Mord im Zeppelin. Ulli Schwan

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Mord im Zeppelin - Ulli Schwan

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war mir nicht sicher ob der Sekretär kämpfen oder fliehen würde«, kommentierte Ben Truman die Szene gedämpft und wandte sich zu Annett. »Aber anscheinend ist ihm sein Leben lieber als sein Dinner.« Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Wie kann man etwas so Hervorragendes verschmähen?«

      Becky sah sich den jungen Mann genauer an. Er wirkte wie jemand, der dem Leben offen und neugierig begegnete. »Ich glaube, wenn ich die Wahl zwischen der Gräfin und der Küche hätte, dann wäre sie genauso ausgefallen«, antwortete sie mit einem Lächeln.

      Inzwischen hatte sich Madame Silva etwas erholt und erklärte nun mehr als ausführlich die Beweggründe für den Aufruhr. »Nein, wissen Sie, bevor ich meine Kräfte voll entwickelt habe, habe ich natürlich auch Fleisch gegessen wie jeder andere. Aber jetzt, wo ich so viel Schmerz spüre, wann immer ein Wesen stirbt, kann ich es einfach nicht über mich bringen. Und ich bin so froh, dass meine gute Freundin, Gräfin von Brauntroet, ebenso empfindet.«

      »Wie könnte ich nicht, Madame, nachdem Sie mir die Augen geöffnet haben, für das, was hinter unseren kleinen Existenzen liegt.« Die Gräfin lächelte das Medium beinahe wohlwollend an.

      »Oh, ich verstehe Sie ja so gut!«, warf Rosemarie Kellermann ein. »Ich verfolge Ihre Arbeit schon so lange, Madame Silva. Ich wünschte, ich hätte die Kraft mich ebenfalls dafür zu entscheiden und der internationalen Vegetarier-Union beizutreten, genau wie sie.«

      Walther Kellermann schien nicht viel davon zu halten, auf Fleisch zu verzichten. »Schlag dir diesen Humbug besser aus dem Kopf! Du wärst ein schlechtes Vorbild für die Kinder, Rosemarie. Und ihr Kinder, fangt an zu essen, bevor es kalt wird. Wir haben es schließlich bezahlt. Du auch, Rosemarie!« Ehefrau und Kinder gehorchten, ohne zu widersprechen.

      »Denk gar nicht erst daran«, gluckste Becky leise, als sie den Blick ihres Mannes sah. »Für so etwas hast du definitiv die Falsche geheiratet.«

      »Und darüber bin ich mehr als froh«, erwiderte Miro.

      »Ah, Madame, Gräfin, ich hoffe aber, dass Sie die Suppe genossen haben?« Becky sah die beiden unschuldig an und konnte fast spüren, wie Miro neben ihr die Augenbrauen hochzog.

      »Oh ja«, beteuerte das Medium, »sie war hervorragend.« Auch die Gräfin nickte.

      »So viel zu den überzeugten Vegetariern hier am Tisch«, sagte Becky leise zu ihrem Mann. Er sah sie fragend an. »Consommé ist Rinderbrühe. Man kocht ein Stück Rind inklusive Knochen«, erklärte Becky und zwinkerte ihm zu.

      Miro lachte. »Und das weißt ausgerechnet du weil …?«

      »Schon gut, auch wenn ich selbst nicht kochen kann, war ich immer gern in der Küche bei Mathilde. Sie hat mir armen Ritter gemacht. Und ich habe ihr zugesehen, wenn sie gekocht hat. Du siehst, in der Theorie kann ich also kochen!« Becky hoffte allerdings, dass sie diese Behauptung nie in die Praxis umsetzen musste.

      »Das Problem ist gelöst«, erklärte Russel Barker just in diesem Moment mit lauter Stimme. Er und Jakob Bleibtreu betraten gerade wieder den Speisesaal, einen Kellner hinter sich, der zwei dampfende Teller trug. »Unser exzellenter Küchenchef hat eine wunderbare Alternative zubereitet: völlig fleischlose ›Pasta Vegetaria‹. Und der Nachtisch, das kann ich versprechen, ist ein köstlicher Apfelstrudel, ebenfalls ohne Fleisch. Meine Damen, ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Und verzeihen Sie mir bitte die Unannehmlichkeiten.«

      »Nun, Sie konnten es ja nicht wissen«, erwiderte die Gräfin mit einem giftigen Blick auf Bleibtreu.

      Madame Silva stimmte ein: »Aber natürlich, Mister Barker, wie könnten wir Ihnen nicht verzeihen?«

      General Partérre war eindeutig verärgert über die Unterbrechung. »Hoffe, wir können jetzt in Ruhe essen. Kann nicht verstehen, wie man ein solches Problem damit haben kann, Fleisch zu essen. Habe im Krieg gelernt, zu nutzen, was man hat. Man gewinnt nicht mit Nettigkeiten. Und Tod gehört zum Leben, sollte Sie doch wissen. Lebt schließlich davon.«

      »Ebenso wie Sie, n’est-ce pas?«, antwortete Miro ihm leichthin. »Man könnte sagen, dass der Tod auch das Geschäft des Militärs ist, oder?«

      Der General sah von seinem Teller auf und blickte Miro an.

      »Ah oui, kein Patriot, war ja klar.« Er sah abfällig zu Becky hinüber, dann zurück zu ihrem Mann. »Dafür einfältig, was? Tod war immer schon das größte Geschäft der Geschichte. Krieg ebenso. Leute sterben. Zum Wohl des Landes. Waren wohl einer von denen, die sich zuhause hinter Frauenröcken versteckt haben, n’est-ce pas?!«

      Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, wenn denn jemand sich getraut hätte, eine fallen zu lassen.

      Becky schloss kurz die Augen. Sie hatte so gehofft, dass es nicht dazu kommen würde.

      Miros Gesicht wurde zu einer blassen Maske. »Sie liegen falsch, Monsieur. Ich war in den Schützengräben, an der Front. Ich habe gesehen, was geopfert wurde. Ich habe die gekannt, die geopfert wurden. Es waren Freunde, die verstümmelt auf den Schlachtfeldern lagen und dort verbluteten. Waren Sie jemals an vorderster Front, mon général?« Er hatte seine Stimme nicht erhoben, aber sein Ton war scharf wie ein Bajonett. »Haben Sie den Hunger gespürt, wurden Sie verwundet, ohne dass irgendwo Medikamente waren, um Ihre Schmerzen zu lindern? Wurden Ihnen Gliedmaßen ohne Betäubung amputiert? Mussten Sie in frostigen Gräben sitzen und jeden Moment damit rechnen, dass Sie oder Ihr Freund neben ihnen von Gewehrfeuer getroffen werden? Sind Sie durch die blutgetränkten Felder gewatet nach einem Gefecht und haben nach Überlebenden gesucht?«

      Becky legte Miro ihre Hand auf den Arm. Sie wollte ihn damit beruhigen, wusste aber, dass dieses Thema bei ihm zu tief ging. Er hatte ihr nie im Detail davon erzählt, wie es im Krieg gewesen war. Ebenso wenig wie ihre Brüder. Alle, die gekämpft hatten, schienen sich geschworen zu haben, die Einzelheiten von denen fernzuhalten, die das Glück gehabt hatten, sie nicht zu erleben. Oder vielleicht wollten sie auch einfach vergessen. Becky war sich nicht sicher. Was sie wusste, war, dass es wie eine schwelende Wunde in allen gärte, die dabei gewesen waren. Soviel Hass, dachte sie bei sich, ich weiß nicht, ob wir das je vergeben werden können. Aber ich wünschte mir wirklich, dass wir es könnten.

      »Warum sollte ich?« Der General schnitt vollkommen ungerührt ein Stück Roastbeef ab und führte es zum Mund. »Hatte andere Aufgaben, wichtige Aufgaben. Haben uns den Krieg gewinnen lassen. Haben die verdammten Deutschen besiegt, weil wir bereit waren etwas zu opfern.«

      »Ja, zu viele Menschenleben auf beiden Seiten«, erwiderte Miro bitter.

      »Haben getan was nötig war. Der Krieg ist vorbei. Wir haben gewonnen. Trotz Leuten wie Ihnen.«

      Die Worte des Generals schienen nicht nur Miro und Becky zu treffen.

      Walther Kellermann mischte sich nun ein: »Vorbei? Als wäre der Krieg vorbei! Sie, Sie Franzmann, es hat ihnen nicht gereicht, unsere Männer zu töten, Sie wollen uns ausbluten lassen. Nicht nur unsere Soldaten, nein, auch alle anderen in Deutschland sollen bluten und immer weiter bluten. Sie nehmen uns unsere Fabriken, unser Geld, unsere Frauen, wenn Sie können, damit uns nichts bleibt, noch nicht mal eine Zukunft!«

      Walther Kellermann hieb seine Hand mit einer Wut auf den Tisch, die alle zusammen zucken ließ. »Sie treiben uns alle, jeden einzelnen Deutschen in den Ruin, und wieso? Weil unser Kaiser einen Krieg wollte und ihn verloren hat. Reicht es nicht, ja reicht es denn nicht, dass wir so viele Menschen verloren haben, die wir geliebt haben? Müsst ihr uns auch noch die Möglichkeit nehmen, unser Land wieder aufzubauen?«

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