Bittere Wahrheit…. Inge Elsing-Fitzinger
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„Das ist nun wirklich kein Thema. In Maries Kleiderschrank findest du bestimmt das passende Kleid, auf der Frisierkommode und im Bad den Rest. Alles was eine Frau begehrenswert und noch hübscher macht. Irrsinnige Gedanken brausten durch mein aufgewühltes Innenleben.
Du hast bestimmt schon von Menschen gehört, die nur kurz mal um die Ecke gingen, um Zigaretten zu kaufen, und niemals wieder kamen. Im Augenblick dachte ich ehrlich daran, mich diesen Aussteigern anzuschließen. Ich hatte mein altes Leben so richtig satt. Ich sehnte mich nach einem neuen, das ich augenblicklich beginnen wollte, in der nächsten Minute. Noch war es keine fixe Idee, aber ungemein bedenkenswert. Wo waren meine Leitsterne geblieben? Meine Anständigkeit, mein Pflichtbewusstsein? Welch hohe Ideale hatte ich in der Jugend. Was wollte ich doch alles erreichen. Mit meiner ganzen Kraft, meiner Intelligenz wollte ich Bernard nacheifern, ihn nie enttäuschen. Hirnrissig, sich in solche Fantasien zu flüchten. Bernard, ein sechzigjähriger Mann, immer noch mit dem gleichen unbesiegbaren Charme ausgezeichnet, der ein Gutteil seines Berufserfolges war. Bernard, der mir blind vertraute, auf mich baute. Plötzlich schämte ich mich. Rasch stürzte ich ein Glas Rotwein in mich hinein. Unsinn, solche Gedanken überhaupt zu spinnen.
Ich wollte Isabelle ins RITZ führen. Wenn schon, dann perfekt.
Übermütig eilte sie ohne besondere Erklärungen ins Ankleidezimmer meiner Frau. Nach überraschend kurzer Zeit stand sie wieder vor mir. Sie hatte ein schlichtes Kleid aus schwarz-silbernem Lamee gewählt, das ihre reizende Figur perfekt zur Geltung brachte. Ich wusste gar nicht, dass Marie solch dezente Garderobe besaß. Etwas Rouge. Zarte Lidschatten. Die Wimpern brauchte sie erst gar nicht zu tuschen. Noch nie hatte ich so lange und dichte Naturwimpern gesehen. Sogar ihr strubbeliges Haar war auf wundersame Weise in eine akzeptable Form gelegt. Hinreißend präsentierte sie sich mir, drehte und wirbelte auf hochhakigen Nappaschlüpfern um die eigene Achse. Ich war sprachlos.
„Komm schon, Alain, ich bin am Verhungern!“
Es war vor etwa drei Monaten.
Stundenlang saßen Bernard und Alain schon beisammen. Ein Wochenende, das ausführlichen, geschäftlichen Gesprächen gewidmet wurde, welches Marie, wie meist in letzter Zeit, ihren ausschweifenden Vergnügungen widmete. Keine Telefonate, keine lästigen Zwischenmeldungen, keine Hiobsbotschaften. Es wurden einige Gläser erlesenen Whiskys geschlürft, der nur Bernards besten Freunden vorbehalten blieb. Alains Kopf umnebelte sich. Alles um ihn herum begann sich zu drehen. Das Zimmer, die Papierbögen auf dem Tisch, die Blumenstöcke, die Bilder. Langsam, dann immer schneller. Reichlich verwirrend rauschten Bernards komplizierte Gedankenflüge an ihm vorüber. Er ließ sich bewusst voll laufen, in letzter Zeit immer häufiger.
Heimlich hoffte der väterliche Freund, der Junge würde ihm sein Herz ausschütten. Vieles in seiner Ehe war nicht in Ordnung, das spürte er. Sein untrüglicher Instinkt täuschte ihn nicht. Doch bisher schwieg sein geliebter Schützling beharrlich. Der strahlende Sonnenhimmel hatte sich verzogen. Dicke Wolken versetzten den Raum in diffuses Dämmerlicht.
„Die ideale Spiegelung meines verpfuschten Innenlebens“, lallte Alain kaum verständlich. Schwere Tropfen klatschten an die riesigen Fenster. Dröhnen an den Scheiben. Dröhnen in seinem Kopf. Diesen trostlosen Zustand verspürte er immer öfter, und immer seltener konnte er dagegen ankämpfen. Hatte er genug Alkohol intus, entschlummerte er meist schlagartig. Keine quälenden Gedanken mehr, die ihn im Wachzustand zermürbend folterten.
„Ich habe das eigentliche Ziel völlig aus den Augen verloren“, lallte er kaum verständlich. „An alledem ist nur dieses verrückte Weib schuld, das mich andauernd managt, mir vorschreibt wohin ich zu gehen habe, mit wem ich mich treffen muss, was ich tun soll. Die Tragik daran ist, dass dieses Biest verdammt wichtige Leute kennt, und diese Treffen meist auch noch ein positives Ende finden.“ Ein Hilfeschrei aus tiefster Seele. Nicht selbst diese Verbindungen angeleiert zu haben, zermürbte ihn. Marie bestimmte stets mit wem er verhandeln sollte. Marie, dieses noch immer abgöttisch geliebte Ekel.
„Ich bin verzweifelt und glücklich, traurig und froh“, stöhnte er triefend vor Selbstmitleid. Bernard ließ ihn reden. Fetzen, bruchstückhafte Wahrheiten würden hoffentlich ans Licht kommen, eine Hilfestellung endlich möglich machen.
„All diese Gedanken verfolgen mich in meinen schlimmsten Wachträumen. Ich fühle mich grenzenlos gleichmütig, gleichzeitig maßlos erregt. Ich fühle das Fieber, die angespannte Hoffnungslosigkeit. Die Leidenschaft eines Glückspielers, der weiß, dass er verlieren muss, und nicht die Kraft besitzt, rechtzeitig aufzuhören. Von Zeit zu Zeit bleibt mein Herz fast stehen, doch ich reagiere völlig unkontrolliert unter einem unerklärbaren Zwang, einem riesigen Hass auf mich selbst.“ Seine Stimme bekam einen weinerlichen Klang.
„Ich habe das Gefühl, meine Liebe zu Marie-Louise ist nur mehr eine Sehnsucht nach dem Paradies, in dem wir einst alle Hochgenüsse auskosten durften. Aus welchem man uns zwar nicht vertrieben hat, aus dem wir aber selbst geflohen sind. Meine himmelstürmenden Vorstellungen vom Glück. Ein Fiasko. Eine erbärmliche Niederlage. Sie geht über Leichen. Womöglich sogar über meine.“
Alains Glas war zum x-ten Mal leer getrunken. Trotzdem schenkte er sich wieder nach. Nach Hause wollte er nicht. Bernard machte keinen Versuch, ihn an seinem Besäufnis zu hindern. Leise Musik von Col Porter klang durch den Raum. Alain summte unverschämt falsch mit. Irgendwann schlief er schlagartig ein.
Als er erwachte strahlte ihm der Mond mitten ins Gesicht. Zahllose Sterne standen am schwarzen Firmament. Seine Füße waren steif, sein Rücken schmerzte. In seinem Schädel rumorten schlagende Wetter. Leicht schwankend kroch er unter die kalte Dusche. Bernard lag verkrümmt in seinem Fauteuil. Die Brille baumelte absturzbereit am offenen Hemdkragen.
„Blödmann“, grunzte Alain halblaut, „charakterloser Versager ohne Disziplin und Verantwortung. Nicht einmal dir selbst gegenüber.“
Sein Lachen klang süffisant. „Kaum musst du dich vor deiner Frau behaupten, wirst du zum unterwürfigen Zwerg, der es nicht wagt seine Meinung zu äußern. Du bist ein ausgewachsener Depp, mon cher ami.“ Gierig griff er nach einem halbvollen Glas „Merde, schmeckt das schale Zeug ekelhaft.“
Alain spie die gelbe Flüssigkeit auf den schönen Teppich, den Bernard wie seinen Augapfel hütete. Griechische Handarbeit aus vergangenen Tagen. Ein Erinnerungsstück, über dessen Herkunft er sich beharrlich ausschwieg.
„Dann eben nicht“, säuselte Alain vor sich hin, „soll er doch sein Geheimnis haben. Er steuerte auf den großen Fensterflügel zu, riss ihn weit auf. Ernüchternde Kühle traf seinen erhitzen Körper.
„Eine herrliche Stadt, die ich mir da ausgesucht habe!“ Ergriffenheit übermannte ihn. In der Ferne Stufen, die in den Himmel zu führen schienen. Darüber ein im Dunst schwebender Sakralbau aus weißem Stein. Die Silhouette von Sacre Coeur. Verspielte Kuppeln und Türmchen, Bäume rundum. Wie oft war er dort hinaufgerannt, wenn sein Herz zu schwer wurde. In letzter Zeit immer öfter. Eine Stadt pulsierenden Lebens, mit allem Schönen und Hässlichen, allem Guten und Bösen, bei Licht und im Dunkeln. Er hatte unendlich viele Erfahrungen gemacht, hatte mit Menschen verschiedenster Nationen diskutiert, ihre Charaktere studiert, wurde ein tüchtiger, gewiefter Geschäftsmann.
„Bei Gott, ich habe mir ehrlich Mühe gegeben. Und was ist jetzt aus mir geworden? Ein abhängiges, willenloses Kind, das ängstlich nach der schützenden Hand des Vaters greift.“ Kindheit ist das, was du für den Rest deines Lebens zu überwinden versuchst, hatte Bernard einmal zu ihm gesagt. Würde er es jemals schaffen?
„Ich brauche