Das Quaken der Frösche. Erich Szelersky

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Das Quaken der Frösche - Erich Szelersky

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auf dem großen Fluss zu. Schiffe mit bunten Flaggen, die, mal unter der großen Last, die sie trugen, tief im Wasser liegend gegen die Fluten ankämpften und mal unbeladen und leicht wie ein Delphin auf dem Wasser hüpfend, glitten an ihm vorüber. Er hatte sich einen Spaß daraus gemacht, zu erraten, aus welchem Land die Schiffe wohl kämen, und legte sich fest, bevor er die Nationalität an der Flagge am Heck erkennen konnte.

      Besonders beeindruckten ihn die Schubschiffe, die mit ihrer unbändigen Kraft manchmal so viele Leichter vor sich her schoben, dass aus diesem Gebilde ein Schiff von mehr als zweihundertfünfzig Metern wurde.

      Ein virtuelles Schiff, dachte er sich. Heute zweihundertfünfzig Meter und morgen nur noch die Hälfte.

      Auch das Wasser weckte sein Interesse. Es würde viel zu erzählen haben, wenn es zu ihm sprechen könnte. Wie es jung und frisch an der Quelle in den Bergen sprudelte, über die Klippen des Rheinfalles bei Schaffhausen rauschte und sich in der Behäbigkeit des Bodensees zerfaserte. Immer und immer wieder wurde es unterbrochen auf seinem langen Weg hinunter zum Meer. In Kraftwerken musste es sich durch Rohre zwängen und Turbinen antreiben, und auch der Weg durch diverse Toiletten blieb ihm nicht erspart.

      Aber das Wasser sprach nicht zu ihm. Niemand sprach mit ihm. Schon lange hatte er sich nicht mehr richtig unterhalten, und dabei war er früher einmal für seine amüsanten und geistreichen Gesprächsbeiträge bekannt gewesen.

      Als er daran dachte musste er unwillkürlich schmunzeln.

      Vielleicht war er damals doch beliebter gewesen, als er glaubte. Das erfüllte ihn ein wenig mit Stolz, auch wenn er als junger Mann auf die Frage, was ihm wichtig im Umgang mit anderen Menschen sei, stets gesagt hat, dass ihm Respekt mehr bedeuten würde als Beliebtheit. Heute, viele Jahre nach diesem Leben und aus dem Rückblick auf eben dieses, sah er das anders.

      Es war ihm bewusst, dass er nicht beliebt war. Ihm waren nie die Herzen zuflogen. Früher hatte ihn dies nicht gestört. Heute vermisste er die mangelnde Sympathie und ertappte sich öfter schon einmal bei dem Gedanken, dass es wahrscheinlich schön gewesen wäre, wenn er die Wärme empfangen hätte, die einem beliebten Menschen entgegengebracht wird und die er nie erhalten hatte. Dies lag natürlich an ihm selbst. Er wusste das, doch er gestand es sich nicht ein, wollte sich nicht dem Gedanken stellen, seine Einstellung überprüfen zu müssen, um sein Verhalten ändern zu können.

      Er war nun mal halt so wie er war: spröde und distanziert bis zur Unnahbarkeit.

      Menschen begegnete er mit maßlosem Misstrauen. Immer war er darauf bedacht, hinter die Fassade aufgesetzter Höflichkeit und vermuteter plump vertraulicher Freundlichkeit zu schauen. Er unterstellte, dass es seinen Mitmenschen immer nur darum ging, einen Vorteil zu erlangen und fühlte sich schon durch Kleinigkeiten in seinen Vorurteilen bestätigt. Dabei hatte er keinen Unterschied gemacht zwischen seinem Leben als Vorstandsvorsitzender eines international operierenden Konzerns und seinem Privatleben. Es fiel ihm sehr schwer, auf Menschen zuzugehen, und es passierte auch immer wieder, dass er Menschen, die sich ihm ehrlich zugewandt hatten, mit seiner Art verprellte. Wäre seine Frau nicht so sympathisch gewesen und hätte sie nicht die privaten Kontakte gepflegt, wäre er nie über förmliche Beziehungen hinausgekommen. Wirkliche Freunde hatte er nie gehabt.

      „Wie sich so etwas im Leben ändert“, dachte er. Er schüttelte den Kopf. Jetzt würde sich nicht mehr viel ändern, denn er war alt. Dreiundachtzig Jahre hatte er auf seinem Buckel, doch die sah man ihm nicht an. Er war immer noch stattlich. Groß, schlank, und auf seinem Kopf hatte er noch die meisten seiner Haare, auch wenn sie inzwischen nicht mehr schwarz sondern grau waren.

      Es war für ihn eine interessante und zumeist auch bittere Erfahrung, dass, wenn ihn Erinnerungen einholten und manchmal gar quälten, er sich sein Unverständnis über die Überzeugungen, die er früher als junger Mann einmal vertreten hatte, eingestehen musste.

      Nicht, dass er seine Vergangenheit bereute; unter Selbstzweifeln hatte er nie gelitten, und auch jetzt konnte ihn die manchmal ernüchternde Relativierung seiner damaligen Lebensgrundsätze nicht ernsthaft erschüttern, aber nachdenklich stimmten ihn diese neu gewonnenen Einsichten schon.

      Er war immer seinen Weg gegangen, zielstrebig und unbeirrt, und darin war er sich auch bis jetzt ins hohe Alter treu geblieben. Darauf war er stolz.

      Mit dem Strom geschwommen war er nie. Wenn er anderer Meinung war, handelte er auch danach. Den sogenannten Mainstream tat er ab, gab ihn der Lächerlichkeit preis.

      Das waren in seinen Augen Nachaffer, deren Geschwätz für ihn nichts anderes war als das Quaken der Frösche, wie er es nannte. Einer fängt an und alle anderen machen mit. Und das möglichst lauter und lauter, denn Lautstärke verspricht Aufmerksamkeit; und die gibt das Gefühl von Erfolg. Diesen Wettbewerb von sich gegenseitig überbietenden, nach Publizität gierenden Schreihälsen, hatte er nie mitgemacht. Er hatte sie einfach ignoriert, gelegentlich belächelt und immer verachtet.

      Ihm war nie daran gelegen gewesen, besondere Aufmerksamkeit zu erlangen. Wenn er etwas zu sagen hatte, und das kam von Zeit zu Zeit vor, hörte man ihm zu. Diese Mischung aus unmissverständlicher Ansprache und Schweigen machte die Menschen aufmerksam, denn wenn er sich zu Wort meldete hatte er etwas zu sagen.

      2

      „Is der Platz hier noch frei?“

      Als keine Reaktion erfolgte, wurde die Stimme des Mannes, der sich für den auf der Bank Sitzenden unmerklich genähert hatte, lauter.

      „Darf ich mich hier auf die Bank setzen. Is der Platz noch frei?“

      Der alte Mann, der gedankenverloren auf der Bank saß, in die Sonne blinzelte und seinen Gedanken nachhing, blickte etwas erschrocken auf und sah den Mann an, der ihn gefragt hatte. Einen Augenblick lang wollte er aufstehen und gehen, doch im letzten Moment besann er sich und rückte etwas zur Seite, um Platz zu machen.

      „Ja, natürlich.“

      Der andere setzte sich. Dabei stöhnte er so laut, dass jeder im Umkreis von zehn Metern merken musste, welch morsche Knochen ihn plagten. Er hatte das schon vielfach ausprobiert, wenn er sich mit einem Fremden unterhalten wollte. Es half immer. Er stöhnte auf und schon kam er mit anderen Menschen über seine Krankheiten ins Gespräch. Dass es hier nicht zu klappen schien verwunderte ihn.

      Vorsichtig, damit es möglichst nicht bemerkt wurde, warf er einen verstohlenen Blick auf den Mann, der schon vor ihm auf der Bank gesessen hatte. Der zeigte jedoch wenig Interesse an ihm und seinen morschen Knochen. Naja, vielleicht würde noch jemand anderes kommen, der gesprächiger war, dachte er sich und begann in aller Ruhe ein Päckchen aus einer alten abgewetzten Aktentasche zu ziehen. Nachdem er die Tasche wieder weggelegt hatte faltete er das Päckchen auf und brachte ein Butterbrot zutage, das in einer Tüte aus Pergamentpapier steckte. Die Tüte war wohl schon des Öfteren für diese Aufgabe benutzt worden, denn sie war übersät mit Fettflecken. Das Papier, in das er die Tüte gewickelt hatte, entpuppte sich als die Bildzeitung, die jetzt in ganzer Größe ausgebreitet zwischen den beiden alten Männern auf der Bank lag.

      Der Schweigsame warf einen Blick auf die Zeitung. Er las schon seit frühester Jugend täglich mehrere Tageszeitungen, doch die Bild hatte nie zu seiner Lektüre gezählt.

      Er las:

      „Memmen statt Männer!“

      Der Aufmacher weckte sein Interesse und er las weiter.

      „Der deutschen Nationalmannschaft fehlte der Mut, um die kämpfenden Italiener zu besiegen.“

      Der

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