Der asiatische Archipel. Ludwig Witzani

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der asiatische Archipel - Ludwig Witzani страница 5

Der asiatische Archipel - Ludwig Witzani

Скачать книгу

auf denen Wäsche über die Brüstung hing. Die Bewohner würden sicher bald Besuch vom Hausmeister erhalten. Singapur war eine „fine City“, eine „feine Stadt“ mit intakter Ordnung, in der jeder, der sich an dieser Ordnung verging mit Strafen (englisch „fine“) rechnen musste. Undenkbar etwa, dass in einem Stadtpark in Singapur nigerianische Drogenhändler unbedrängt und in aller Öffentlichkeit ihre Geschäfte abwickeln würden. „Null Toleranz“ beherrschte als urbanes Strafprinzip die Stadt. Auf Drogenhandel stand der Tod und auf Vandalismus eine Reihe schmerzhafter Züchtigungsstrafen.

      Nach der Statistik waren drei Viertel der Bevölkerung von Singapur ethnische Chinesen, 14 % waren Malaien und etwa 8 % Inder. Die wenigen Westeuropäer und Amerikaner fielen optisch kaum ins Gewicht. Allerdings waren die Passagiere, die neben mir in Bus und U-Bahn saßen, äußerlich nicht unbedingt als Chinesen, Malaien oder Inder zu erkennen. Eine einheitliche Geschäftskleidung machte die Menschen äußerlich gleich, und selbstverständlich gehörte es bei allen Ethnien zum guten Ton, sich unauffällig zu verhalten. Was ihnen darüber hinaus gemeinsam war, war der permanente Handygebrauch. Die Fahrgäste in U-Bahn und Bussen schauten nicht rechts und nicht links, nahmen ihre Umgebung nur wie durch einen Schleier wahr und starten unablässig auf ihr Display. Wenn sich der Mensch unterwegs immer schon in zwei Realitäten bewegte, in der Außenwelt und seinem inneren Bewusstseinsstrom, hatte der Siegeszug des Handys diese Balance ins extrem Solipsistische verschoben. Das allerdings war in Singapur genauso wie in Tokyo oder Berlin.

      Am Abend traf ich Fabian am „Merlion“ zur Sound und Light Show. Fabian erschien im Business-Dress, sah extrem gesund und präsent aus, ein Athlet, der in Sekundenschnelle den Gesichtsausdruck vom Harmlosen ins Entschlossene ändern konnte. Wieder bimmelte unablässig sein Handy. Im Augenblick verfolge er sechs oder sieben Projekte, von denen sich, wenn er Glück habe, vielleicht eines würde realisieren lassen. Dann aber, so Fabian, würde die Kasse klingeln, dass es eine Freude sei. Während wir auf den Stufen zu Füßen des Merlions saßen, begann die Sound und Light Show. Das Bay Sands Hotel und das Museum für Moderne Kunst wurden in flackerndes Licht getaucht. Festlich beleuchtete Ausflugsboote durchquerten die Bucht. Nichts, was einen vom Hocker warf, eher etwas für einen beiläufigen Blick.

      Zum Abendessen fuhr Fabian mit mir zum „Newton Food Stall“, einem der angesagtesten Food Stalls im Norden Singapurs. Es handelte sich um einen großen Platz mit Tischen und Stühlen, der komplett von kleinen Garküchen umgeben war, an denen man seine Bestellung aufgeben konnte. Krabben, Fisch, Rind, Schwein, Nudeln, Reis und alle Arten von Gemüse standen für kleines Geld im Angebot. Lecker präsentiert und gut gewürzt wurden die Speisen in Windeseile an den Tisch gebracht. Wir wurden satt zu einem Bruchteil des Preises, den wir am Vorabend bezahlt hatten, und diesmal lud Fabian mich ein.

      Als wir in Fabians Wohnung zurückkehrten kam in den Nachrichten eine Meldung, nach der auf einer der vorgelagerten Inseln, die zu Indonesien gehörte, eine islamistische Terrororganisation ausgehoben worden war. Sie hatte kurz davor gestanden, mit bereits fest installierten Raketenwerfern den Bay Sands Bezirk zu beschießen. „Diese Muslime haben einen Knall“, meinte Fabian, „aber gottlob ist es nur eine Minderheit, die derart durchdreht.“

      Am Morgen meiner Abreise aus Singapur gab es wieder ein echtes Fabian Purps-Erlebnis. „Ok“, hatte er am Vorabend verkündet. „Bevor du morgen gehst, mache ich dir ein deftiges Omelett als Grundlage für den Tag.“ Das hörte sich gut an, doch als ich um acht Uhr in der Frühe erwachte, befand sich Fabian noch im Tiefschlaf. Möglicherweise hatte er in der Nacht um Kontrakte kämpfen müssen und holte nun den versäumten Schlaf nach. Da wollte ich natürlich nicht stören. Nachdem ich einen Kaffee getrunken hatte, verließ ich leise gegen neun Uhr die Wohnung und fuhr mit der U-Bahn zum Flughafen.

Titel

      JAVA

      Java ist unvergleichlich. Im Großen wie im Kleinen. Eine Insel, wie es keine zweite gibt. Eine Aufwühlung, die niemanden kalt lässt. Java ist so groß wie Griechenland und hat mit über 140 Millionen Einwohner mehr Einwohner als jede andere Insel der Welt (den Kontinent Australien eingeschlossen). Die Javaner leben an palmengesäumten Küsten ebenso wie in unübersehbaren Millionenstädten, vor allem aber in einem üppigen Garten der Fruchtbarkeit, in dem alles wächst, das der Mensch anpflanzen mag.

      Und Java ist schön. Wer durch Java zwischen Bandung und Yogjakarta fährt, glaubt seinen Augen nicht zu trauen, so perfekt sind die Ansichten, die am Zugfenster vorüberziehen: Reisterrassen unter pyramidal zulaufenden Vulkankegeln, mattengedeckte Häuser, Tempel und Moscheen, die perfekte Staffage für eine der großen Bühnen des asiatischen Lebens. Und überall Menschen, Menschen, Menschen. Unübersehbar viele, und doch jeder Einzelne ein Unikat. Die Grazilität der Menschen ist ebenso irritierend wie ihre Ausdauer, ihre Schönheit ist genauso beunruhigend wie ihre Treue zur Tradition, und ihre unverstellte Freundlichkeit beschämt den Besucher immer wieder aufs Neue.

      Soweit der erste Eindruck, der zugegeben etwas enthusiastisch ist. Wie aber steht es mit der Geschichte? Die unterschiedlichsten Kulturen haben ihre Spuren auf Java hinterlassen, hunderte (!) Sprachen und Dialekte werden auf der großen Insel gesprochen, tausende Götter wurden im Laufe der Geschichte auf Java verehrt. Das größte buddhistische Bauwerk der Welt, der Borobodur, und einer der größten Hindutempel der Erde, der Prambanan, befinden sich nicht weit voneinander entfernt in Zentraljava. Die vielleicht imposanteste Vulkanlandschaft, die unser Planet zu bieten hat, die Caldera des Tenggervulkans und den Kraterrand des Bromo, kann der Besucher im Osten Javas besteigen. Wenn es einen Ort auf unserem Planeten gibt, der ein Maximum an kulturellen, geschichtlichen und ästhetischen Attraktionen in sich vereinigt, dann ist es Java. Java ist eine Weltinsel.

      Meine Reise durch diese Weltinsel dauerte mehrere Wochen, dabei habe ich nur das Naheliegendste gesehen: Jakarta und Umgebung, Yogjakarta, das Dieng Plateau, den Borobodur und den Prambanan und schließlich das Tenggergebiet und den Bromo Vulkan. Gereist bin ich überwiegend entlang der „Hauptschlagader der menschlichen Fortbewegung“ (Carl Hoffmann), d. h. mit den Fortbewegungsmitteln der Einheimischen, was immer die interessanteste, aber nie die bequemste Methode des Reisens ist.

Titel

      Zentrifuge der Millionen

      In Jakarta

      Während des Anfluges auf Jakarta las ich in der englischsprachigen „Jakarta Post“ einen Leitartikel, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der internationale Sukarno –Hatta-Airport schon seit längerer Zeit oberhalb seiner maximalen Kapazitätsgrenze arbeite. Ein Luftfahrtexperte wurde zitiert, der behauptete, dass die tägliche Anzahl der Starts und Landungen nur noch mit drastischen Einbußen an Sicherheit abgewickelt werden könnte, konkreter gesagt: mit einer gefährlichen Unterschreitung der Zeitintervalle startender und landender Flugzeuge. Das waren keine guten Nachrichten, aber die Passagiere der Garuda Maschine aus Singapur schien das nicht zu beunruhigen. Sie sahen Filme oder dösten mit glasigen Augen vor sich hin, als die Maschine ihren Landeanflug begann. Ganz ähnlich wie in Mexiko City oder andern Megastädten der Welt hatte der wuchernde städtische Ballungsraum längst den Flughafen erreicht und umzingelt. Ein unübersehbarer Häuserteppich erstreckte sich bis zum Horizont, während sich die Maschine dem Rollfeld näherte. Die Landung war butterweich, aber kaum ausgerollt, musste die Maschine zwischen zwei parallelen Landebahnen stoppen, weil auf beiden Rollfeldern gerade Maschinen starteten und landeten. Es war so viel los auf dem Airport, dass an ein normales Ausrollen nicht zu denken war. Ich traute meinen Augen nicht, als eine Boeing heran raßte, uns in einem Abstand von wenigen Dutzend Metern passierte und sich in die Luft erhob. Unsere Maschine bebte, und alle zeigten betroffene Gesichter. Mit einem Wort, ich war froh, als ich das Flugzeug verlassen konnte.

      Es

Скачать книгу