Thiemos Bande. Frank Springer

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Thiemos Bande - Frank Springer

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Junge wurde bedrohlicher: „Falsch! Das sind jetzt unsere. Rück sie freiwillig raus, sonst holen wir sie uns!“

       „Kommt gar nicht in Frage“, rief Dörte, wobei sich ihre Stimme überschlug.

       Daraufhin machte der Junge einen Schritt auf Dörte zu und schubste sie so kräftig, dass sie zurücktaumelte, das Gleichgewicht verlor und unsanft auf ihrem Hinterteil landete. Sofort versuchte Dörte aufzustehen, aber der Junge war schneller und stellte seinen Fuß auf ihren Bauch, sodass sie sich nicht mehr aufrichten konnte.

       Zu seiner Schwester sagte er: „Los Bea, hol dir die Schuhe!“

       Bea versuchte, Dörte die Sneaker auszuziehen, was ihr nicht gelang, da Dörte nach ihr trat.

       „Au!“, schrie Bea. „Sie hat mich getreten. Mach was, Björn.“

       Nun verlagerte Björn sein Gewicht stärker auf Dörtes Bauch, wodurch ihr die Luft wegblieb und sie sich nicht mehr verteidigen konnte. Bea zog ihr die Schuhe aus, streifte sich ihre eigenen, ausgetretenen Turnschuhe ab und schlüpfte in Dörtes Sneaker.

       „Au fein, sie passen mir“, rief sie triumphierend und warf ihre eigenen Schuhe ins Gebüsch.

      Eigentlich hätte Thiemo jetzt schadenfroh sein müssen bei dem, was mit Dörte geschah, jedoch gelang es ihm nicht. Stattdessen war er schockiert von der rohen Gewalt, die gegenüber dem Mädchen ausgeübt wurde. Obwohl er Dörte hasste und ihr in seinen eigenen Vorstellungen allerlei üble Dinge gewünscht hatte, litt er nun innerlich mit ihr, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Ihm wurde übel davon. Am liebsten hätte er sich übergeben, aber dazu fehlte ihm die Kraft. Vor Entsetzen unfähig, sich zu bewegen, blieb er wie angewurzelt in etwa zehn Metern Entfernung stehen und beobachtete tatenlos das brutale Geschehen. Kurz darauf bereute Thiemo, dass er es nicht geschafft hatte, sich zu verstecken oder wegzulaufen.

       Denn Björn schaute in seine Richtung und rief ihm zu: „Da haben wir ja noch so einen. Los Reichensöhnchen, komm her!“

      Der Schrecken fuhr Thiemo in die Glieder, als ihm klar wurde, dass er jetzt im Mittelpunkt des Interesses der beiden jungen Räuber stand. Aus Angst war er wie betäubt und stand regungslos da, wie zu einer Säule erstarrt.

       „Du sollst herkommen, Reichensöhnchen!“, brüllte Björn ihn an.

       Als sich Thiemo immer noch nicht rührte, ging Björn gefolgt von seiner Schwester auf ihn zu.

       Drohend kommandierte Björn: „Los, rück schon raus! Was hast du für uns?“

       Thiemo vermochte nicht zu antworten, da seine Furcht ihm die Kehle zuschnürte.

       Bea fragte: „Was ist mit seinen Schuhen? Das sind Markenturnschuhe.“

       „Viel zu alt“, entgegnete Björn. „Das lohnt sich nicht.“

       Björn wurde ungeduldig: „Na mach schon! Irgendetwas musst du doch haben. Pack mal deine Taschen aus!“

      Thiemo war gelähmt vor Entsetzen, denn Björn sah brutal und kräftig aus. Thiemo wusste, dass er keine Chancen gegen ihn hatte. Als Thiemo nicht reagierte, packte Björn ihn und hielt ihn fest, sodass er sich nicht bewegen konnte. Er spürte, dass Björn noch viel stärker war, als er befürchtet hatte. Wenn jetzt seine Bande hier wäre, dann würden sie Björn gemeinsam in die Flucht schlagen, auch wenn er noch so stark sein mochte. Aber seine Bande war nicht da. Es war nicht einmal seine Bande mehr. Thiemo gehörte nicht mehr dazu, soweit es sie überhaupt noch gab. Er fühlte sich einsam und allein. Schmerzlich vermisste er in diesem Moment seine Bande, wo er sie dringend brauchte. Er machte sich große Vorwürfe, dass er sie mit seinem eigenen Verhalten zerstört hatte.

      Björn sagte zu seiner Schwester: „Schau nach, was er in seinen Hosentaschen hat!“

       Daraufhin durchsuchte Bea die Taschen von Thiemos Shorts. Es fühlte sich komisch an, wie sie mit ihren Händen darin herumwühlte. Schließlich fand sie einen kleinen Geldschein und zog ihn freudestrahlend hervor.

       Ihr Bruder kommentierte diesen Fund: „Na also, da haben wir ja etwas gefunden. Warum denn nicht gleich so?“

       Thiemo war wütend, da dieser Schein sein Taschengeld für diese Woche war. Bea steckte das Geld ein und Björn gab Thiemo einen kräftigen Stoß, wodurch er vornüber hinfiel und sich das Knie aufschlug. Thiemo war nicht fähig, ein Wort zu sagen. Selbst seinen Schmerzensschrei unterdrückte er.

       Björn rief ihm zu: „Bring beim nächsten Mal gefälligst mehr für uns mit! Verstanden! Sonst verhauen wir dich.“

       Dann liefen die beiden jungen Räuber lachend weg.

      Benommen richtete sich Thiemo auf und schaute sich um. Von Björn und Bea war nichts mehr zu sehen. Dörte lag einige Meter entfernt auf dem Boden und krümmte sich. Thiemo ging zu ihr und half ihr aufzustehen. Sie hielt sich den Bauch und atmete mehrfach tief durch. Tränen liefen über ihre Wangen.

       Thiemo fragte: „Bist du verletzt?“

       Bleich vor Schreck antwortete sie schwer atmend: „Nein, glaub nicht. Es geht schon.“

       Allmählich ging es ihr besser und sie sammelte sich.

       Dann schrie sie verzweifelt: „So ein Mist! Meine Schuhe! Meine Schuhe sind weg.“

       Thiemo war ebenfalls wütend über seinen Verlust und entgegnete: „Sei froh, dass es nur Schuhe sind. Sie haben mein gesamtes Taschengeld für diese Woche gestohlen.“

       Zornig sagte das Mädchen: „Du kannst ohne Geld laufen, aber wie soll ich ohne Schuhe nach Hause gehen?“

      Thiemo holte Beas alte Schuhe aus dem Gebüsch und stellte sie vor Dörtes Füßen ab.

       Dazu sagte er: „Du kannst ja die hier anziehen.“

       Voller Ekel schüttelte sich Dörte: „Igitt, diese alten Dinger zieh ich nie im Leben an. Dann gehe ich lieber den ganzen Weg barfuss.“

       Sie zog sich ihre kurzen Sneakersocken aus, die selbstverständlich ebenfalls rosafarben waren, und stopfte sie in ihre Rocktaschen.

       Thiemo schaute sich Beas Schuhe an und meinte: „Wenn ich so alte und ausgetretene Schuhe hätte, dann würde ich mir auch neue klauen.“

       „Jetzt nimm die beiden nicht auch noch in Schutz“, schnaubte Dörte vor Wut. „Es ist schlimm genug, was sie gemacht haben.“

       Thiemo erwiderte: „Ich nehme sie doch nicht in Schutz. Immerhin haben die beiden mich arm gemacht. Mein Taschengeld ist weg.“

       Dörte knurrte: „Sei lieber froh, immerhin bekommst du regelmäßig Taschengeld.“

      Eine Weile überlegte Thiemo, dann fragte er: „Was meinten die beiden mit Reichensöhnchen? Meine Eltern haben doch gar nicht so viel Geld. Die Eltern von Laetitia und Felicitas die sind richtig reich.“

       Dörte schaute ihn voller Mitleid an und antwortete: „Ihr wohnt in einer großen und schönen Wohnung, du hast ein eigenes Zimmer, bekommst regelmäßig dein Taschengeld und kannst teure Markenklamotten anziehen. Das ist viel mehr, als ich habe. Wir leben nur in einer kleinen Wohnung und ich muss mir mit meinem jüngeren Bruder ein Zimmer teilen. Taschengeld gibt es für mich auch nur, wenn am Monatsende vom Haushaltsgeld etwas übrig bleibt und das ist selten genug. Meine Sachen muss ich im Billigmarkt kaufen. Die beiden, die uns überfallen haben, bekommen vermutlich noch viel weniger.“

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