Bittere Wahrheit…. Inge Elsing-Fitzinger

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Bittere Wahrheit… - Inge Elsing-Fitzinger

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war sie damals vor vier Jahren nach Paris gefahren, hatte eher zufällig von dem Osterfest bei den Montinacs auf Schloss Vallouchon erfahren. Als Aushilfsküchenhilfe war sie ohne Probleme eingestellt worden, brauchte nur mehr zu warten, bis die Gäste eintrafen. Dann hatte sie ihre leibliche Mutter zum ersten Mal gesehen. Anfänglich von ihrem entzückenden Äußeren begeistert, konnte sie kaum an sich halten sich ihr zu nähern. Doch schon nach kürzester Zeit erkannte sie, dass diese Frau mit ihren glorifizierten Vorstellungen soviel gemeinsam hatte, wie ein Riesenkrake mit einem Schoßhündchen. Marie-Louise war der Inbegriff eines männermordenden Ungeheuers. Ihr Ehemann hingegen war reizend, charmant und mehr als zuvorkommend. Er schien Höllenqualen zu leiden neben diesem zauberhaften, zierlichen Vamp, der Männer jeder Altersklasse zum Frühstück, zum Mittagmahl und zum Abendessen verschlang, wie luftiges Parfait. Isabelle hatte Mitleid mit dem liebenswürdigen, geduldigen Mann, wenngleich sie ihn für einen ziemlichen Waschlappen hielt, der eigentlich überhaupt keine Gnade verdiente. Die sogenannte Mutter hatte sie bereits nach den ersten vierundzwanzig Stunden wieder seelisch entsorgt. Doch Alain wollte sie unbedingt näher kennen lernen. Womöglich war er ihr Vater, oder wusste zumindest irgendetwas, was ihr auf die Sprünge helfen konnte. Denn medizinisch gesehen war es nun einmal eindeutig. Sie wurde gezeugt, von wem auch immer. Eine unangefochtene Tatsache.

      „Was macht diese Person in meinem Haus! Kannst du mir das erklären!“ Um elf Uhr morgens, am Dienstag nach Ostern, war Marie-Louise damals plötzlich mitten im Wohnzimmer gestanden, hatte Alain mit funkelnden Augen angekeift.

      „Du hast dich ja schnell getröstet, mein teurer Gatte. Nimmst dir ein junges Flittchen ins Haus, während ich mich vor meinen Freunden bemühe, eine plausible Ausrede für dein brüskierendes Verschwinden zu konstruieren!“

      Isabelle, in Marie- Louises Morgenmantel gehüllt, etwas strubbelig, doch bestens gelaunt, hatte Mühe das Tablett mit dem Frühstückskaffee nicht fallen zu lassen. Alain stand völlig hilflos da. Vergeblich versuchte er den aufgebrachten Wortschwall seiner Gattin zu unterbrechen. Ein aussichtloses Unterfangen. Madame stob wie eine Furie durch das Haus. Für sie war die Situation völlig eindeutig. Sie riss einige Koffer aus dem Garderobenschrank, kippte etwa fünf Dutzend Schuhe vor sich auf den Boden, fegte in die obere Etage, schmetterte eine Gemeinheit nach der anderen durch die weitläufigen Räume.

      Isabelle hatte die Szene damals beinahe belustigend gefunden. Als Marie Louise mit einem riesigen Berg Klamotten die breite Treppe wieder heruntertorkelte, stellte sie sich ihr in den Weg.

      „Madame, nur einen Augenblick. Bitte.“ Ein vernichtender Blick stampfte sie in den Boden, doch Isabelle sprach laut und deutlich weiter.

      „Madame, ich bin Isabelle Steiner aus Wien. Vielleicht erinnern sie sich an diesen Namen. Ich bin ihre Tochter!“

      Marie ließ den Wust Kleider fallen. Leichenblass stand sie einen Moment lang fassungslos, vor der jungen Frau. Alain war ebenfalls weiß im Gesicht geworden. Plötzlich lachte Marie- Louise hysterisch auf.

      „Sind sie ja völlig verrückt. Was fällt ihnen ein, eine solche Behauptung aufzustellen. Verschwinden sie augenblicklich aus meinem Gesichtskreis, oder ich rufe die Polizei.“

      Isabelles Lächeln blieb sphinxenhaft. „Sie glauben tatsächlich dies ist die Lösung ihres Problems. Ich habe es schwarz auf weiß!“ Isabelle hielt den Briefumschlag mit dem aufgebrochenen Siegel in die Luft. Marie- Louise stürzte sich wie von Sinnen auf das Mädchen, versuchte ihr den Brief aus den Händen zu reißen. Jetzt hatte sich auch Alain wieder gefangen. Vehement drängte er sich zwischen die beiden Frauen.

      „Kann mir vielleicht jemand erklären, was das alles zu bedeuten hat?“

      Marie-Louise ließ sich schluchzend auf den Teppich fallen. Sie spielte die Leidende, Missverstandene, Betrogene, mit perfekter Überzeugungskraft. Isabelle lief ins Gästezimmer. Wenig später stand sie, bepackt mit ihren wenigen Habseligkeiten, wieder im Raum.

      „Ich habe mich sehr gefreut Alain, dich kennen gelernt zu haben und danke dir auch von ganzem Herzen für deine Liebenswürdigkeit.“ Marie Louise bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. Besser keine Mutter als eine solche, überlegte sie resigniert, nahm ihren Regenmantel vom Kleiderständer und öffnete die Eingangstür.

      „Warte Isabelle, ich bringe dich.“ Wenig später verließen beide in Alains Wagen das Haus. Er hatte eine ganze Weile gebraucht, die Sprache wieder zu finden. Schließlich hielt er vor einem Café, lud Isabelle zu einem ausgiebigen Déjeuner ein.

      „Was machen wir jetzt mit dir?“, fragte er etwas zögerlich. „Du hattest doch die Absicht in Paris zu bleiben? Nach diesem Vorfall hast du vermutlich deine Pläne geändert?“

      „Allerdings!“, meinte diese stockend. „Schade, ich hatte mir alles so schön ausgemalt.“ Richtig betrübt klang ihre Stimme. Aufsteigende Tränen füllten die wunderschönen Augen.

      „Du solltest aber dennoch nichts übereilen. Nimm dir ein Zimmer, und bleibe wenigstens noch ein paar Tage in der Stadt. Wir könnten uns dann wieder sehen, alles weitere in Ruhe überlegen.“

      Alain hatte seine Hand auf die ihre gelegt, drückte sie liebvoll, tröstend. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

      „Du bist ein feiner Kerl, Alain. Ich bin wirklich froh, dich kennen gelernt zu haben. Aber du hast ja Marie-Louises Reaktion selbst miterlebt. Sie mag mich nicht. Ich passe absolut nicht in ihre Lebensplanung. Aufdrängen will ich mich bestimmt nicht.“

      „Was hat dich denn gerade jetzt bewogen, deine leibliche Mutter zu suchen?“

      Stundenlang hatte Isabelle von ihren liebenswerten Eltern erzählt, von deren tragischem Tod, von ihren Plänen, Ärztin zu werden. Alain hatte still dagesessen, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen.

      „Wenn du willst, tauschen wir Adressen und Telefonnummern aus. Wir könnten ja in Kontakt bleiben. Ich werde dir von meinen Erfolgen auf der Uni berichten, du erzählst mir den neusten Tratsch von Paris. So habe ich wenigsten einen guten Freund, dem ich mein Herz ausschütten kann wenn es Not tut.“ Jetzt lachte sie wieder. Gleich darauf zückte sie den Kuli.

      Alain überreichte seine Visitenkarte und nahm ihr das Versprechen ab, wann immer sie etwas brauchte, sich unbedingt und ohne Scheu an ihn zu wenden.

      „Ich bin zwar mit Sicherheit nicht dein Vater, meine liebe Isabelle. Ein solches Prachtstück hätte ich bestimmt nie fertig gebracht. Aber ich will dein bester Freund sein, wenn du es akzeptierst.“

      Etwas verlegen fügte er noch hinzu. „Entschuldige, aber brauchst du vielleicht Geld? Kann ich dir wenigstens diesbezüglich behilflich sein?“

      „Willst du mich etwa für meine Hostessendienste während der Ostertage bezahlen“, scherzte sie lachend. „Nein Alain. Ich habe ausreichen Geld zur Verfügung. Meine Eltern waren sehr wohlhabend. Papa hat eine immense Lebensversicherung abgeschlossen, die, da meine Mutter ebenfalls tot ist, mir zugute kommt. Für mein leibliches Wohl ist also bestens gesorgt. Nur mit dem seelischen werde ich noch eine Weile lang Probleme haben. Aber ich schaffe das, glaub mir. Ich stürze mich mit ganzer Kraft in mein Studium, dann habe ich bestimmt keine Zeit mehr nachzugrübeln. Das Leben geht weiter. Mein großes Ziel, du weißt ja.“ Sie hatte sich enthusiastisch erhoben. Plötzlich schien sie es eilig zu haben.

      „Könntest du mich noch zum Flughafen bringen. Ich möchte eigentlich gerne so rasch wie möglich wieder nach Hause.“

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