Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Herr des Krieges Gesamtausgabe - Peter Urban страница 29
Es war die kürzeste und unblutigste militärische Konfrontation, die Lord Wellington in seinem langen Soldatenleben je erlebt hatte: Frankreichs Portugalarmee kam am 11. Oktober vor den Wällen von Torres Vedras an und war – verwundert! Nichts ging mehr, denn irgend jemand hatte ihnen teuflische Befestigungsanlagen vor die Nase gesetzt; stark, unbezwingbar und strotzend vor Kanonen. Der Prinz von Esslingen brauchte drei Tage, um sich von der Überraschung zu erholen. Am vierten Tag, die Franzosen waren entlang der Wälle mit einer großen Anzahl von Soldaten zu Aufklärungsoperationen unterwegs, schoß ein alliiertes Geschütz vom Fort 120 einen einzigen Kanonenschuß in Richtung der Adler ab, um diesen zu verstehen zu geben: „Non ultra – bis hierhin und nicht weiter!” Dieses Fort befand sich auf dem Monte Agraco, unweit von Wellingtons eigenem Hauptquartier Pero Negro. Arthur hatte den ganzen Morgen hoch oben auf dem Berg gestanden und jede Bewegung seines Gegners gespannt beobachtet. Irgendwo tief in seinem Inneren hoffte er, daß Massena sich hier an dieser Stelle vielleicht auf ein zweites Bussaco einlassen würde. Fort 120 war eine vorgezogene Befestigung, Pero Negro ein bis an die Zähne bewaffnetes Felsennest. Vor diesem befanden sich noch die Forts 15 bis 17, jedes mit zwei schweren Howitzern bestückt, und als Krönung der ganzen Verteidigung Fort 14 mit 1590 Infanteristen, 14 12-Pfündern, sechs 9-Pfündern, vier 6-Pfündern, einem Howitzer und – Oberst Rettberg von der Königlich Deutschen Legion.
Doch anstatt anzugreifen, zog Andre Massena nur den Zweispitz vom Haupt und bedeutete dem alliierten Artilleristen, der gerade geschossen hatte, daß Frankreich die Warnung zur Kenntnis nahm und sich aus der Reichweite der Geschütze zurückzog. Gegen die einsame Gestalt, hoch auf dem Monte Agraco, schüttelte er wütend die Faust. Es war niemandem im französischen Stab schwergefallen zu erkennen, wer der Initiator des demütigenden Schauspiels bei Bulhaco gewesen war. Noch zu gut hatten die Offiziere und der Prinz von Esslingen selbst ihre letzte Niederlage in Nordportugal, den großen hellbraunen Hengst und seinen Reiter in einer einfachen, blauen Feldjacke ohne Orden und Rangabzeichen im Gedächtnis. Er war der einzige Leopard, der die Farbe der Adler trug!
Dann schrieb ein unglücklicher Marschall aus seinem Hauptquartier in Sobral an seinen Kaiser in Paris: „Der Prinz von Esslingen ist zum Schluß gekommen, daß es die Armee Ihrer Majestät kompromittieren würde, wenn wir mit aller Gewalt unternehmen sollten, eine solch gewaltige Befestigungsanlage anzugreifen.” Selbst Michel Ney, der ‚Tapferste der Tapferen’ hatte seinem Oberkommandierenden unmißverständlich erklärt, daß er nicht verrückt genug war, sich gegen Wellingtons Wälle zu werfen.
Während Andre Massena in einer immer tieferen Depression versank, rieb sein britischer Gegner sich zufrieden die Hände und ritt von seinem Aussichtspunkt zurück in die Festung von Pero Negro. Für ihn hatte es sich gelohnt, 14 Monate lang von allen Seiten her Kritik und Quaken zu ertragen. Seine Überraschung für die Adler war perfekt gelungen. Am Tag des ersten und letzten Kanonenschusses schrieb er spöttisch an den Kriegsminister und das Kabinett in Whitehall: „Die Schlacht um Lissabon hat heute früh zwischen 11.15 Uhr und 11.20 Uhr stattgefunden. Nachdem die anglo-alliierte Armee, unterstützt von den tapferen Artilleristen der portugiesischen Miliz, am Befestigungsturm 120 bei Bulhaco einen Kanonenschuß zur Warnung auf die französische Portugalarmee unter Marschall Andre Massena abgegeben hatte, hat der Prinz von Esslingen beschlossen, sich auf eine Position in der Estremadura zurückzuziehen. Ich habe die Ehre, dem Oberkommando keine Toten oder Verletzten melden zu müssen. Die französische Seite hat bei Alhandra General de Sainte-Croix verloren, der bei einem Gefecht zwischen französischer Kavallerie und unseren Kanonenbooten auf dem Tejo gefallen ist. Wellington.” Zur Erklärung legte er eine Kopie der Zeichnungen bei, die für die Befestigungsarbeiten um Lissabon gedient hatten. Dann beschloß er, daß sein Arbeitstag beendet war und verschwand vergnügt in den Stallungen der Festung von Pero Negro, um Kopenhagen und Libertad zu satteln und Lady Lennox zu einem kleinen Ausritt in die Berge zu überreden. Er hatte einem guten Freund eine freudige Mitteilung zu machen.
Am späten Nachmittag erreichten Arthur, Sarah Mafra und John Beresfords Hauptquartier. Der Marschall der portugiesischen Armee saß zufrieden mit seinem gesamten Stab beim Tee, als die Tür des Salons sich öffnete. Die Besucher hatten nicht angeklopft. Wellington zog seinen Zweispitz vom Kopf und verbeugte sich tief vor Sir John: „Eine Depesche aus London, mein Freund! Sie war so eilig, daß ich sie keinem Kurier anvertrauen wollte!” Dann trat er zu Beresford hin, zog ihn aus dem Sessel und umarmte ihn: „Portugals Armee hat mir bei Bussaco einen großen Sieg geschenkt! Im Gegenzug überbringe ich Ihrem obersten Kriegsherren die höchste militärische Auszeichnung unseres Landes, den Bath-Orden!” Sir John nahm nun auf der Ehrenrolle Großbritanniens den Platz Lord Nelsons ein. Seine jungen portugiesischen Offiziere erhoben sich. Laute Vivas tönten durch den Raum: „Viva Beresford, viva Portugal, viva Douro!“ Für seine Verbündeten war Arthur nicht Lord Wellington, sondern nur Douro, nach dem Ehrentitel, den der Kronrat ihm für seinen Sieg bei Oporto verliehen hatte. Doch Douro verlor in dem ganzen Aufruhr nicht seinen kühlen Kopf. Beresfords Auszeichnung würde er sich zunutze machen, um die Bevölkerung Lissabons zu beruhigen. Trotz seiner majestätischen Wälle von Torres Vedras zitterte die Hauptstadt vor den 60.000 Franzosen, die keine 15 Meilen von ihnen entfernt in der Estremadura lagerten. „Meine Herren, Sir John! Anläßlich dieses großen Ereignisses erlaubt sich der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres, morgen abend zu einem Ball in der alten Redoute von Mafra einzuladen. Mein Stab hat Befehl erhalten, alles zu organisieren und wir haben bereits sämtliche Einladungen verschickt!” Dann winkte er energisch einen jungen, portugiesischen Offizier zu sich und bat ihn, allen Anwesenden Champagner servieren zu lassen.
Beresford starrte immer noch ungläubig auf die Urkunde aus London, die sein Freund ihm so theatralisch überreicht hatte. Er, der Bastardsohn eines anglo-irischen Adeligen und einer einfachen Bauersfrau aus dem County Down, der Söldner und Abenteurer, der sein Leben lang jedem zu Diensten gewesen war, der Geld für seine militärischen Fähigkeiten auf den Tisch legen konnte, ein Ritter des Bath-Ordens!
Wellington reichte dem Freund mit einem spöttischen Lächeln ein Glas Champagner: Beresford hatte sein ganzes Leben unter dem Mangel an Anerkennung durch die Gesellschaft gelitten, der aus seiner unehelichen Geburt hergerührt hatte.
Leise flüsterte der Ire ihm ins Ohr: „Ein Mann ist kein Pferd, nur weil er in einem Stall auf die Welt gekommen ist! Jag doch endlich das verdammte, verknöcherte Establishment in London zum Teufel, John! Wozu brauchen wir ihre Anerkennung und ihre Einladungen und unsere Namen auf ihrer Liste im Almanack’s? Du und ich, wir haben unseren Titel nicht einfach geerbt, weil irgendwo ein alter Mann gestorben ist! Wir haben ihn, das Schwert in der Hand, auf blutigen Schlachtfeldern erkämpft und dabei unser Leben riskiert! Noch in hundert Jahren wird man sich an Bussaco, an Talavera, an Vimeiro oder an Rojica erinnern. Aber niemand mehr wird sich daran erinnern, daß irgendwann einmal, auf einer kleinen Insel im Atlantik, Männer das Sagen hatten, nur weil sie sich den Namen irgendeines elenden Fleckens in Somerset, Yorkshire, Dorset oder Kent hinter ihren Namen hängen durften!”
Beresford trank Wellington zu: „Du bist ein Raubritter, Douro, wie im finstersten Mittelalter! Du hast Geschmack am Krieg gefunden! Eines Tages wirst du für die alten Männer in London noch sehr gefährlich werden!”
Der Ire antwortete nicht. Er zwinkerte John Beresford nur verschmitzt zu. Dann drehte er sich rasch um, stellte sein Glas auf den Tisch und verschwand aus dem portugiesischen Hauptquartier. „Morgen abend um sieben Uhr in der alten Redoute!”, rief Lady Lennox im Herausgehen den Offizieren zu.
Langsam ritten Arthur und Sarah aus Mafra fort. Der General schlug nicht den direkten Weg nach Pero Negro ein, sondern ritt hinauf in die Serra de Chypre. Hoch oben in den Bergen kannte er von seinen Erkundungsritten im Frühjahr 1809 einen kleinen verschwiegenen Gasthof. Er hatte John Dunn einen Brief im Hauptquartier zurückgelassen, in dem er ihn bat, Lady Sarahs Ballkleid und