Wolfskinder. Klaus Melcher
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Und für Carmen war es Zeit, wieder die Freiheit zu spüren. Dann würde sich zeigen, ob sie schon gefestigt genug war.
„Du willst mich bloß loswerden!“, jammerte sie.
„Das ist doch Unsinn! Du ziehst dir was Hübsches an und gehst etwas bummeln. Und am Abend sehen wir uns sowieso wieder - wenn du dann noch willst.
Ich gebe dir einen Schlüssel mit, dann kannst du jederzeit in die Wohnung. Einverstanden?“
Widerstrebend gab sie nach, und gemeinsam verließen sie die Wohnung, gingen zur Straßenbahnhaltestelle und fuhren bis zum Hauptbahnhof.
Schon auf der Fahrt in die Stadt hatte Carmen ihren Ärger vergessen. Die Aussicht, sich etwas Schönes kaufen zu dürfen, hatte Wunder gewirkt. Sie war ausgelassen und verliebt, drückte immer wieder Joses Hand, beugte sich zu ihm und gab ihm schnell einen Kuss.
So schön konnte das Leben sein!
Eigentlich war ihr nach Schlendern zumute. Die warme Sonne lud dazu förmlich ein. Auf einer Bank sitzen, das Treiben beobachten und ein Eis essen.
Und doch drängte es sie, möglichst schnell in die Kaufhäuser zu gehen und zwischen all den Herrlichkeiten zu wühlen, Hosen auszusuchen und anzuprobieren, zwischen den vielen Shirts zu wühlen.
Jose hatte eine ungeheure Geduld. Nichts schien ihm zu viel zu sein. Auch nachdem Carmen bereits die sechste Jeans anprobiert hatte, zeigte er ihr noch eine siebente, die seiner Meinung nach besonders chic war.
Als sie endlich das Kaufhaus verlassen konnten, war er um mehr als hundert Euro ärmer und Carmen um Jeans, Shorts, Shirts und Unterwäsche reicher.
In der einen Hand hielt sie die große Einkaufstüte, mit der anderen drückte sie Joses Hand. In der Straßenbahn nahm sie die Tüte auf den Schoß, sah immer wieder hinein und strahlte.
„Nachher mache ich eine Modenschau!“
Während er sich um das Abendessen kümmerte, begann die Modenschau. Fast hätte er das Fleisch anbrennen lassen, so fasziniert war er von dem Anblick, der sich ihm bot. Immer wieder forderte Carmen ihn auf, sie anzusehen, wenn sie sich drehte, ihr zu bestätigen, dass ihre Wahl richtig gewesen war, dass niemand diese Hose so tragen konnte wie sie, diese Shorts, dieses Shirt.
„Was soll ich zum Abendessen tragen?“, fragte sie.
Jose überlegte kurz.
„Die Jeans“, antwortete er, denn er dachte, es würde am Abend vielleicht etwas kühler werden.
„Dann magst du also die Shorts nicht! Das hättest du mir gleich sagen sollen, dann hätte ich sie nicht gekauft!“
Carmen war enttäuscht. Gerade auf die hatte sie sich besonders gefreut.
Jose beeilte sich, ihr zu versichern, dass die Shorts ihr fantastisch stünden, dass niemand das Recht hätte, sie zu tragen, wenn nicht Carmen, dass sie wie für sie gemacht wären.
Und als sie noch immer nicht ganz überzeugt zu sein schien, lobte er ihre langen schlanken Beine, die in diesen knappen Höschen noch länger wirkten als sie ohnehin schon waren.
„Meinst du wirklich?“, fragte sie unschuldig, doch Jose war überzeugt, sie wusste es selbst am besten.
Und der Beweis ließ nicht lange auf sich warten.
Carmen ging in die Küchenecke, zog die Besteckschublade auf, entnahm ihr eine Schere und setzte sich an den Balkontisch.
Ohne ein Wort zu sagen, legte sie die Hose auf den Tisch und strich sie glatt. Dann begann ihre kurze Arbeit: Mit wenigen energischen Schnitten verkürzte sie die ohnehin nur angedeuteten Hosenbeine.
Müller wollte etwas sagen: „Lass das!“ oder „Was soll das?“ oder irgendetwas in der Richtung. Er kam nicht dazu, so schnell waren die Beine abgeschnitten.
Carmen schob die Schere und den abgeschnittenen Stoff zur Seite und zwängte die Shorts über ihre Hüften. Sie hielt die Luft an und zog den Bauch ein. Die Hose ließ sich nicht schließen.
„Hilf mir bitte mal!“, bat sie.
Ohne den Knopf abzureißen, hätte auch Heiko es nicht geschafft.
Carmen war verzweifelt.
„Vielleicht hättest du doch eine Nummer größer kaufen müssen. Hast du das nicht schon bei der Anprobe gemerkt? Außerdem hast du die Beine zu kurz abgeschnitten. Sieh hier, dein Slip guckt vor“, deutete Heiko an.
Carmens Gesicht hellte sich auf.
„Das ist es“, triumphierte sie, „ich darf keinen Slip tragen, der ist viel zu dick. Und dann passen die Shorts auch.“
Wie von selbst fielen die Shorts und der Slip auf den Boden, griff Carmen erneut die Shorts und zog sie über ihre Hüften. Jetzt passten sie, und der Knopf ließ sich Tatsächlich schließen.
„Siehst du? Ich wusste doch, dass sie passen!“
Carmen eilte ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Sie drehte und wendete sich, zog erfolglos an dieser und jeder Stelle. Die Hose saß stramm wie eine Pelle.
„Etwas fehlt noch.“
Carmen überlegte.
Es fehlte nichts. Noch etwas abzuschneiden, hätte bedeutet, man hätte aus dem Rest einer Hose einen Wimpel gemacht.
Aber Heiko hütete sich, das zu sagen.
„Vielleicht schneidest du noch ein paar Löcher in die Hose“, spottete er stattdessen.
Wieder hatte Carmen die Hose ausgezogen und zwei Schnitte in das Gesäß gemacht, hatte sie wieder angezogen, bevor Heiko auch nur ein Wort sagen konnte.
Schon war sie wieder im Bad, betrachtete sich im Spiegel, drehte sich, bückte sich und streckte sich.
Jetzt war sie zufrieden, geradezu beglückt. Sie kehrte zurück ins Wohnzimmer, drehte sich vor Heiko, der jetzt wieder ganz ihr Jose war und sie voller Verlangen in die Arme nahm und durch den Raum schwenkte.
Dass diese Shorts sehr gewagt waren, man könnte auch sagen: ordinär, das spielte jetzt gar keine Rolle mehr. Er sah nur dieses wunderschöne Mädchen, fühlte seinen herrlichen Körper, der sich an seinen drängte, und er wusste, er war ihm verfallen.
„Und was ziehst du oben an?“
Carmen steckte die Spitze des Zeigefingers der linken Hand in den Mund und überlegte. Einen Moment nur, dann griff sie nach einem T-Shirt, setzte sich wieder an den Balkontisch und schnitt die Vorderseite in der Mitte fast bis zum Bauchnabel auf.
Wieder probierte sie es an.