Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Das Erbe der Ax´lán - Hans Nordländer страница 16
Plötzlich griff sich Solvyn mit aufgerissenen Augen an den Hals. Zuerst wusste keiner, was sie hatte, doch dann erkannten sie einen fingerdicken Zweig, der sich ihr um den Hals gelegt hatte und dabei war, die Frau in die Büsche zu ziehen.
Solvyn saß im Kreis der Gefährten am dichtesten mit dem Rücken am Waldrand und weder sie noch jemand anderes hatte bemerkt, wie sich in der Dunkelheit aus dem Unterholz heraus ein dünner Zweig vorsichtig herausschob und dann blitzschnell um ihren Hals schlang, als er ihre Schulter erreichte.
Durhad erkannte die Gefahr zuerst. Er sprang auf, zog sein Schwert und hieb den Ast entzwei.
„Zieht sie weg!“, rief er in einen schrillen und fremdartigen Schmerzensschrei hinein.
Tjerulf und Erest packten Solvyn und zerrten sie vom Waldrand weg, taten einige Schritte rückwärts, stolperten dann aber hinter dem Feuer über Anuim, der nicht schnell genug ausweichen konnte, und fielen alle auf einen Haufen. Tjerulf hörte das Würgen und Keuchen Solvyns, aber sie war in Sicherheit, vorerst jedenfalls. Sie hatten keine Zeit, sich um die Frau zu kümmern, denn plötzlich trat mit einem Rascheln und Rauschen ein Baumläufer aus dem Gebüsch.
Es war genau an der Stelle, an der Solvyn gesessen hatte. Noch ehe jemand handeln konnte, tat er zwei Schritte vorwärts und wirbelte mit seinen zweigähnlichen Fortsätzen, die er wie Arme benutzen konnte, herum. Funken stoben auf, als die Beine des Ungeheuers das Feuer zerstreuten. Ein oder zwei kreischende Laute ausstoßend, suchte es sein nächstes Opfer und wandte sich den vier am Boden liegenden Menschen zu. Dann war Durhad wieder da und auch Tjerulf hatte sich gefasst und von seinem Schrecken erholt. Mit wuchtigen Schwerthieben gingen die beiden den Baumläufer an.
Baumläufer waren zähe Wesen und sehr widerstandsfähig. Das hatten sie zuvor bereits unter Beweis gestellt. Wenn sie selbst auch keine Waffen benutzten, jedenfalls hatten sie es gegen die Gefährten bisher noch niemals getan, so konnten sie doch durch das Umherschlagen ihrer Arme gefährliche bis tödliche Wunden verursachen, wenn sie ihre Opfer nicht zu Tode würgten. Es waren keine übermäßig großen Wesen, vielleicht zweimal so hoch wie ein ausgewachsener Mensch, dafür aber erstaunlich flink, flinker als sie erwartet hatten, und von einer Erscheinung, die Furcht einflößte.
In diesem Durcheinander geschahen plötzlich zwei Dinge gleichzeitig. Neben dem Morain erschien wie aus der Luft heraus der Erdmensch Trywfyn mit seiner Streitaxt in der Hand. Mit wütenden Schlägen trennte er ein Gliedmaß nach dem anderen ab, bis der Baumläufer einknickte und in die Reste des Feuers stürzte. Im gleichen Augenblick, als der Ogmari aufgetaucht war, leuchteten am anderen Ende der Lichtung die Klingen von zwei Lichtschwertern auf. Es waren die Waffen von Valea und Freno. Als sie und Trywfyn durch den Lärm aufgeschreckt wurden und aus ihren Zelten blickten, da sahen sie, dass sich ein zweiter Baumläufer auf ihrer Seite aus dem Unterholz gelöst hatte und auf sie zukam.
„Nehmt die Lichtschwerter!“, rief Trywfyn ihnen zu. „Ich gehe zu den anderen!“
Er hatte in seiner Kleidung geschlafen und seine Axt an das Zelt gelehnt. Ohne noch einmal dorthin zurückzukehren, stürmte er los zu seinen kämpfenden Freunden. Freno und Valea verstanden, was er meinte und kurz darauf verließen sie ihre Zelte mit den Waffen und griffen den zweiten Gegner, nächst zu ihnen, an.
Während Durhad, Tjerulf und Trywfyn »ihren« Baumläufer bearbeiteten, rappelten sich die drei am Boden Liegenden wieder auf und brachten sich in Sicherheit. Es war keine Feigheit, denn der Kampf mit dem Baumläufer wurde so heftig ausgetragen, dass eine Verstärkung Gefahr lief, verletzt zu werden. Das musste Idomanê schnell einsehen, als sie versuchte, die drei zu unterstützen und nur knapp einem Schwerthieb Durhads entging. Mit einem für ihn ungewöhnlich strengen Zuruf befahl er ihr, aus dem Weg zu gehen.
Meneas war vollkommen überrascht worden. Mit einem Arm voller Brennholz stand er da und sah, wie Solvyn nach Luft rang und in seinen Augenwinkeln sah er den Schatten des zweiten Baumläufers. Natürlich ließ er sofort das Holz fallen. Das war aber auch alles, was er tun konnte und was überhaupt nicht nötig gewesen wäre, denn er war zur Untätigkeit verdammt. Meneas hatte aus Bequemlichkeit sein Schwert beim Abendessen abgelegt, aber griffbereit neben seinen Sitzplatz gestellt. Dort stand es jetzt immer noch, für ihn aber unerreichbar. Im nächsten Augenblick war selbst das nicht mehr wichtig, denn er musste mit ansehen, wie der Baumläufer auf die Waffe trat und es zerbrach. Dermaßen außer Gefecht gesetzt, konnte Meneas dem Geschehen nur noch tatenlos zuschauen.
Die Kämpfe dauerten nicht lange. Die Lichtschwerter waren erstaunliche Waffen, und obwohl Valea und Freno mit ihrer Handhabung keine Erfahrung hatten, gelang es ihnen beinahe so schnell wie Trywfyn, Durhad und Tjerulf, mit ihrem Gegner fertigzuwerden. Allerdings nicht ganz ohne Blessuren, denn Tjerulf, Trywfyn und Valea trugen leichte Wunden davon. Valea hatte es am ärgsten getroffen. In einem unaufmerksamen Augenblick peitschte ein dünner Ast an ihrem Kopf vorbei und verletzte ein Ohr. Im Eifer des Gefechtes spürte sie es aber erst, als das Blut an ihrer Wange herablief. Da lag der Angreifer bereits am Boden und regte sich nicht mehr.
„Beachtliche Waffen“, sagte Freno anerkennend und tätschelte den Griff des Schwertes, nachdem er die Klinge abgeschaltet hatte. „Valea, du bist verletzt“, stellte er mehr fest, als dass er fragte.
Er sah, wie sie eine Hand auf das Ohr legte und etwas Blut zwischen den Fingern hindurchrann.
„Ach was, nur eine Schramme“, wiegelte sie ab. „Es tut kaum weh“,
„Lass´ `mal seh´n“, verlangte Freno. „Na ja, es scheint wirklich nicht schlimm zu sein. Ein leichter Fall für Meneas. Nimm dieses Tuch und halte es auf die Wunde.“
Es war kein Taschentuch und schon gar kein gebrauchtes. Freno hatte Valea sein Halstuch angeboten. Jetzt konnte endlich auch Meneas etwas tun. Er holte Salbe, Kräuter, Verbandszeug und eine Taschenlampe aus seinem Zelt.
„Setz dich hier hin“, forderte er Valea auf und begann mit der Versorgung ihrer Wunde.
Solvyn war nichts mehr von dem Überfall anzusehen. Sie atmete wieder normal und schien sich von ihrem Schrecken, der größer war als der Schmerz, wieder erholt zu haben. Aber ihren Hals würde für einige Zeit noch eine bandartige Rötung zeichnen.
„Ich hoffe, das bleibt für heute der einzige Angriff!“, meinte Meneas.
Tjerulf zuckte mit den Schultern.
„Wer kann das schon sagen“, meinte er. „Andererseits gab es bisher nie mehr als einen Angriff am jeweiligen Tag, doch das heißt nichts. Das Einzige, was uns bleibt, ist wachsam zu sein.“
„Tja, so wie es aussieht, hast du Recht“, meinte Erest. „Aber das ist sehr ermüdend.“
Tjerulf schmunzelte, sagte aber nichts.
Der Überfall hatte sie aufgewühlt und keiner von ihnen hätte zu diesem Zeitpunkt Ruhe finden können, daher ließen sie sich noch einmal am Lagerfeuer nieder, nachdem sie die Überreste der Baumläufer in den Wald geworfen - sie würden am Tag kaum von gewöhnlichem Holz zu unterscheiden sein - und das Feuer etwas weiter in der Mitte der Lichtung wieder ordentlich aufgeschichtet und neu entfacht hatten. Ein wenig Abstand zum Waldrand erschien ihnen nach diesem Erlebnis angebracht zu sein. Von nun an blickten sie öfter einmal über die Schulter ihrer gegenübersitzenden Freunde, um vor möglicherweise auftauchenden Gefahren zu warnen.
„Das war kein ernsthafter Versuch, jemanden von uns zu töten“, stellte Tjerulf fest. „Eher ein wirkungsvoller Versuch, uns einzuschüchtern.“
„Das