Wolfskinder. Klaus Melcher

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Wolfskinder - Klaus Melcher

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einmal.

       Und sie wusste noch nichts.

      „Erinnerst du dich noch an einen Buchholz?“

      Carmen sah ihn verständnislos an.

       Nein, einen Buchholz kannte sie nicht. Wie kam Jose auf diesen Namen?

      „Du hast ihm vor drei Jahren in die Hand gebissen, weißt du das nicht mehr?“

      Jetzt, wo er es sagte, erinnerte sie sich.

       Natürlich, damals hatte er sie aufgegriffen, wie er sagte. War unter dem Ernst-August-Denkmal. Da hatte sie mit einigen anderen Jugendlichen gesessen. Sie hatten nichts gemacht, niemanden gestört, niemanden angeschnorrt, nur etwas geraucht und getrunken, keine harten Sachen, meistens nur Wasser. Und da war der gekommen. Schon von weitem sahen sie ihn und wussten, es würde Ärger geben. Und auf einmal waren sie von Polizisten umringt. Von wo die alle her kamen, wusste keiner, so schnell war das gegangen.

       Dann folgte die übliche Zeremonie: Ausweiskontrolle! Murren und Schimpfen! Die Ausweise bitte! Die ersten wurden zu einem Mannschaftswagen geführt. Dann kam sie an die Reihe. Ein eklig grinsendes geiles Gesicht verlangte ihren Ausweis zu sehen. Als der Typ sie anpackte, hatte sie ihm in die Hand gebissen, nicht nur so ein bisschen, sondern tüchtig, hat sogar geblutet. Und geschrien hat der Typ. Wie am Spieß. Hat sie dann mit aufs Amt genommen und sie schließlich zu ihren Eltern bringen lassen.

       Ihr Vater hatte sie dann halbtot geschlagen, besoffen wie der war.

       Und was war jetzt mit ihm?

      „Ich war heute bei ihm. Er hatte mich gerufen, weil er etwas für einen Bericht brauchte, den er am Wochenende abgeben muss.“

      Carmen verstand nicht.

       Ihr Jose arbeitete mit dem grässlichen Buchholz zusammen?

      „Setz dich“, bat er und schob sie behutsam in das Sofa und setzte sich zu ihr.

      „Du hast mich nie gefragt, was ich mache, beruflich meine ich. Und ich war dankbar dafür, denn ich hätte dich vielleicht verloren, wenn du es erfahren hättest.“

      Er machte eine Pause.

       Was würde sie erfahren?

      Es rauschte in ihren Ohren, das Blut hämmerte, der Atem flog. Carmen fühlte sich, als würde sie gleich zusammenbrechen.

      „Ich bin – bei der ‚Treppe’.“

       Jetzt war es raus, endlich. Aber wie gerne hätte er ohne dieses Geständnis gelebt!

      Carmen blickte zu ihm auf, ungläubig, fassungslos.

       Der Mann, den sie liebte, der ihr Tage geschenkt hatte, wie sie sie noch nie erlebt hatte, der nichts von ihr gefordert hatte und doch alles bekommen hätte, freiwillig, weil sie es geben wollte, weil sie ihn begehrte, der war auf einmal ihr Feind!

      Heiko wollte ihre Hand fassen, sie zog sie ruckartig zurück. Ganz steif saß sie da, sah irgendwohin, sagte keinen Ton. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.

      Heiko griff noch einmal nach ihrer Hand. Sie überließ sie ihm, als wäre sie zu schwach, sie ihm wieder zu entziehen.

      Und dann rannen ihr Tränen über die Wangen, mehr und mehr, unaufhaltsam, ein Sturzbach von Tränen.

      Wie gelähmt saß sie da, unfähig, die Tränen aufzuhalten oder zu trocknen, wurde immer wieder geschüttelt.

      Es war schlimmer, als Heiko befürchtet hatte. Hätte sie ihn geschlagen oder gebissen, hätte sie ihn beschimpft, auch wenn sie die Wohnung verlassen hätte, er hätte es verkraftet. Es wäre eine natürliche, verständliche Reaktion gewesen, und er hätte ihr begegnen können.

      Aber das hier?

       Er hatte sie nicht angelogen, hatte sie nicht betrogen, hatte nicht ihren Stolz verletzt. All das hatte er nicht getan.

       Aber was viel schlimmer war, er hatte sie vernichtet.

      Carmen erwachte aus ihrer Erstarrung, drehte Heiko das Gesicht zu und sah ihn mit verquollenen Augen an.

      „Warum?“, brach es aus ihr heraus, und endlich klopfte sie mit ihren kleinen Fäusten gegen seine Brust, immer wieder, bis sie müde war und mit ihrem Kopf an seine Brust sank.

      „Warum?“, flüsterte sie noch einmal, „warum hast du das gemacht?“

      Ganz behutsam streichelte Heiko ihren Kopf, hielt ihren bebenden Körper, bis sie ganz, ganz langsam zur Ruhe gekommen war.

      Erst als er ihren ruhigen Atem hörte, löste er ihren Kopf von seiner Brust, hielt ihn vorsichtig wie etwas sehr Zerbrechliches mit beiden Händen, betrachtete ihn lange und trocknete ihre Tränen mit seinen Lippen.

      „Ich liebe dich“, flüsterte er.

      „Aber warum dann?“

      „Weil ich dich liebe, nur darum!“

      „Weil du mich liebst, tötest du mich?“

      Das klang reichlich kitschig, vor allem aus dem Mund einer Sechzehnjährigen, aber es entsprach der Wahrheit, daran gab es für Heiko keinen Zweifel. Auch für ihn würde es Höllenqualen bedeuten, wenn er sich von Carmen trennen müsste. Freiwillig, das stand jetzt fest, würde er es nicht tun. Er würde sie beschützen, mit allen Konsequenzen, wenn es sein müsste, den ernstesten.

      Wieder schossen ihr Tränen in die Augen, die Carmen sich gar nicht bemühte zurückzuhalten. Sie suchte ihr Taschentuch, fand es nicht, wollte die Tränen mit dem Handrücken fortwischen und verteilte sie im ganzen Gesicht, zog die Nase hoch und sah Heiko bittend an.

      „Hast du mal ein Taschentuch?“

      Nachdem sie sich geschnäuzt hatte, stand sie auf, immer noch ein armes, gebeugtes Häuflein Elend, und ging ins Bad.

      Heiko überlegte.

       Was er jetzt und den nächsten Minuten, vielleicht der nächsten Stunde tat, würde alles entscheiden. Er konnte Carmens Vertrauen wieder gewinnen, er konnte sie behalten, aber er konnte sie auch verlieren und zerbrechen. Jetzt das Richtige machen! Wie würde sie reagieren auf all das, was er ihr sagen müsste?

       Und etwas viel Einfacheres: Er hatte Durst und ganz sicher auch sie; aber wie würde sie reagieren, wenn er eine Flasche Wein und zwei Gläser holte? Würde sie ihn für herzlos halten, oberflächlich, egoistisch? Und wenn er hier sitzen bliebe, während sie im Bad hantierte, würde sie ihm vielleicht Gleichgültig vorwerfen.

       Forderte die Situation nicht geradezu eine Flasche Versöhnungswein?

      Noch hatte sich Heiko nicht entschlossen, obgleich er bereits aufgestanden war und zum Küchenblock ging, wie von jemandem gesteuert seine beste Flasche Rotwein aus dem Schrank nahm, immer noch wie willenlos die Flasche öffnete und auf den Couchtisch stellte.

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