Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban
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„Tja! Was habe ich vor? Einen ruhigen Abend mit dir zu verbringen, ein Dinner bei Kerzenlicht an einem romantischen Ort ... Und es tut mir nicht im geringsten Leid, daß ich dich so unschicklich überrumpelt habe!”
„Was hat Beresford dir eigentlich ins Ohr geflüstert?”
„Ein bißchen Wahrheit, kleines Mädchen! Etwas, was ich mir vor einem Spiegel nie selbst ins Gesicht sagen würde, aber leider stimmt es!” Er sah sie mit einem Mal ernst an. „John hat mir gesagt, ich sei ein Raubritter und hätte Geschmack am Krieg gefunden!”
„John hat Recht, Arthur! Mein Vater hat mir dasselbe erklärt, an dem Tag, an dem er dir das alte Schwert geschenkt hat! Du mußt nur aufpassen, daß du eines Tages nicht wie Marlborough endest! Als John Churchill die Grenzen des Ruhmes überschritten hatte, war er für England mit einem Male so gefährlich geworden, daß die Krone ihm das Rückgrat brechen mußte, um zu überleben. Er ist als bitterer, einsamer, alter Mann gestorben, weil er nach seinen militärischen Siegen unbedingt eine politische Rolle spielen wollte. Doch die Stiefel waren zu groß für ihn und er ist gestolpert!”
„Ich kenne die Geschichte! Du brauchst in dieser Beziehung keine Angst um mich zu haben! Ich habe nicht die geringste politische Ambition. Zum Teufel, ich habe nicht einmal eine politische Überzeugung! Ich bin nur Soldat!”
„Und was wirst du tun, wenn dieser Krieg zu Ende ist?” Die junge Frau warf Lord Wellington einen zweifelnden Blick zu. Er hatte vielleicht keine politische Überzeugung, aber die Politik würde versuchen sich seiner zu bedienen. Ihr Vater hatte ihr zu oft erklärt, wie diese Mechanismen in Großbritannien funktionierten, als daß sie sich noch irgendwelche Illusionen machte.
„Wenn dieser Krieg je zu Ende gehen sollte und ich wider aller Erwartung noch lebe? Sarah, ich habe keine Ahnung! Ich war immer nur Soldat. Das ist alles, wovon ich etwas verstehe! Ich kann keine Schuhe herstellen, oder Stoffe weben, oder einen Acker bestellen! Ich bin kein Anwalt oder ein Handelsherr, oder ein Arzt, wie Du! Ich weiß nicht, was ein Soldat tut, wenn sein Krieg zu Ende ist! Vermutlich zieht er in den nächsten Krieg, an irgendeinem anderen Ort der Welt und kämpft weiter!” Sarah hatte Wellington eine Frage gestellt, über die er noch nie nachgedacht hatte. Er hatte immer in einer Welt im Krieg gelebt und darum hatte man immer Männer wie ihn gebraucht, die die wirtschaftlichen und politischen Interessen ihres Landes mit dem Schwert in der Hand durchzusetzen vermochten. Er nahm sich vor, einmal ernsthaft über dieses ‚Danach’ nachzudenken.” Laß mir ein wenig Zeit, Doktor! Ich muß mir deine Frage zuerst durch den Kopf gehenlassen! Dir haben sie an der Universität fünf Jahre lang diese Geschichte von These und Antithese beigebracht! Aber ich bin nur ein streitsüchtiger irischer Bauerntölpel, von dem keiner je großartig verlangt hat, nachzudenken! Kanonenfutter! Also, ich werd’s dir sagen, wenn ich meine eigene Antwort gefunden habe!” Er zwinkerte der jungen Frau zu. Sie war ja so klug. Immer stellte sie die richtigen Fragen im richtigen Augenblick. Vor Sarah war seine Welt eine einfache gewesen, in schwarz und weiß gemalt. Plötzlich mußte er feststellen, daß es zwischen diesen beiden Farben noch eine ganze Menge grauer Zwischentöne gab.
Lady Lennox brach in schallendes Gelächter aus: „Arthur, Arthur! Du würdest einen prächtigen Politiker abgeben! Du bist eine wandelnde Untertreibung! Und jedesmal, wenn dich einer dabei ernst nimmt, dann haust du ihm mit einer großen Keule zwischen die Augen und er muß erkennen, daß ihm ein verdammt durchtriebener Gegner gegenübersteht, mit dem gar nicht gut Kirschen essen ist!”
Das Landgasthaus tauchte vor den beiden Reitern auf: „Apropos Essen ...”, Wellington deutete auf ein Bauwerk, daß eher einer Festung, als einem Wirtshaus ähnelte, „die Küche in diesem Donjon, oder was auch immer das mal gewesen sein mag, ist ausgezeichnet! Als ich angefangen habe, die Wälle zu bauen, war dies sozusagen Fletchers und meine Kantine!”
Der Wirt begrüßte den britischen General herzlich und die beiden Männer tauschten sich eine Zeitlang auf Spanisch aus. Der Flecken war abgelegen und die Nachricht von Bussaco war noch nicht bis in die Berge vorgedrungen. Es folgte beidseitiges kräftiges Schulterklopfen. Lady Lennox hörte, wie Wellington dem Portugiesen erklärte, daß Massena jetzt vor den Wällen im Regen saß.“ Bueno, Generalissimo! Und Sie sitzen heute abend im Warmen bei Carlos da Cruz in der Mira Penha!” Der Wirt verbeugte sich tief vor Sarah und wies mit der Hand auf einen Tisch direkt am offenen Kamin: „Also, wir haben Caldo Verde, Presunto, Alheira de Mirandela, Leita und ganz frischen Borrego! Was darf ich Ihnen anbieten?”
Lady Lennox blickte ein wenig verzweifelt zu Arthur. Sie kannte sich schon leidlich gut mit der portugiesischen Speisekarte aus, doch die Spezialitäten der Berge waren für sie noch ein großes Geheimnis.
„Carlos, bringen Sie uns lieber das Lamm! Ihr Spanferkel ist etwas scharf gewürzt für verweichlichte Briten! Und einen großen Krug roten Torres Vedras. Und fragen Sie gleich Ihre Frau, ob sie uns ein Zimmer herrichtet! Wir reiten heute nicht nach Pero Negro zurück!”
Kaum hatten Sarah und Wellington mit dem Essen angefangen, füllte sich die Gaststube. Die Portugiesen wurden offensichtlich später vom Hunger geplagt als ihre britischen Verbündeten. Meist waren es Leute aus der Umgebung, die den General alle zu kennen schienen. Sie kamen zu dem kleinen Tisch am Feuer, wechselten ein paar freundliche Worte mit ihm oder umarmten den Iren nach Landessitte. Lady Lennox war nicht wenig erstaunt: „Sag, mein Lieber! Wenn du uns nicht den introvertierten, steifen, britischen Aristokraten gibst, was treibst du eigentlich?”
„Ich passe mich den Sitten und Gewohnheiten meines Kriegsschauplatzes an, genau wie in Indien! Das ist das Geheimnis jedes militärischen Erfolges! Die Leute hier; jeder hat mindestens einen Sohn bei den Partisanen oder in Beresfords Truppe. Viele haben an meinen Wällen mitgebaut. Es sind alles portugiesische Patrioten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als Bonny zu vertreiben. Nur können sie mit steifen britischen Aristokraten herzlich wenig anfangen. Denen trauen sie nicht über den Weg! Also ...” Mit einem Augenzwinkern schenkte er der jungen Frau Wein nach.
Spät am nächsten Nachmittag trafen Sarah und Wellington in Mafra ein. Sie hatten so lange bei Carlos da Cruz hoch oben in der Serra de Chypre gefaulenzt, daß es beiden gerade noch gelang, unter dem strafenden Blick von Sergeant Dunn ihre Reitkleidung gegen Abendgarderoben auszutauschen und nur wenige Minuten vor dem Ehrengast des Abends, Marschall Sir John Carr Beresford, unbemerkt von allen Geladenen in die Alte Redoute von Mafra hineinzuschleichen und sich hinter zwei Champagnerkelchen zu verstecken. Arthurs Augen wanderten über seinem Glas unruhig suchend durch den Saal. Oberst Campbell oder Major Osorio Cabral de Castro trug Beresfords Orden in einer Samtschatulle bei sich. Die Orchester des 52. britischen Regiments und der portugiesischen Garde setzten an, die portugiesische Hymne zu spielen. Zwei Soldaten im roten Rock öffneten die großen Flügeltüren zum Ballsaal der Redoute und John Beresford trat ein, bekleidet mit der spektakulären, goldverbrämten grauen Uniform eines Marschalls von Portugal, den federgeschmückten Zweispitz in der Hand. Hinter ihm konnte man sein Heer von Adjutanten und Stabsoffizieren erkennen, alle gleichfalls prächtig gekleidet.
Inzwischen hatten Wellingtons Augen Campbell ausgemacht. Der Oberst wendete glücklicherweise einen kurzen Moment lang seinen Blick von Beresford ab und hin zu seinem Kommandeur. Arthurs Lippen formten das Wort ‚Orden’ und er deutete auf seinen eigenen Bath-Orden auf der linken Brust. Campbell zeigte durch die Menschenmasse hindurch zu Don Antonio, der neben seiner Gemahlin Donna Ines auf der anderen Seite des Ballsaales stand. Lady Lennox verzog belustigt den Mund. Der Austausch von Handzeichen ging unbemerkt von den anderen Gästen weiter. Schließlich gelang es Arthur, Colin Campbell deutlich zu machen, daß er Don Antonio mit der berüchtigten Samtschatulle zu ihm schicken sollte.
„Hola,