele Jahre von kundiger Gärtnerhand gepflegt, und einer mit der Natur sehr verbundenen Hausherrin gestaltet werden konnte.

      »Heinrich, und wen hast du uns an diesem schönen Tag noch mitgebracht, wie es scheint, ein junger Diener unserer aller Mutter Kirche?«

      Es entstand ein kurzes betretenes Schweigen, denn plötzlich merkte Cornelius, dass er es bis jetzt versäumt hatte, Herrn Grünbaum offiziell seinen vollen Namen zu nennen. Es war so bequem, nur immer mit Hochwürden angeredet zu werden. Geschwind überbrückte Cornelius diese etwas peinliche Situation.

      »Darf ich mich vorstellen, Señor Rodriguez, ich bin Cornelius, Reverendo Cornelius, und Herr Grünbaum hatte die große Güte mich auf seiner Landpartie mitzunehmen. Das ist meine erste Gelegenheit ihre beeindruckende Landschaft zu erleben, weg und raus von Panama Stadt. Eine Zuckerrohrplantage habe ich sowieso noch nie gesehen, geschweige denn, eine so prächtige und große. Ich muss gestehen, das ist für mich eine ganz neue Welt.«

      »Fernando,« ergänzte Grünbaum, « Sacerdote Cornelius ist noch nicht lange in unserem Land, er kommt aus Deutschland, man könnte sagen, er ist ein Landsmann von mir, obwohl weder ich selbst, noch mein verstorbener Vater das alte Europa seit der Ankunft meines Großvaters in Panama je besucht haben. Er ist erst vor kurzem von unserem Bischof geweiht worden und wartet nun auf seine erste Pfarrstelle.«

      »Oh, Jesus,« platzte da der spanische Grande heraus.

      Nach allem, was Cornelius während der Dreistunden-Fahrt schon gelernt hatte, hütete er sich den Farmer zu fragen, was er mit dem Ausspruch gemeint haben könnte. stattdessen bat der rundliche Hausherr, der seine graumelierten, langen Haare in einem kurzen Pferdeschwanz am Hinterkopf zusammengebunden hatte, von der Veranda in das Speisezimmer einzutreten, wo zur Freude der beiden Gäste schon die Hausherrin auf sie wartete, gekleidet in eine bis zu den Fußknöcheln reichende, weiße, sparsam mit bunten Blumen bestickte Pollera Robe. Dies war ein an Erlebnissen reicher Tag für Cornelius. Er hatte bereits Bilder des traditionellen Kleidungsstückes der noblen Damenwelt Panamas gesehen, aber noch nie in natura. Normalerweise benutzten die feinen Damen ihre Pollera nur zu besonderen Anlässen. Der offensichtlich seltene Besuch von Gästen auf der Hazienda aus der Stadt war willkommene Gelegenheit genug, das gute Stück zu Ehren der Besucher aus dem Schrank zu holen.

      Mehrere Sirvientes warteten bereits, dass man sich zu Tische setzte, um die Speisen aufzutragen. Kein Mittagessen durfte starten ohne die traditionelle, leichte, fein gewürzte Gemüsesuppe. Dieses nur lauwarme Entrée in Temperatur der Schwüle des Tages angepasst, machte richtig Laune auf Kommendes. Und tatsächlich wurde mit einer gewissen Dramaturgie der nächste Menügang vorsichtig von der Köchin auf den Tisch gestellt. Cornelius wäre beinahe beim Anblick aufgesprungen. Vor ihnen dampfte und duftete ein bestimmt fünf Kilo schwerer Vogel in köstlich knusprig goldgelber Schale. Das war kein Huhn, kein Hahn, viel zu groß, viel zu schwer dafür, es hatte auch nicht die Gestalt einer Gans. Alle am Tisch merkten Cornelius' Verwirrung, wollten ihn aber auch nicht in Verlegenheit bringen. Geschwind nahm die Hausherrin die Situation in die Hand und erklärte:

      »Wir lieben das feine Fleisch eines Kapauns und halten uns nicht an die Gepflogenheit, unsere Hähne nur zum Zelebrieren des Weihnachtfestes zu kastrieren und zu mästen. Wir nehmen, so häufig es geht, jede besondere Gelegenheit wahr, wie heute mit Ihnen, uns dieses genüssliche Vergnügen zu gönnen. Dieses Mal hat unsere Köchin das Vöglein mit Süßkartoffeln gefüllt. Ich hoffe, Sie mögen dazu frische Avocados und grünen Papayasalat. Komm Fernando, sei ein Schatz, zerteile unser Festmahl zur Ehre unserer Gäste und im Namen des Herrn. Lieber Vater Cornelius, bestimmt wollen Sie für uns alle ein Dankgebet sprechen!«

      Und fürwahr, auf alle wartete ein wahrer Hochgenuss. Die Süßkartoffeln hatten einen Teil des überschüssigen Fettes unter der Haut des Kapauns aufgesaugt. Der Rest war fein marmoriert im Fleisch verteilt, wodurch die Gewürze wundervoll aufgenommen wurden und der Braten nicht austrocknete. Ungeniert griff man beherzt nach den saftigen Fleischstücken. So fiel es auch nicht schwer mit den fetttriefenden Händen nach den gerösteten, in Butter gedrehten Maisschoten zu greifen und mit kräftigem Biss die milchzarten Körner zu lösen. Das ungewöhnliche Aroma der Passionsfrucht ergänzte mit ihrem Saft, gemischt mit einem Schuss Rum, hervorragend den Schmaus. Als Nachtisch gab es frische Ananasscheiben, in Honig geröstete Kochbananen und Karamellpudding.

      Am Ende wurden Hände und Mund mit großen Servietten abgewischt und gleichzeitig versteckt auch das feucht-nasse Gesicht betupft. Die Dame des Hauses hatte sich dezent in ihr Boudoir zum Pudern zurückgezogen, wohl auch um das Männergespräch nicht zu stören. Der Gutsherr komplimentierte seine Gäste auf die Veranda zu starkem Kaffee und einer guten Havanna-Zigarre. Die Erinnerung an diese Siesta wurde fortan, lebenslang für Cornelius - ob in Wohlstand oder Elend - die große Liebe, das vollendete Wohlgefühl, die geheime Verführung und Leidenschaft - Kaffee und eine gute Zigarre - wenigstens eine pro Tag!

      Unnötige

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