Elbland. Elmar Zinke

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Elbland - Elmar Zinke

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      „Gehen wir in die Küche und regeln die Angelegenheit“, sagte Schulze unterwegs ohne jede Zurechtweisung.

      „Wer ist dieser fremde Mann, der mit Euch über den Hof lief?“, empfing Grete die Männer zurückhaltend im menschenvollen Raum.

      „Darüber wird zu reden sein“, sagte Schulze gelassen. „Vorerst bitte ich um eine heiße Tasse Milch.“

      Schulze schlürfte vom eilig Herbeigebrachten einige Schlucke, in seinen Augen wuchs ein Lächeln.

      „Egon, besser ich regle die Angelegenheit mit Deiner Frau.“

      „Ich bleibe hier“, begehrte Egon Wagner auf.

      In Schulzes Haltung lag nichts Bedrohliches, als er entgegnete: „Egon, Wiederholungen treffen nicht meinen Geschmack. Aber in der Einzelfallregelung drückt der Gehobene im Menschengeschlecht sein wahres Wesen aus. Also noch einmal in gebotener Klarheit für alle. Alle außer Grete räumen postwendend den Raum. Sonst erschieße ich auf der Stelle Egon Wagner wegen Hochverrats.“

      Siegfried Wagner humpelte angsterfüllt los, seine Blicke drängten Lisbeth zum sofortigen Hinterherlaufen. Egon Wagner verharrte in Reglosigkeit, in unaufhörlicher Wechselseitigkeit sammelte er die stummen Worte von Grete und Schulze ein. Mehr noch als Schulzes Augen forderten jene von Grete ihn zur lebensechten Einschätzung des Kräfteverhältnisses auf. Egon Wagner beugte sich auch seinen Selbstvorwürfen, Lisbeth schloss sich ihm an. Aufreizend wackelte ihr Hintern, mit ihrer Sturzeinlage auf der Türschwelle rechnete niemand.

      Das Alleinsein mit Grete bedachte Schulze ohne ein sichtbares Überlegenheitsgefühl. Er setzte sich geradezu scheu, drehte die Milchtasse mit dem Henkel zu Grete, die ihn abwartend ansah.

      „Das Amt bürdet mir die Pflicht auf, Deinen Mann standrechtlich zu erschießen“, erklang seine Stimme wie gedrückt. „Im Grunde gehört jedem von Euch eine Kugel aus meiner Pistole, da ein Feind der deutschen Volksgemeinschaft bei Euch Unterschlupf fand. Tue ich es nicht, bin ich eine Drecksau, wie Ihr es seid. Verdiene auch ich eine Kugel. Was aber vermag die Festung eines jeden treuen deutschen Volksgenossen, die unabdingbare Pflichterfüllung, zu stürmen? In Schutt und Asche zu legen? Es ist die Liebe, wunderschöne Grete. In meinem Falle Deine Liebe zu mir. Lass Dir gesagt sein, in Deiner Gegenwart überfallen mich betörende Wonneschauder. Diese auszukosten in reizvoller Abfolge, macht alles andere vergessen. Sogar, was rede ich, den Treueschwur auf den Führer. Im Klartext heißt das, zwei wertvolle Menschen besiegeln einen Pakt von Liebe oder Tod. Vollbringe ein jeder von uns sein Opfer für die Liebe und das Leben.“

      Grete wahrte im Schweigen ihre aufrechte Körperhaltung, mit gefalteten Händen und ohne Furchtmerkmale näherte sie sich ihrer Antwort: „Zu Befehl, Herr Ortsgruppenführer.“

      Kapitel 2

      Doktor Anton Wagner vermisste auf dem Weg zur Arbeit außer seinem neuen Freund nichts auf der Welt. Das halbfertige Stillleben eines Supermarktes und eine Ansammlung niedriger Gebäude prägten den Friedrichweg, ab hier strolchte seit mehreren Wochen ein augenscheinlich herrenloser Hund um den Historiker, spätestens nach der Einmündung in die Wismerkgasse stellte der Vierbeiner ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Wiedersehensfreude unter Beweis. Wagner taufte das Tier Otto, zuweilen kantete die Kreuzung zwischen Border Collie und Retriever nach der Namensnennung treuherzig die Ohren ab. Otto leistete unterschiedlichen Verhaltensanweisungen Folge und Wagner dachte, ich liege richtig im Glauben. Der Hund schenkt dem Namen Gehör.

      Im zunehmenden Unwohlsein, dass eine Menschenhand dem Tier leidvolles zufügte, senkte Wagner an diesem Montag sein Schrittmaß. Vergebens pfiff er lautstark, mit leiser, gedehnter Stimme rief er den Hund beim Namen. Im Kommandoton, mit Dehnungen und deutlicher Silbentrennung und zumeist gekoppelt mit Rundumblicken wiederholte er die Rufaktion.

      Die Einsicht gegenwärtiger Erfolgsarmut und der beständige Glaube an das Halbsoschlimme leiteten den Mittvierziger zur Fleischerei Wohlfahrt, die sich an der Ecke zur Zufahrtsstraße Altes Dorf seit Anbruch der neuen Zeit wacker im Überlebenskampf schlug. Der kupferne Pferdekopf und die Jahreszahl Neunzehnhundertvierundzwanzig über der Eingangstür wiesen auf Gründungsgedanken und das bevorstehende hundertjährige Jubiläum des Geschäftes hin, ein Werbeaufsteller vor dem Schaufenster pries die Sonderangebote des Tages. Gonglaute verkündeten Wagners Eintritt in den kundenleeren Laden.

      „Guten Morgen, Herr Doktor“, begrüßte ihn Hartmut Wohlfahrt im blitzsauberen Fleischerhemd hinter der Theke. „Wie immer?“

      „Bedaure, heute nur für mich eine Bockwurst.“

      Wohlfahrt krümmte den gedrungenen Körper, bis sich eine Sichtachse zu Wagners Füßen einstellte.

      „Lief Ihnen Otto schon wieder weg?“

      „Ich hoffe nicht“, drückte Wagner seine Kümmernis mit Zuversicht aus.

      Wohlfahrt wickelte die Rindsbockwurst in knisterndes Papier, tütete sie werbeneutral ein, zögerte das Kommende etwas hinaus: „Heute Nacht pisste jemand gegen die Ladentür. Das war nicht Ihr Kumpan. Das waren die Hunde aus dem Asylantenheim, die sich hier Tag und Nacht herumtreiben. Der kürzeste Weg vom Domplatz zum Nachtlager geht leider Gottes geradewegs bei mir vorbei.“

      „Wenn Otto der Schuldige ist“, beeilte sich Wagner zu sagen, „trage ich selbstverständlich die Unkosten der Reinigung“.

      Wohlfahrt lächelte gezwungen: „Dieser Tage trat ich frühmorgens beinahe in einen Scheißhaufen. Den drückte unter Garantie der Arsch eines Zweibeiners auf den Bürgersteig.“

      Wagner schwieg im Unwohlen, Wohlfahrt versteifte sich auf eine Mutmaßung: „Der Haufen und heute Nacht die Pisse, das kommt nicht von ungefähr, Herr Doktor. Damit drücken die Asylanten ihre wahre Gesinnung aus. Sie scheißen und schiffen auf uns Deutsche.“

      Wagner wiegte in gleichbleibender Gemütslage den Kopf, vollstreckte seine Meinung: „Die Worte, die Worte, Herr Wohlfahrt“.

      Wohlfahrt wandte sich allerlei Handgriffen zu, Wagners Augen schweiften zum Blickfang des pieksauberen und halbhoch weiß gefliesten Ladens ab. Oberhalb gerahmter Meisterurkunden hing ein Zaum aus dunklem Leder, den helle Karius-muscheln belegten. Wohlfahrt fertigte ihn in aufwändiger Handarbeit nach historischem Vorbild und in Teamarbeit mit seiner Tochter Janine. Mit ihrer Ausbildung als Gärtnerin fand sie keine Arbeit, ab dem späten Vormittag machte sie sich im Geschäft der Eltern nützlich. Nach Dienstschluss kaufte Wagner im Geschäft mehrmals pro Woche vier Wurstscheiben in ewiggleicher Sortenwahl als Abendbrot, zu diesem Zeitpunkt bediente die junge Frau allein im Laden. In Wagners Gegenwart errötete das kluge und hilflose Gesicht vor schamhafter Verliebtheit, bislang gab kein Wort ihre Gefühlslage preis.

      Wagners ausgestreckte Hand wies zur Irrtumsvorbeuge auf den Wandbehang, er lobte: „Wie schön“.

      Wohlfahrts Gesicht durcheilte eine Verwandlung ins Hochgestimmte: „Das Halfter im Original trugen seinerzeit die Pferde der Offiziere im zweiten Leibhusarenregiment Königin Victoria von Preußen“.

      Wagner kannte die Geschichte aus dem Effeff, nickte wohlgefällig, fragte mit ernsthaftem Interesse: „Wie viele Mitglieder zählt inzwischen ihr Traditionsverband?“

      „Zweiundsechzig, aber…“

      Wagners Augen weiteten sich in Gemeinschaft eines milden Lächelns: „Aber?“

      Wohlfahrt überreichte Wagner

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