Mord im Zeppelin. Ulli Schwan

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Mord im Zeppelin - Ulli Schwan

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wenn auch verhalten.

      Becky sah ihn dankbar an: Er bemerkte immer, wenn sie zu viel grübelte. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass sich die Gruppe der Zuhörer vergrößert hatte: Alle Gäste standen um ihre beiden Tische und lauschten der Geschichte. Skeptiker oder nicht, dachte Becky, einer gut erzählten Spukgeschichte kann keiner widerstehen.

      »Aber ist teures Geschmeide wertvoll für einen Zwölfjährigen?« Madame Silva machte eine Pause und sah ihre Mitreisenden eindringlich an. Sie schüttelte den Kopf. »Einen ganzen Abend riefen wir ihn, doch er erschien nicht, natürlich nicht. Nicht für Gold oder Silber. Als die Haltestelle geschlossen wurde, mussten wir gehen und ich nahm die Einladung der Mutter an, bei ihren zu übernachten. Es war eine nette Familie, aber so traurig über den Verlust, dass keinerlei Lebensfreude mehr zu spüren war. Es war, als wäre ein Loch geschnitten worden, das keiner anzusehen wagte, obwohl es zwischen ihnen stand.

      Am nächsten Tag brachte der Fotograf die Bilder, die wir gemacht hatten und sie zeigten etwas Erstaunliches: Als eine Bahn vorbei gefahren war, spiegelten sich in ihren Fenstern unsere Gesichter und zwischen meinem und dem der Mutter war – nur verschwommen – das Gesicht eines Kindes zu sehen. Die Mutter brach in Tränen aus, ebenso der Vater. Sie waren sich sicher, ihren verstorbenen Sohn zu erkennen. Ich bemerkte, dass der Junge seine Arme seltsam hielt, so, als halte er etwas, was nicht da war. Ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte. Seine Mutter war es, die schließlich die Lösung fand: Es war sein Teddybär. An jenem Tag war der Junge ohne seinen geliebten Stoffbären aus dem Haus gegangen, der lag immer noch in seinem Zimmer.«

      Madame Silva sah versonnen in die Ferne, anscheinend ohne ihre Zuhörer noch länger wahrzunehmen.

      »Ich war überzeugt, dass wir die Lösung gefunden hatten. Also nahmen wir den Bären und jeder sprach ein Gebet. Auch die Eltern sprachen dem Bären ihren letzten Wunsch für den gestorbenen Sohn aus. Dann brachten wir den Bären zu der Haltestelle und legten ihn nieder, kurz bevor die Haltestelle erneut für den Abend geschlossen werden sollte. In dieser Nacht schlief die Mutter tief und traumlos und als wir am nächsten Morgen wieder dorthin gingen, war der Bär fort.«

      Madame Silva atmete tief durch. »Der Verlust eines Kindes ist nicht zu überwinden, er wird die Eltern immer schmerzen. Aber ich erhielt erst vor einer Woche Post von der Mutter und sie versicherte mir, wenn sie nun von ihrem verstorbenen Sohn träumt, erscheint er ihr glücklich. Und er hat seinen Bären immer bei sich.«

      Die Gräfin nickte. »Wenn Geister ihren Frieden finden, kann auch die eigene Seele ruhen.«

      Rosemarie Kellermann nickte voller Gefühl und tupfte sich mit einem kleinen Spitzentaschentuch ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. »Wenn man sich vorstellt, das arme Würmchen so ganz allein ...«

      »Ich dachte, Gespenster gibt es nur in alten Gemäuern«, meinte Jakob Bleibtreu, den die Geschichte offenbar wenig beeindruckt hatte.

      »Nein, Geister sind überall, wo es Leben gibt«, klärte Madame Silva ihn ernsthaft auf. »Selbst hier, in diesem modernen Luftschiff, spüre ich sie.«

      »Hier bei uns? Jetzt?« Bleibtreu sah skeptisch aus.

      »Nein, wir sind allein«, antwortete das Medium bestimmt. »Aber ich denke, beim Bau des Schiffes wurde so viel Energie frei gesetzt, dass auch Geister hierher kamen und sich mit diesem mächtigen Bauwerk verbanden. Und ist der Himmel nicht das Refugium von Wesen, die aus reinem Äther bestehen?«

      »Das werden wir bei Ihrer Séance herausfinden, nicht wahr?«, fragte Becky unschuldig.

      Miro gab ihr unter dem Tisch einen Tritt, wollte sie damit bremsen, das Medium auch noch zu ermutigen. Das übernahm aber bereits Annett. Begeistert rief sie aus: »Wäre es nicht wunderbar, wenn auch die Cabes teilnehmen würden? Das wäre doch etwas für ihr nächstes Buch!«

      »Nun, wenn sie ebenfalls Interesse daran haben …«, erwiderte Madame Silva, klang für Becky aber nicht besonders überzeugt.

      »In die Welt der Moderne, in der wir leben, passen Geister meiner Meinung nach einfach nicht hinein.« Es war Walther Kellermann, der gesprochen hatte. »Also wirklich, wir bauen Häuser aus Stahl und Glas, Motoren, die uns so schnell reisen lassen wie nie zuvor. Geister sind etwas aus alten Geschichten und alten Häusern, mit dem man die Kinder ängstigen kann. Sie sind einfach kein Teil der heutigen Welt mehr. Wissenschaft regiert, nicht Aberglaube.«

      Überraschend meldete sich nun Quebec Norris zu Wort. »Das stimmt nicht! Geister stecken nicht nur in alten Sachen. Und sie sind nicht nur Aberglaube. Manchmal benutzen sie sogar moderne Technik.«

      »Wie können Geister moderne Technik benutzen, Monsieur?« Es war Robichaude, der die Frage gestellt hatte. Der junge Franzose lehnte an der Balustrade, neben dem General, der kerzengerade und unbeweglich stand, die Arme vor der Brust verschränkt.

      Quebec zuckte die Achseln und erwiderte: »Keine Ahnung wie, Mann, ich weiß nur, dass ein Toter meinem Onkel mütterlicherseits das Leben gerettet hat. Und zwar mit einem stinknormalen – 'tschuldigung die Damen – Funkgerät.«

      »Wie kann ein Toter in einem Funkgerät stecken, junger Mann?«, verlangte die Gräfin gebieterisch zu wissen.

      »Er steckte nicht in der Funke, wenigstens nicht direkt. Aber ich fange am besten mal am Anfang an, dann ist es einfacher. Also mein Onkel ist Fischer oben in Kanada, hat ein ordentliches Boot und zwei Mann Besatzung. Vor ein paar Jahren fährt er raus wie immer, aber wie er auf dem Meer ist, braut sich ein Riesensturm zusammen. Mein Onkel hat einen Menge Erfahrung mit dem Meer. Seit fünf Generationen gibt es Fischer in seiner Familie, es liegt ihm also sozusagen im Blut.«

      Quebec schüttelt den Kopf. »Aber dieser Sturm, der war schlimmer, als alles, von dem er je gehört hat. Er hat noch versucht Richtung Hafen zu kommen, aber der Sturm brach so schnell über ihn her, dass er keine Chance hatte. Hat ihn voll erwischt, als er noch eine gute Stunde vom Land entfernt war. Sein Großvater, ein echter alter Seebär, wie er im Buche steht, hatte ihm immer von Riesenwellen und Teufelsstürmen erzählt, aber kein Fischer hatte die jemals persönlich zu Gesicht bekommen. Von daher hat mein Onkel immer nur gelacht und es als Seemannsgarn abgetan. Aber dieser Sturm, der war unheimlich. Zu schnell, zu wild und die Wellen waren so groß wie eines dieser modernen Hochhäuser. Mein Onkel war sich ziemlich sicher, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte. Der Kompass spielte verrückt und der Kutter wurde so wild hin und her geworfen, dass die Jungs an Bord bald nicht mehr wussten, wo oben und unten war. Überall war es grau und Wasser kam von allen Seiten. Er konnte nur noch raten, wo das Land ungefähr sein musste und dann versuchen Kurs zu halten.

      Das Funkgerät hatte schon eine ganze Weile nur noch Störgeräusche von sich gegeben. Keine Chance, mit dem Hafen Kontakt aufzunehmen oder Hilfe zu holen. Und wer sollte in so einem Sturm schon kommen? Plötzlich hörte er den Namen seines Schiffes im Funkgerät. ›Larka bitte kommen, hier Halifax Harbour. Larka bitte kommen ...‹. Es war der Hafen und es war tatsächlich Rettung in letzter Minute, denn der Mann am Funkgerät warnte meinen Onkel, dass er in Richtung offenes Meer fuhr, nicht in Richtung Land. Und er leitete ihn sicher zurück in den Hafen. Als dann endlich die Hafenmauern in Sicht waren, fragte mein Onkel nach seinem Namen, denn er wollte unbedingt dem Mann danken, der ihn und seine Crew gerettet hatte.«

      Quebec Norris zwirbelte nachdenklich an seinem Schnurrbart. »Ich kann mich bis heute an den Namen erinnern. Thomas McNoughton. Als der Sturm am nächsten Tag vorbei war, fuhr mein Onkel mit einem großen Apfelkuchen, den meine Tante gebacken hatte, zum Hafen. Er war für McNoughton gedacht. Aber als er im Büro des Hafenmeisters nach ihm fragte, erntete er nur verwirrte Blicke. Niemand kannte einen Mann mit diesem Namen. Bis ein weiterer Fischer vorbeikam, ein

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