Der asiatische Archipel. Ludwig Witzani

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Der asiatische Archipel - Ludwig Witzani

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auf der neu errichteten Schnellstraße gerade mal eine Stunde. Das hatte ich bei meinen früheren Aufenthalten noch ganz anders erlebt. Ich wohnte im Ashley Hotel an der Jalan Wahid Aysin direkt in der Innenstadt. Durch die großen Fenster meines Zimmers sah ich die Hochhäuser der unmittelbaren Umgebung, eine Skyline wie ein großes, schadhaftes Gebiss, denn die Front der Wolkenkratzer wurde von flachen Häusern, Höfen und kleinen Moscheen unterbrochen. Weltstadt und Dorf in einem Blick, das war Jakarta.

      Als ich das Hotel verließ, empfing mich die Hitze wie ein Schlag ins Gesicht. Nur wenige Meter zu Fuß auf der überfüllten Straße, und ich war schweißgebadet. Daran hatte sich seit meinen früheren Aufenthalten nichts geändert. Auch das ohrenbetäubende Geknatter der Motorräder, die in unglaublichen Mengen durch die Straßen kurvten, war das gleiche geblieben. Es roch nach Kerosin, Schweiß, Staub und einem winziger Hauch von Durian. Auch das kam mir bekannt vor.

      Nur wenige Meter von meinem Hotel entfernt befand sich die Jalan Jaksa, die ehemalige Traveller-Enklave von Jakarta. Hier hatte ich vor vielen Jahren übernachtet, während ich auf einen Reisepartner wartete. Damals war die Jalan Jaksa eine Art Khao San Road gewesen, nur viel dreckiger und billiger. Sehr viele Hostels der Low Budget Klasse hatten Tür an Tür um Gäste geworben. In Hinterhofbiergärten hatten die Backpacker auf das Bier und die Mücken auf das Blut der Backpacker gewartet. Das Zimmer, das ich damals in der Jalan Jaksa bewohnt hatte, war sieben Quadratmeter groß gewesen und hatte nur aus einem einzigen Bett ohne Bettwäsche bestanden. Kein Stuhl, eine schmale Dusche im Flur und ein Moskitogitter vor dem Fenster. Die Traveller jener frühen Jahre hatten Vaganten geglichen, die es liebten, im slow motion Modus von Ort zu Ort zu reisen und im großen asiatischen Fotoalbum möglichst kräftesparend herumzudösen. Wo sie schliefen und ihr Bier tranken, war ihnen egal. Manchmal schäkerten sie mit den leichten Mädchen, die sich in der Jalan Jaksa herumtrieben, schliefen aber nur selten mit ihnen, weil sie einen Igel in der Tasche hatten. Nachts tranken sie Gin oder Whiskey, weil sie sonst nicht durch die Schwüle kamen. Auf der anderen Seite war mir auch eine andere Empfindung aus diesen Jahren gegenwärtig geblieben: das Bewusstsein, ganz am Anfang eines Reiselebens zu stehen und das Gefühl, dass die Geheimnisse und Abenteuer der Welt wie ein großer Gabentisch vor mir lagen und man nur die Decke wegziehen musste, um sie zu sehen.

      Ein Lebensalter später schlenderte ich nun wieder durch die Jalan Jaksa, eine kleine Seitenstraße, deren aktuelle Mickrigkeit mich verblüffte. Hier und da erkannte ich einige der bunten Fassaden wieder, doch die meisten Hostels waren verschwunden. Einem sentimentalen Impuls folgend suchte ich das Hostel, in dem ich vor 27 Jahren logiert hatte, fand aber nur einen umgitterten Parkplatz. Ich ging die Straße herauf und herunter und zählte am Ende gerade mal ein halbes Dutzend jugendlicher Backpacker, die ihre knappe Reisekasse in diese Straße geführt hatte. Wie es aussah, gehörte die Jalan Jaksa als zentrale Anlaufstelle der Backpackerszene der Vergangenheit an. Die jugendlichen Reisenden der Achtziger und Neunziger Jahre waren inzwischen arriviert und konnten sich bessere Hotels leisten. Ihre Kinder, die neue Generation, schien ganz anders zu reisen, jedenfalls nicht mehr entlang der Backpackerrouten „on a shoestring“ wie in den altvorderen Tagen.

      Fünf Möglichkeiten gibt es, in Jakarta, die Innenstadt zu erkunden. Eine theoretische (das Fahrrad) und vier praktische: nämlich das Zufußgehen, die Anmietung eines Ojeks, den Taxitransport und das Busfahren. Diese Möglichkeiten habe ich erprobt, und hier ist meine Bericht.

      Die Erkundung Jakartas zu Fuß ist ein Ding der Unmöglichkeit, nicht nur, weil die Stadt so groß, sondern weil sie ganz und gar nicht fußgängergerecht ist. Was nicht ausschließt, das zu jeder Stunde des Tages Millionen Fußgänger in Jakarta unterwegs sind. Aber sie bewegen sich, ökologisch gesprochen, in einer nicht artgerechten Umwelt – angerempelt, gestoßen, auf schadhaftem Trottoir stolpernd, von parkenden Autos oder Auslagen auf die Straßen abgedrängt, auf denen die Fahrzeuge wie Geschosse an ihnen vorüberrasen. Zu der Enge kommt die Hitze. Für den normalen Mitteleuropäer reichen wenige Minuten Jakarta-Fußmarsch, bis sein Hemd durchgeschwitzt ist und er sich nach einer Dusche sehnt. Das gleiche gilt übrigens auch für das Thema Fahrradfahren. Obwohl einige Oberschlaue diese Art der Fortbewegung für Jakarta auf Reiseforen allen Ernstes empfehlen, habe ich in der gesamten Innenstadt von Jakarta nicht einen Fahrradfahrer gesehen. Und das aus gutem Grund: einen schnelleren Weg zum öffentlichen Selbstmord würde man in der Welt lange suchen müssen.

      Da also die Fortbewegung zu Fuß oder per Fahrrad ausfielen, entwickelte ich einen neuen Plan. Ich begriff, dass die Stadt nichts Freundliches an sich hatte, dass sie den Reisenden nicht einlud, sie anzusehen, sondern, dass sie einem bedrohlichen Wesen aus Blechund Stein glich, das den Reisenden in seinem Innenstadthotel gefangen hielt. Deswegen musste man die Stadt auch wie ein Belagerter erkunden. Von meinem aircongekühlten Zimmer im achten Stock des Ashley Hotels wollte ich gut geplante und zeitlich limitierte Ausfälle zu den Sehenswürdigkeiten unternehmen, um dann gerade noch rechtzeitig vor dem Beginn der nervlichen Zerrüttung zurückzukehren. Wenn ich dieses Konzept mit ausreichenden Ruhepausen durchzog, hätte ich eine gute Chance, Jakarta ohne bleibende Gesundheitsschäden kennenzulernen. So dachte ich, bevor ich mein erstes Ojek bestieg.

      Ojeks sind Mietmotorräder, die in Indonesien ebenso zum Straßenbild gehören wie die mobilen Garküchen. Besonders gekennzeichnet sind diese Okjeks nicht. Man erkennt sie daran, dass einer oder mehrere Motorradfahrer kretekzigarettenrauchend neben ihren Maschinen am Straßenrand stehen. Ojekfahrer sind immer Männer, meist jung, extravertiert und furchtlos, die dem Fahrgast auf Augenhöhe entgegentreten. Ihr Gehabe ist weder schleimig noch herrisch sondern gleicht dem Verhalten einer Fachkraft, die weiß, was ihre Dienstleistungen wert sind. War der Preis der Fuhre im Voraus ausgehandelt (Das allerding durfte man nicht versäumen), dann hielten sich die Fahrer an die Vereinbarung und fuhren ihren Klienten schnurstracks zum anvisierten Ziel. Der Hauptvorteil des Ojeks bestand in der Schnelligkeit, mit der man an allen Staus vorbei sein Ziel erreichte. Auch über die Unterhaltsamkeit einer Ojekfahrt brauchte man kein Wort zu verlieren. Man sah auch viel mehr vom Straßenverkehr, falls der Helm einem nicht dauernd über die Augen rutschte. Das Festhalten an Schulter oder Rumpf des Fahrers schuf Nähe zur einheimischen Bevölkerung. Wie sich der Ojekfahrer in den beständig fließenden dichten Verkehr einfädelte, wie robust er den Spurwechsel vollzog oder wie beherzt er in Überholungslücken hineinstieß, die sich jederzeit wieder schließen konnten, gehört rückblickend zu den bleibenden Erinnerungen meiner Indonesienreisen. Alles in allem kann ich die Anmietung eines Ojeks Jakartabesuchern mit Gottvertrauen und guten Nerven also durchaus empfehlen, Herzkranken und Ängstlichen rate ich allerdings von der Benutzung des Ojeks ab.

      Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich die ganze Stadt mit dem Ojek erforscht. Leider zeigte sich, dass der normale Ojekfahrer ein ortsgebundenes Wesen ist. Ungern fuhr er Ziele an, die mehr als drei oder vier Kilometer von seinem Standort entfernt lagen. Möglich, dass die Ojekgruppen die Viertel der Stadt untereinander aufgeteilt haben, vielleicht aber hatten die Fahrer auch einfach keine Lust, sich so weit von ihren Kumpels zu entfernen. So blieb mir nichts anderes übrig, als für längere Exkursionen ein Taxi zu nehmen.

      Taxifahren in Jakarta ist ein Erlebnis der besonderen Art. Es beginnt mit guten Nachrichten und endet unweigerlich im Stau. Die gute Nachricht ist, dass die Taxifahrer in Jakarta unter Androhung empfindlicher Strafen dazu verpflichtet sind, innerhalb des Stadtgebietes ihre Taxameter anzustellen. Das ist bitter für die Taxifahrer, denn die Fahrtpreise, die sie auf diese Weise abkassieren, gehören zu den niedrigsten in ganz Asien. Außerdem müssen der Name des Fahrers samt seinem Konterfei und der Nummer eines Beschwerdetelefons stets gut sichtbar im Innern des Fahrzeuges erkennbar sein. Waren die Taxifahrer auf diese Weise strengen Regulierungen unterworfen, konnte man das vom Verkehr nicht behaupten. Jeden Tag bewegen sich Millionen Pendler auf dem Weg zur Arbeitsstätte und zurück durch den Großraum Jakarta, und das umso konzentrierter, je mehr weiter man in die Innenstadt vordringt. Es war die pure Menge der Fahrzeuge, die einen fließenden Verkehr nahezu unmöglich machte. An jeder Kreuzung bildeten sich Staus, weil bei den Grünphasen die Fahrzeuge aus den Querstraßen die Kreuzung blockierten. Maßnahmen, die dieses Verkehrschaos abmildern sollten, waren in ihr Gegenteil umgeschlagen. So hatte man

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