Töchter aus Elysium. Werner Siegert
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RA Hammer: „Meine Mandantin wird ab sofort keine Erklärungen mehr abgeben!“
Elsterhorst und Velmond fast synchron: „Das ist auch nicht mehr nötig. Frau Dr. Lepper wird dem Haftrichter vorgeführt! Unsere Beweise sind ausreichend.“
6. Hugo
Gegen Mitternacht klingelte beim Kriminal-Dauerdienst das Telefon. Eine aufgeregte Stimme meldete sich:
„Hallo, ich bin die Polizeimeisterin Carla Schott. Ich gehöre zu Überwachungstrupp „Elysium“, den die Hauptkommissare Elsterhorst und Velmond eingesetzt haben. Es geht um einen sogenannten Hugo, Nachname unbekannt. Dieser Hugo galt gestern als ebenso verschollen wie die flüchtigen Leitungskräfte dieses Instituts. Bitte richten Sie den Hauptkommissaren aus: Seit 0:24 Uhr brennt in der Wohnung des Hugo Licht. Dort bewegt sich eine Person hinter den Gardinen. Wir greifen nicht ein. Wir warten auf Weisung. Over!“
Gottlob hielt man diese Meldung nicht für so dramatisch, dass man Hauptkommissar Lothar Velmond oder gar Maurice Elsterhorst aus dem Schlaf reißen müsste. Aber kurz nach 7 Uhr hielt man es doch für angebracht, die Meldung zumindest an Velmond weiterzugeben. Hauptkommissar Elsterhorst galt immer noch als gesundheitlich angegriffen; er hatte ja seine Kur überstürzt abbrechen müssen.
Begleitet von zwei Einsatzwagen raste Hauptkommissar Velmond zwei Stunden später abermals durch das offene Tor zum „Elysium“ - sein Ziel: die Einvernahme und vermutliche Festnahme von Hugo, von jenem Mann, mit dem Elsterhorst bereits mehrmals zusammengerasselt war. Damals hatte er auf Rinaldo geschossen. Seither wusste man: Hugo ist bewaffnet.
Hugo war nur als Hugo bekannt. Niemand wusste seinen Nachnamen. Hugo war jedoch seit je her da. Er diente schon in der Klosterzeit den Ordensschwestern als Haus- und Hofmeister. Er blieb im Anwesen, als die Nonnen verschwanden und weder ein neuer Mieter, noch Eigentümer in Sicht war. Offenbar war man froh, dort jemanden zu wissen, der nach dem Rechten schaute, allfällige kleine Schäden beseitigen und etwaige Einbrecher verjagen konnte. Daran änderte sich auch unter dem Emanzen nichts. Männer waren ja in ihren Augen ohnehin für die Drecksarbeit zuständig - als Sklaven gut zu gebrauchen.
Im Sanatoriumstrakt waren noch einige Jalousien runtergezogen. Soweit sich die Patienten aufgrund der gestrigen Ereignisse nicht selbst entlassen hatten, schliefen sie noch oder saßen beim Frühstück, das ausnahmsweise in den Zimmern serviert wurde. Der Zustand eines Mannes hatte sich - wohl aufgrund der Aufregung - verschlimmert. Er musste in eine Klinik verlegt werden. Im Haupthaus wohnten noch zwölf Frauen, die sich nach der faktischen Auslösung des Instituts zunächst mal zu einer losen Wohngemeinschaft zusammengeschlossen hatten.
Ohne Blaulicht und Sirene pirschten sich die Einsatzkräfte an die Klostermauern heran. Zwei Polizistinnen liefen ins Haupthaus, nahmen mit dem Wachtrupp Verbindung auf und forderten alle Bewohnerinnen auf, sich absolut ruhig zu verhalten. Die Aktion beträfe nicht sie.
Draußen allerdings hörte man Schüsse. Von den Fenstern im 2. Stock aus konnten die Beamtinnen erkennen, wie ein Mann, also wahrscheinlich Hugo, von seiner Wohnung über den Garagen auf irgendjemanden zielte und schoss. Als er sich vom Haupthaus aus beobachtet fühlte, schoss er auf einige Fenster, die klirrend nach innen fielen. Die Geschosse ließen den Putz von den Wänden rieseln. Die Frauen hatten sich zu Boden geworfen und robbten in die Schutz bietenden Zimmer an der Frontseite.
Mit einem Megaphon forderte Velmond Hugo auf, sich zu ergeben und ohne Waffe aus dem Haus zu treten. Nur so könne er seiner Verhaftung entgehen. Allerdings müsse er sich der Einvernahme unterziehen:
„Wenn Sie hier rumballern, verschlechtern sich mit jedem Schuss Ihre Chancen! Sie gefährden andere und sich selbst! Wir können warten, bis Sie Ihre Munition verschossen haben!“
Überraschend erschien Hugo an einem kleinen, schmalen Fenster, das wohl das Klofenster sein musste. Er brüllte hinaus:
„Da könnt Ihr lange warten. Ich habe ganze Kisten voller Munition aus Wehrmachtsbeständen. Ich habe sogar Panzerfäuste und Handgranaten und kann jederzeit den ganzen Laden in Schutt und Asche legen! Wer dieses Haus betritt, ist eine Leiche!“
„Herr Hugo, weshalb dieses Theater? Was haben Sie denn zu verbergen? Sie waren doch allenfalls Helfer. Sie haben doch nur vollzogen, was andere angerichtet hatten!“
„H e r r H u g o ? Dass ich nicht lache! So blöd bin ich noch nie angeredet worden. Wollt Ihr mich verscheißern? Ich war doch nur der Dreck unter ihren Stiefeln! Ob bei den Nonnen oder den Emanzen! H e r r ? Sie wollen mich wohl verarschen? Aber das kann ich Ihnen versichern: Selbst wenn Sie mich jetzt totschießen! Ich habe genau Tagebuch geführt über alle Verbrechen, die hier stattgefunden haben - und nur ich weiß, in welchen Gräbern auf unserem Friedhof Untermieter zu finden sind!“
„Darum geht es doch, Hugo! Sie sind doch nur Mitwisser. Sie sind Kronzeuge. Können auf Milde hoffen. Sie sind doch nur der Letzte, den die Hunde beißen! Geben Sie doch auf! Lassen Sie Ihr Schießeisen fallen!“
„Das ist doch nur ein Trick! Sie haben mich doch schon lange auf dem Kieker! Ich kenne Sie doch! Wenn Sie mich eingelullt haben, klicken die Handschellen. Da liefere ich Ihnen lieber ein Gefecht bis zur letzten Patrone und sterbe hier, wo ich mein beschissenes Leben geführt habe!“ Wie zur Bestätigung schoss er wieder in Richtung Klosterhof, wo die Querschläger durch die Luft sirrten.
„Hugo, ich komme jetzt rein zu Ihnen. Ich bin nicht bewaffnet. Ich will nur mit Ihnen reden. Ich habe keine Handschellen. Wenn Sie kooperieren, kommen Sie gut aus der ganzen Sache raus. Dann können Sie wahrscheinlich bald wieder zurückkehren oder gehen, wohin Sie wollen! Sie haben es in der Hand, ob Sie für immer hinter Zuchthausmauern verschwinden oder bald als freier Mann leben können!“
Lothar Velmond kam langsamen Schrittes mit erhobenen Händen aus seiner Deckung.
„Freier Mann! Dass ich nicht lache! Ich habe ja noch nicht einmal Papiere! Ich bin doch gar nicht existent! Was wissen denn Sie schon, wie es den Stiefelknechten dieser Scheißgesellschaft geht? Wann - glauben Sie denn - habe ich zuletzt Geld gesehen? Wann meinen Lohn bekommen, wenn ich ihn nicht erpressen konnte? Oh ja, wenn wieder was schief gelaufen war, dann klingelte mal ein kleines Sümmchen Schweigegeld in der Hand. Dumm genug, wie ich war! Schweigegeld! Wo sollte ich es denn ausgeben? Wofür? Die hatten mich doch in der Hand. Hugo! Hugo! Ich heiße nicht Hugo, damit Sie es wissen! Die haben mich doch nur zum Hugo gemacht! Hugo, Hugo - das ist doch nur eine Kurzform von Arschloch, von Mistkerl, von G’schwerl! Von Abtreter!“ Voller Wut schoss er abermals eine Salve in die Fenster des Haupthauses.
Velmond hatte inzwischen die Tür erreicht. Die Polizisten hatten das Haus umstellt und waren mit Hilfe zweier Bewohnerinnen über die Küche und Wäscherei in die ehemaligen Stallungen und jetzigen Garagen gelangt. Hinter Hugos Wohnung hatten sie Leitern angestellt. Einige Polizisten versuchten, ihn zu provozieren, damit er seine Position am kleinen Fenster nicht verlässt. Das war ja seine Schießscharte, hinter der er sich sicher fühlte. Dennoch verschwand er plötzlich. Offenbar hatte er Velmond gehört, der die Treppe zu seiner Wohnung hinaufzusteigen begann.
„Ich bin nicht bewaffnet, Hugo oder wie Sie immer heißen! Sie sind für mich nicht der Hugo. Ich will mit Ihnen sprechen. Ich will, dass Sie uns helfen. Unerlaubter Waffenbesitz - da kommen Sie drüber hinweg.“
„Bleiben Sie stehen, Herr Hauptkommissar! Euch Bullen kann man doch nicht trauen! Knöpfen Sie Ihre Jacke auf! Ziehen Sie Ihre Jacke aus, damit ich sehen kann, was Sie da drunter versteckt haben!“