Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban
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Der erstaunte, junge Offizier wollte etwas erwidern, doch bevor er den Mund auch nur öffnen konnte, fauchte Arthur ihn an: „Tun Sie, was ich Ihnen befehle, Sir!”
Die Schriftstücke gingen in Flammen auf: „So, jetzt fühlen wir uns alle wieder besser, nicht war! Also, meine Herren, an die Arbeit!“ Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und schrieb in weniger als zehn Minuten vor den erstaunten Augen aller Anwesenden 20 Marschbefehle für das britische Feldheer aus: „Somerset, Campbell, Don Antonio, Sie verteilen diese Dinger jetzt sofort. Morgen früh rücken die ersten Einheiten ab, nächste Woche will ich keinen einzigen britischen Soldaten mehr innerhalb der Grenzen Spaniens sehen! Und Craufurd soll in spätestens einer Stunde hier bei mir aufkreuzen! Wie er das anstellt, ist mir egal! Los, verschwindet!”
Die drei Offiziere waren so von ihrem Kommandeur überrumpelt worden, daß sie aus dem Arbeitszimmer stoben wie aufgeregte Hühner. Schwungvoll warf der General hinter ihnen die Tür ins Schloß. Hill und Robertson sahen sich verwundert an. Dann nahm Hill seinen ganzen Mut zusammen: „Bist du völlig übergeschnappt, Wellesley! Du hast gerade sämtliche Befehle aus London verbrannt und Gott weiß wie viele Briefe von Bart Frere und Henry Wellesley aus Sevilla, von deinem Bruder Mornington, von Castlereagh etc.”
„Welche Befehle? Ich habe keine gesehen! Das britische Feldheer zieht sich nach der vernichtenden Niederlage von General Areizago bei Oçaña blitzartig vor der französischen Übermacht nach Portugal zurück. Da geht schon mal was verloren. Selbst bei einem ordnungsliebenden Menschen wie mir!“
„Willst du uns nicht endlich erzählen, was du in den letzten zwei Monaten getrieben hast und was du jetzt vorhast? Ich glaube, auch wir haben ein Recht zu erfahren, was gespielt wird!” Hill war fürchterlich wütend auf seinen Freund, weil dieser ihn nicht nur schrecklich überrumpelt hatte, sondern auch, weil Arthur ihn acht lange Wochen mit allem Ärger und dem gesamten Feldheer alleine gelassen hatte. Er malte sich in seinem Inneren schon in den schlimmsten Farben aus, wie Whitehall und die Horse Guards alle Beteiligten in Stücke reißen würden. Robertson schwieg sich aus, denn der lange Arm der katholischen Kirche hatte dieses Mal nicht ausgereicht, um ihn mit dem zu versorgen, was für ihn so notwendig war, wie die Luft um zu Atmen: Informationen. Er hatte die dumpfe Befürchtung, daß das Schwert mit dem Schild spielte. Der Priester haßte dieses Gefühl, denn er erkannte, daß die Fäden ihm entglitten und er nur noch eine Schachfigur war, wo er sich zuvor als Spieler gesehen hatte. Es kratzte grauenvoll an seinem Selbstwertgefühl.
Der Ire strahlte seine beiden Freunde an: „Könnt ihr ein Geheimnis für euch behalten?”
Robertson und Hill nickten eifrig. „Ich auch!“
Eine Woge der Enttäuschung ging über beide Gesichter.
„Spaß beiseite! Also, ich habe Lissabon befestigen lassen. In diesem Augenblick konstruieren unsere portugiesischen Verbündeten unter der Leitung meines braven Oberst Fletcher und unserer 45 Militäringenieure drei Befestigungslinien zwischen dem Tejo und dem Atlantik. Alles, was vor den Wällen von Torres Vedras liegt, für die Franzosen nützlich sein könnte und nicht transportabel ist, wird in Schutt und Asche gelegt. Den ganzen Rest und soviel Bevölkerung wie möglich verlagern wir hinter die Befestigungen. Und dann warten wir einfach ab! Irgendwann werden die Franzosen schon auftauchen!”
„Du willst dich mit ihnen schlagen?”
Der General schüttelte den Kopf: „Die werden sich selbst schlagen! Verbrannte Erde! Wer Lissabon anzugreifen versucht, braucht entweder ein verdammt gutes Nachschubsystem, oder er verhungert in der Estremadura. Wenn wir Lissabon verteidigen können, dann halten wir im Prinzip ganz Portugal. Diesen Winter haben wir noch eine Galgenfrist von den Franzosen bekommen! Sie können nicht über den Tejo. Der führt jetzt bis mindestens März oder April einfach zuviel Wasser. Im Frühjahr wissen wir, ob Bonaparte selbst uns die Ehre gibt. Sollte er das tun, verschwinden wir von der Iberischen Halbinsel. Wenn nicht, dann nehmen wir uns jeden seiner Marschälle einzeln vor, aber zu unseren Bedingungen! Ich werde nie wieder eine Schlacht wie Talavera schlagen. Wenn wir noch einmal ein Viertel unseres Feldheeres verlieren, um die Franzosen irgendwo zu besiegen, dann brauchen wir gar nicht erst weiterzumachen. Ich schlage mich nur noch, wenn ich sicher bin, mit wenigen Mitteln viel zu erreichen. Wenn nicht, dann manövrieren wir, bis die Franzosen sich müde laufen, oder bis sie einen Fehler machen.
Robertson pfiff durch die Zähne: „Da haben Sie sich aber viel vorgenommen, mein Junge! Inzwischen stehen 300.000 Franzosen in Spanien und weitere 20.000 hat der Kaiser in Marsch auf die Pyrenäen gesetzt. Sie werden die nächsten 20 Jahre kreuz und quer über die Halbinsel rennen müssen, um Bonny müde zu bekommen.“
Wellington zog die Augenbrauen hoch: „Priester, Sie enttäuschen mich! Sie müssen weiter denken! Diese verdammte Iberische Halbinsel ist doch nicht alles. Wir haben es mit Bonaparte zu tun, mit dem besten Feldherrn aller Zeiten. Glauben Sie etwa, der gibt sich unendlich lange mit mir und meiner Handvoll Rotröcken ab. Bonny hat Größeres vor, als ein stures, irisches Maultier ins Meer zurückzutreiben. Warten Sie! Spanien wird ihn schnell langweilen. Die Weiten Europas locken den Korsen doch viel mehr als dieser kleine, unwirtliche und von Guerilla verseuchte Südzipfel der Alten Welt. Rußland, Österreich-Ungarn, da kann er Beute machen und die Grenzen des Ruhms überschreiten. Er wird sich irgendwann an seiner eigenen Gier überfressen! Er hat doch schon lange jedes Maß verloren. Und in diesem Augenblick wird er sich daran erinnern, daß ein paar verlotterte Spanier und Portugiesen und eine Handvoll Briten hier sechs Marschälle und 300.000 Adler binden. Frankreich ist nicht unerschöpflich. Auch Bonny gehen irgendwann die Soldaten aus.” Langsam fing der Benediktiner an zu begreifen: „Das kann Jahre dauern, mein Sohn! Haben Sie das Rückgrat, so lange alleine gegen unsere eigene Regierung in Whitehall, eine bösartige Opposition im Unterhaus, geifernde britische Zeitungen und uneinsichtige Verbündete anzutreten?” Arthur hob die Augen zum Himmel und seufzte leise: „Das ist alles, was ich noch habe, Jack! Geduld, ein bißchen Hoffnung und den Mut der Verzweiflung.“
Kapitel 2 Libertad
Die Soldaten des britischen Feldheeres zogen sich langsam, aber stetig über die Grenze nach Portugal zurück. Lord Wellington und sein gesamter Stab waren in diesen Tagen vollauf damit beschäftigt, die Offiziere und die Männern der einzelnen Regimenter, soweit wie möglich bei der Bevölkerung ihres Verbündeten einzuquartieren, damit sie sich einige Wochen völlig von den Anstrengungen des Sommer-Feldzuges erholen konnten. Die Wälle von Torres Vedras machten trotz strengster Geheimhaltung gute Fortschritte im Bau.
Bereits am ersten Abend nach seiner Ankunft in Badajoz hatte Arthur Black Bob Craufurd in sein Hauptquartier beordert, um dem energischen Kommandeur der Leichten Brigade seine Rolle im neuen Vabanquespiel gegen die Adler zu erklären. Nur General Hill und Pater Robertson hatte er gestattet, während dieses Gespräches im Raum zu bleiben. Er erklärte Black Bob, daß die Leichte Brigade nun zu einer richtigen Division aufgestockt werden sollte, indem Craufurd sowohl portugiesische als auch britische Bataillone miteinander vereinigen würde, wobei er die Portugiesen britischen Offizieren unterstellen sollte. Don Antonio Maria Osario Cabral de Castros Partisanenregimenter waren die ersten Einheiten, die er auf diese Weise zu General Craufurd abkommandierte, um das 88. Regiment – die Connaught Rangers – als Aufklärer und Scharfschützen zu verstärken. Dazu kamen noch das 1. und das 3. Regiment der portugiesischen Caçadores. Damit verfügte Black Bob nun über insgesamt 4000 Mann.
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