Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Herr des Krieges Gesamtausgabe - Peter Urban Warlord

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tun hatte, gleich ob einfacher Arbeiter oder Marschall Sir John Beresford, verstand, was er eigentlich plante. Doch der General strahlte in diesen Augenblicken soviel Selbstvertrauen aus, daß niemand seine sonderbaren Forderungen oder Ansprüche zu hinterfragen wagte. Zehn Tage lang war er kreuz und quer über Land geritten. Über steinige Bergpfade, hinunter in enge Täler, gelegentlich durch eine Ebene, entlang jedes Flusses und Flüßchens, hatte er jeden Stein, jedes alte Mauerwerk, jedes solide Bauernhaus und jeden Signalturm aus der Römerzeit in Augenschein genommen. Im Anschluß an diesen Erkundungsritt wußte nicht einmal mehr Oberst Fletcher, der Ingenieur, der Arthur begleitet hatte, wo der Oberkommandierende sich aufhielt. Fletcher hatte eines Morgens lediglich ein ellenlanges Memorandum in einem Umschlag vorgefunden, aus dem exakt hervorging, was er zu bauen hatte. Der General selbst war wieder einmal einfach vom Erdboden verschwunden.

      Arthur hatte sich in diesen Tagen an das einfache Landgasthaus bei Arruda dos Vinhos, hoch in den Bergen erinnert, wo die Idee der Wälle von Torres Vedras geboren worden war. Doch dieser Ort lag gleichzeitig zu nahe an seinen geheimnisvollen Bauarbeiten und zu weit von sicheren Nachrichten über das Treiben der Spanier und der Franzosen. Er beschloß aus diesem Grunde, nach Tomar zu reiten und den dortigen Prior um Unterschlupf und ein wenig Diskretion zu bitten: Seit er auf der Iberischen Halbinsel gelandet war, hatten die Männer Gottes ihn noch nie enttäuscht, und ein Kloster war genau der richtige Ort, um von niemanden beim Nachdenken gestört zu werden oder auch um einfach zu vermeiden, daß irgendein störender Befehl aus London ihn doch irgendwie erreichen konnte.

      Schon von weitem konnte der Ire den großen Felshügel erkennen, auf dem das Convento do Cristo stand, das erst Templer-, dann Christusritterburg und nun Refugium der mächtigen Jesuiten war. Die Stadt Tomar selbst lag ausreichend weit vom Kloster entfernt, am rechten Ufer des Rio Nabao, einem Nebenfluß des Tejo, in der Nähe der ehemaligen, römischen Siedlung Nabantia, von der nur noch Grundmauern und verwitterte Mosaike erhalten geblieben waren.

      Der General war schon die halbe Höhe zum Burghügel hinaufgeritten, als er seinen Fuchs-Hengst unweit der schlichten Igreija de Nossa Senhora da Conceicao, einem Meisterwerk der Renaissance, dessen auffällige ionische Eckpfeiler und giebelgekrönten Fenster ihn bereits bei seinem ersten Besuch in dieser Gegend beeindruckt hatten, zügelte: Versonnen betrachtete er das Tonnengewölbe, das auf korinthischen Säulen mit geradem Gebälk ruhte. An diesem stillen, geschichtsträchtigen Ort fiel es ihm irgendwie leichter nachzudenken! Arthur konnte es sich nicht logisch erklären, aber er spürte genau, wie die Spanier in diesem Augenblick irgendwo im Herzen ihres Landes einer französischen Nemesis begegneten. Er wollte nicht, daß sein kleines Feldheer, das sich nun langsam, aber sicher von der Schlacht bei Talavera und dem Rückzug durch das Guadiana-Tal erholte, plötzlich zwischen die Fronten geriet und aufgerieben wurde, nur weil irgendein Politiker ihn dazu zwang nachzugeben!

      Der Prior von Tomar empfing den Iren herzlich und versprach, ausnahmsweise auch einmal seinen Freund Pater Jack Robertson im Dunkeln zu lassen. Der General verbrachte drei ruhige Wochen in der klösterlichen Stille, hauptsächlich in der großen, alten Bibliothek über Karten Spaniens gebeugt. Das Jahr 1810 würde der Wendepunkt des Feldzuges auf der Iberischen Halbinsel werden. Arthur hatte eingesehen, daß es unmöglich war, die spanische Höchste Junta, was militärische Fragen anbetraf, zur Vernunft zu bringen. Die mehr als 50.000 Mann starke La Mancha-Armee unter General Areizaga wußte er verloren, noch bevor es zu einem Zusammenstoß mit Soult gekommen war, und auch für den Duque Del Parque hatte er jede Hoffnung aufgegeben. Sollten die Spanier doch ihre große Schlacht in einer weiten, deckungslosen Ebene im Frontalangriff schlagen und anschließend im französischen Kanonenfeuer verbluten. Sie waren so oder so nicht in der Lage, aus der Geschichte des Krieges zu lernen: Niemand schien sich in diesem stolzen Land je die Mühe gemacht zu haben, aus Fehlern der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen! Doch er hatte aus seinem gemeinsamen Sommerfeldzug mit diesen unruhigen Verbündeten viel gelernt. Er würde sich jetzt einfach darauf konzentrieren, die französischen Streitkräfte, die auf der Iberischen Halbinsel ins Unermeßliche zu wachsen schienen und bereits auf fast 300.000 Mann aufgestockt worden waren mit einer Politik der kleinen Nadelstiche zu zermürben. Wenn Don Antonio die Guerilla hatte überreden können – und Wellington war sich des Erfolges der Mission seines portugiesischen Freundes sicher –, dann würden alleine die Guerilleros und ihre erbarmungslosen, langen Messer gut die Hälfte aller französischen Truppen im Land binden und tagtäglich beschäftigen. Diese Aktionen würden ebenfalls die Kommunikationslinien der Adler untereinander und mit dem Kaiser so stören, daß ein geregelter Fluß an Informationen unmöglich gemacht wurde. Übrig blieben dann noch etwa 150.000 Franzosen gegen knapp 30.000 Briten und Portugiesen. Wellington wußte, daß diese 1:5-Ratio militärisch unmöglich war. Aber er hoffte, daß sich die uneinigen Marschälle wieder, wie schon so oft zuvor, mehr um ihre eigenen Belange kümmern würden als um die gemeinsame Sache. Nur wenn der Kaiser selbst in Spanien auftauchen sollte, dann konnte seine Lage wirklich hoffnungslos werden, denn Napoleon Bonaparte würde es gelingen, seine zerstrittene und selbstsüchtige Bande zu einen und gemeinsam gegen die Briten und Portugiesen zu führen. Aus diesem Grund existierte auch Arthurs dritter Wall von Torres Vedras, direkt um Lissabon und den Hafen. Wenn der Kaiser wirklich kommen sollte, dann würde er, der Sepoy-General, wohl kampflos aufgeben müssen. Sollte Napoleon sich aber nicht bemühen, dann konnte er einfach mit Frankreichs Marschällen so lange Verstecken spielen, bis irgendeiner von ihnen einen Fehler machte!

      Arthur hatte sich hoch und heilig geschworen, erst dann wieder eine Schlacht zu schlagen, wenn er absolut sicher war, einen totalen Sieg über seinen Gegner davonzutragen! Nach Talavera hatte er geschworen, sich nie wieder von irgend jemand zu einem Waffengang drängen zu lassen, und wenn es Englands Schutzpatron, der Heilige Georg selbst sein sollte. Nur wenn er alleine Herr des Krieges war, dann würde seine dünne, rote Linie feuern!

      Am 23. November 1809 erreichte Lord Wellington in Tomar endlich die schreckliche und trotzdem so ersehnte Nachricht einer totalen Niederlage General Areizagos. Es war die schlimmste Demütigung, die je eine Armee auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet hatte hinnehmen müssen: Mehr als 56.000 Spanier waren von einer bunt zusammengewürfelten Truppe aus 30.000 Franzosen, Polen und Deutschen bei Oçaña, wenige Meilen vor Aranjuez aufgerieben worden. Spanien hatte 18.000 Mann Verluste zu beklagen, viele durch Desertion und Flucht vor dem Feinde. Del Parque, der in der Zwischenzeit mit mehr Glück als Verstand Salamanca genommen hatte, konnte die Stadt einfach nicht halten und wurde nur wenige Tage nach Oçaña verheerend bei Alba geschlagen. Spanien hatte seine beiden letzten, großen Feldheere durch eigenes Verschulden völlig aufgerieben. Nun war das Land verloren und dem französischen Kaiser auf Gedeih und Verderb ausgeliefert! Nun endlich hatte Arthur Wellesley den ersehnten Vorwand, um sein eigenes Feldheer aus Badajoz und Merida über die Grenze nach Portugal verschwinden zu lassen. Die Adler bedrohten endlich wieder frontal Englands ältesten Verbündeten. Nicht einmal die Zwietracht in Whitehall, der Krieg in den Commons und das Fiasko Chathams und Strachans in Hollands Sümpfen konnte einen 400 Jahre alten Vertrag zwischen zwei Nationen vergessen machen!

      Wegen des Wintereinbruches beschützte nun die Natur Lissabon und gab Wellington eine weitere Verschnaufpause bis März oder April 1810. Der Tejo führte Hochwasser und war völlig unpassierbar für den französischen Feind geworden. Lediglich der schmale Korridor zwischen Ciudad Rodrigo und Almeida entlang des Douro bis Viseu, durch das Mondego-Tal über Coimbra und Pombal bis hinunter nach Lissabon mußte geschützt werden. Die letzte Stellung in dieser langgezogenen Verteidigungsposition war – Torres Vedras! Seine 30.000 Mann reichten hierfür aus. Das neue Hauptquartier der Briten sollte bis zum Frühjahr Viseu werden, eine alte Stadt, die spektakulär auf einem Hochplateau in den Bergen der Beira lag: Ein Adlernest, von dem aus man alles sehen und beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden, eine unangreifbare Position.

      Am 1. Dezember tauchte Arthur überraschend aus dem Nichts in Badajoz auf. Auf die aufgeregten Fragen seiner Freunde und Untergebenen, wo er so lange gewesen sei, gab er keine Antwort. Rowland Hill, der in der Zitadelle ausgeharrt und tagtäglich einen Spießrutenlauf durch die Gänge der Politik im fernen London und im nicht ganz so fernen Sevilla unternommen hatte, fiel Wellington vor Erleichterung fast um den Hals.

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