Thiemos Bande. Frank Springer
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Axel entgegnete: „Sie sieht aber gar nicht so aus wie eine von denen. Sie trägt doch gar kein bisschen Rosa.“
„Das ist alles nur Tarnung, damit sie nicht auffällt“, behauptete Thiemo.
Emilio erwiderte: „Sie kann doch gar nicht zur Mädchenclique gehören. Dazu ist sie noch nicht lange genug in der Klasse.“
Mirko warf ein: „So gemein, wie die beiden Rosas sie heute Morgen in der Schule behandelt haben, gehört sie mit Sicherheit nicht zu denen.“
Thiemo rang nach Worten: „Das war nur ein Ablenkungsmanöver. Das war alles geplant.“
Merle hatte bislang kein Wort gesagt, sonder verfolgte verstört das Treiben. Alle Augen ruhten auf Thiemo. Der jedoch steigerte sich immer mehr hinein und fing selbst an zu glauben, was er sagte. In seiner Verzweiflung wusste er nicht, was er tun sollte. Aus der größten Not heraus versuchte Thiemo, sich zu retten. Er griff Merles Arm und drehte ihn ihr auf den Rücken, ohne darüber nachzudenken, was er tat.
Dazu sagte er zu ihr: „Los, gestehe! Sag, dass du eine Spionin bist!“
Merle fauchte ihn an: „Spinnst du jetzt komplett? Du tust mir weh. Lass mich sofort los! Ich bin dir vorhin nur nachgegangen, weil ich neugierig war, was du machst. Mehr nicht.“
Das war für Thiemo fast noch schlimmer, dass er so nachlässig gewesen war und zugelassen hatte, dass ein Mädchen ihn unbemerkt verfolgen konnte, ausgerechnet als er auf dem Weg zum Bandenversteck war. Daher dachte er nicht daran aufzuhören, sondern drehte ihren Arm weiter um.
Bedrohlich sprach er zu ihr: „Nun sag endlich die Wahrheit!“
„Au!“, schrie Merle vor Schmerz laut auf und Tränen rannen über ihr hübsches Gesicht.
Energisch sagte Emilio zu Thiemo: „Lass sie los! Du tust ihr doch weh.“
Kämpferisch entgegnete Thiemo: „Ja und? Im Krieg wurden auch weibliche Spione umgebracht.“
Mikro bemerkte scharfsinnig: „Wir sind aber nicht im Krieg und sie ist nur ein Mädchen, das du letztendlich hierher gelockt hast.“
Thiemo wollte nicht aufgeben und hielt Merles Arm weiterhin fest.
Daraufhin näherten sich Emilio und Axel ihm drohend und Emilio sagte entschlossen zu ihm: „Lass sie sofort los!“
Nun erst löste Thiemo seinen Griff. Er musste einsehen, dass er allein auf verlorenem Posten stand und keiner bereit war, ihn zu unterstützen.
Zu Merle gewandt sprach Emilio mit freundlicher, aber kühler Stimme: „Es ist besser, wenn du jetzt gehst.“
Blitzschnell drehte sich das Mädchen um und lief weinend nach Hause.
Eine ganze Weile lang sagte keiner etwas. Thiemo stand fassungslos mitten im Schuppen.
Emilio brach das Schweigen: „Das Verhalten von unserem Anführer war eben unzumutbar. Es bringt unsere gesamte Bande in Verruf, wenn er Mädchen quält. Mädchen zum Spaß zu ärgern, ist ganz lustig. Aber was Thiemo hier mit Merle gemacht hat, ging eindeutig viel zu weit. Er ist nicht mehr würdig, unser Anführer zu sein, denn er wirft damit auch schlechtes Licht auf uns alle. Daher fordere ich, dass Thiemo als unser Anführer mit sofortiger Wirkung abgesetzt wird.“
Mirko schlug vor: „Lasst uns darüber abstimmen. Wer ist dafür, dass Thiemo weiterhin unser Anführer bleibt?“
Zaghaft hob Thiemo seine Hand und blickte sich verunsichert um. Keiner von den anderen erhob seinen Arm. Thiemo schaute hilfesuchend zu Thorben und zu Jannick, die ihm bislang die Treue gehalten hatten. Die beiden hatten ihren Blick betroffen zu Boden gesenkt, damit sie Thiemo nicht ins Gesicht sehen mussten, aber ihre Arme blieben unten.
Emilio fasste zusammen: „Damit wäre diese Frage geklärt.“
Wütend schrie daraufhin Thiemo: „Macht doch eure Sache alleine, wenn ihr mich nicht mehr haben wollt! Eine Jungenbande ist doch Kinderkram. Da mache ich nicht mehr mit. Seht zu, wie ihr ohne mich zurechtkommt!“
Dann wandte er sich ab und ging nach Hause. Dort legte er sich auf sein Sofa und weinte. Zum ersten Mal, seitdem er ein kleines Kind war, weinte er wieder. Mit einem Schlage hatte Thiemo alles verloren, was ihm wichtig war. Seine Bande war für ihn sein bisheriger Lebensinhalt gewesen. Dort fand er die Kameradschaft, Anerkennung und Zuversicht, die er dringend brauchte. Das war nun alles zunichte. Was sollte er jetzt ohne seine Bande machen? Bislang war Thiemo der berühmte und von allen geachtete Anführer der bekanntesten und berüchtigtsten Jungenbande im gesamten Viertel. Er mochte sich die Peinlichkeit nicht vorstellen, wenn die anderen erfuhren, dass er nun nicht mehr dieser Anführer war. Jetzt war er ein Nichts, ein absoluter Niemand. Wenn doch nur Ludwig hier wäre. Der wüsste sicherlich einen Rat. Thiemo weinte bitterlich. Er war froh, dass er alleine zu Hause war und niemand ihn sah.
Noch mehr ärgerte ihn, dass er das Vertrauen, das Merle in der kurzen Zeit zu ihm gefasst hatte, zerstört hatte. Er musste daran denken, wie viel Spaß sie erst heute am Vormittag in der Schule miteinander hatten, als sie gemeinsam in dem Buch gelesen hatten. Thiemo sah ein, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Er hätte sich selbst Ohrfeigen können, aber damit hätte er sein Verhalten nicht ungeschehen gemacht. Nie wieder würde er Merle aufrichtig ins Gesicht sehen können. Thiemo war verzweifelt.
Er lag schon eine ganze Weile auf seinem Sofa und hatte sich mittlerweile ein wenig beruhigt, als er von draußen durch das offene Fenster ein Pfeifen hörte. Sofort kam es ihm bekannt vor, denn Emilio hatte die Angewohnheit, beim Gehen manchmal ein Liedchen vor sich hinzupfeifen. Thiemo stand auf und ging zum Fenstern. Er wischte sich seine Augen trocken und schaute hinaus. Tatsächlich konnte er durch das Laub der Straßenbäume Emilio entdecken, wie er die Straße entlang geschlendert kam.
,Sicherlich hat Emilio eingesehen, dass es falsch war, mich als Anführer abzusetzen, und möchte sich bei mir dafür entschuldigen‘, dachte sich Thiemo.
Emilio steuerte tatsächlich auf den Hauseingang zu. Thiemo konnte sein Glück nicht fassen. Emilio wollte ihn wahrhaftig besuchen und das nach alledem, was geschehen war. Schnell rannte Thiemo zur Wohnungstür, um sie zu öffnen, sobald Emilio klingelte. Thiemo legte sein Ohr an die Tür und horchte. Er hörte, wie unten die schwere Haustür geöffnet wurde und jemand die Treppen zu ihm hinaufstieg. Danach vernahm er deutlich die Schritte auf dem Treppenabsatz. Gleich in wenigen Sekunden würde Emilio bei ihm klingeln. Thiemo war ganz aufgeregt. Er nahm den Türgriff in die Hand, um die Tür aufzureißen, sobald er den ersten Klingelton hörte.
Es klingelte. Thiemo wollte schon die Tür mit einem Schwung öffnen, als ihm auffiel, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hielt inne und überlegte kurz. Das war nicht die Klingel zu seiner Wohnung, die er gehört hatte. Es war die Klingel von der Wohnung gegenüber, von Merles Wohnung. Thiemo war verwirrt. Was wollte Emilio bei Merle? Thiemo presste sein Ohr noch fester gegen seine Tür, um möglichst jedes einzelnen Wort verstehen zu können, das auf dem Hausflur gesprochen wurde.
Merle öffnete ihre Tür und fragte überrascht: „Hallo, was willst du denn hier?“
Emilio antwortete: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen für vorhin. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in Thiemo gefahren ist. Sonst ist er nie so. Bitte denke nicht von uns, dass wir sein Verhalten gut finden und damit einverstanden sind, was er mit dir gemacht hat. In Wirklichkeit