Das Quaken der Frösche. Erich Szelersky

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Das Quaken der Frösche - Erich Szelersky

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und Bernhard hätten unterschiedlicher nicht sein können. Er, konservativ und auf die Besonderheit seiner Herkunft achtend, und sie, unkonventionell, unverfroren frech und provozierend. Es störte sie in keinster Weise, dass die Mitbewohner des Hauses, in dem Bernhard die Wohnung hatte, hinter ihrem Rücken über sie sprachen und sie moralisch minderwertig nannten, weil sie ein halbes Jahr, nachdem sie sich kennengelernt hatten, zu ihm gezogen war, ohne mit ihm verheiratet zu sein.

      Sie lebten ungezwungen zusammen, und kümmerten sich nicht um die morschen Moralvorstellungen der Nachkriegsgesellschaft. In ihrer Jugendlichkeit setzten sie sich sogar über bis dahin als unumstößlich geltende Tugenden wie keusche Enthaltsamkeit hinweg.

      Charlotte und Bernhard waren ihrer Zeit voraus, denn von dem, was neunzehnhundertachtundsechzig passieren würde, hatten sie zu dieser Zeit noch keine Vorstellung.

      Bernhard de Winter hatte lange überlegt, wie er seinen Eltern beibringen könnte, dass er eine Frau heiraten wollte, die sich von allen Zwängen des vorherrschenden gesellschaftlichen Rollenverständnisses von Mann und Frau lossagte, und dies in jedem Augenblick mit ihrem Handeln dokumentierte. Umso überraschter war er, dass seine Eltern Charlotte vom ersten Moment an offen empfingen und in ihre Familie aufnahmen. Sie akzeptierten sogar, dass Charlotte katholisch blieb, bestanden aber darauf, dass die Kinder evangelisch erzogen würden. Charlotte wäre auch konvertiert, denn sie hatte keine konfessionellen Bindungen. Bald darauf heirateten sie und bekamen ihre erste Tochter.

      Durch Charlotte veränderte Bernhard sich. Er setzte sich manchmal über seine Konventionen hinweg und löste sich für seinen neuen Lebensentwurf sogar ein wenig von dem Respekt vor seiner eigenen Familientradition.

      Insbesondere bei der Erziehung der Kinder traten diese unterschiedlichen Auffassungen zwischen ihm und seiner Frau zutage, aber auch für seine berufliche Entwicklung war Charlottes Denkweise sehr von Vorteil, denn er verstand es vortrefflich, die von ihr vorgelebte unkonventionelle Annäherung an Problemstellungen und Lebensaufgaben mit seiner aus der Verantwortung für die traditionellen Werte seiner Familie erfolgten Erziehung zu verbinden. Bald schon galt er als Querdenker und machte Karriere. Einmal in der Tretmühle des Topmanagements angekommen gerieten die Lebensentwürfe der ersten Jahre bei ihm schnell wieder in Vergessenheit. Die gesellschaftlichen Verhältnisse hatten sich auch verändert. Alles, was er damals in der ersten Zeit mit Charlotte als ein Stück seiner persönlich gelebten Freiheit in einer obrigkeitshörigen und alles reglementierenden Gesellschaft betrachtet hatte, war nun zum Bestandteil des alltäglichen Lebens geworden. Ihm kam es so vor, als hätten die Achtundsechziger ihn um diese Zeit mit ihrem Lebensgefühl betrogen.

      Allmählich verkantete er sich wieder und als Charlotte angeboten wurde, Kuratorin am größten Museum der Stadt zu werden, widersetzte er sich anfangs sogar. Er begründete dies damit, dass die Kinder noch zu klein seien. Charlotte ließ sich von diesen Widerständen nicht beeindrucken und nahm kurz darauf die Stelle an.

      Sie hatte einen starken Willen. De Winter musste lachen. Ja, den hatte sie.

      Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Vielleicht sollte er sich aufraffen und wieder einmal etwas unternehmen, doch alleine machte es ihm nicht mehr so viel Freude, auszugehen. Vielleicht kommt Lisa, seine Enkelin, die in Köln studierte, mal wieder vorbei und begleitet mich. Er beschloss, sie bei nächster Gelegenheit anzurufen.

      Das Leben in dem Seniorenstift am Park ließ sich wie in einem Fünfsternehotel gestalten. Wenn man nicht auf ärztliche oder pflegerische Hilfe angewiesen war gab es nicht die geringsten Auflagen. Die hätte de Winter im Übrigen auch nicht akzeptiert. Selbst die Einnahme der Mahlzeiten mit den anderen im Gemeinschaftsrestaurant ersetzte er oft und aß in seinem Zimmer. Manchmal sah man ihn eine Woche oder länger nicht im Speisesaal.

      Fast schien es, dass er die Gemeinschaft meiden wollte, aber es fiel ihm auch schwer, die andere Seite des Lebens in einem Altenheim zu sehen. Das waren all die gebrechlichen alten Menschen, die der Hilfe des Pflegepersonals bedurften und er ertappte sich bei dem ihn erschreckenden Gedanken, er könnte irgendwann auch einmal ohne fremde Hilfe nicht mehr zurechtkommen.

      Kontakt hatte er zu keinem. Die aktiven älteren Damen hatten schon mehrfach versucht, ihn in ihren Kreis einzubeziehen, doch er hatte sich ihnen immer entzogen. Manchmal, wenn er seine Einsamkeit besonders stark empfand, und mit dem Gedanken spielte, hinunter zu gehen und sich den anderen Hausbewohnern anzuschließen, überkam ihn Trauer um seine verstorbene Frau, und er begründete seine Zurückhaltung gegenüber den anderen und insbesondere auch gegenüber sich selbst damit.

      Wahrscheinlicher war allerdings wohl eher ein Gefühl der Unsicherheit, das ihn zurückhielt. Die Frauen waren jede einzelne und insbesondere auch in der Gruppe sehr selbstbewusst und er kam sich ein wenig lächerlich vor, umgeben von Frauen und ihren Themen, die ihn im Grunde nicht besonders ansprachen. Er konnte auch nicht erwarten, dass sie auf ihn besonders Rücksicht nehmen würden und es war ihm auch nicht verborgen geblieben, dass einige der Frauen kein stärkeres Bedürfnis hatten, ihn in ihren Kreis mit einzubeziehen, weil sie fürchteten, ein Mann könnte ihre Harmonie zerstören. Eine Freundschaft oder gar Partnerschaft mit einer der Frauen einzugehen, und dabei dachte er gar nicht einmal an das Sexuelle, kam für ihn nicht in Betracht, obwohl er sich manchmal schon ausmalte, dass es ganz reizvoll sein könnte, seine Tage mit einer Frau, die gleiche Interessen hatte wie er, zu gestalten.

      Es blieb jedoch bei den Gedanken darüber, und so war es nicht verwunderlich, dass er als Sonderling galt und als arrogant verschrien war. Er hatte davon gehört, als eine der Angestellten, die ihm morgens das Frühstück und seine Zeitungen auf sein Zimmer gebracht hatte, davon erzählte. Im ersten Augenblick hatte er sich überlegt, vielleicht doch einmal wieder zu einem der Bridgetreffen oder zu einer der Veranstaltungen, die ständig zur Unterhaltung der alten Menschen stattfanden, zu gehen, doch schon ein paar Stunden später kam ihm dieser Gedanke wie Hohn vor.

      Bei diesem Verhalten konnte er mit niemandem ins Gespräch kommen. Unterhaltungen führte er, wenn überhaupt, mit Fremden; Menschen, die er nicht kannte, die ihn nicht kannten, und die nach ein paar Minuten oder auch nach einer Viertelstunde, je nachdem, wie lange die Unterhaltung gedauert hatte, wieder aus seinem Blickfeld verschwanden.

      Zufrieden machte ihn das nicht, aber ändern tat er es auch nicht. Manchmal fühlte er sich sogar ein bisschen wohl in seiner „Splendid Isolation“. Unverstanden in seiner Überlegenheit, so kam es ihm vor, doch im Grunde war es nur aufgesetzte Überheblichkeit, mit der er seine Angst, verletzt zu werden, verbarg. Er hatte einen Schutzwall von Verhaltensweisen um sich errichtet, die keiner zu durchdringen vermochte. Als seine Frau noch lebte brauchte er solche Äußerlichkeiten nicht. Doch jetzt waren sie für ihn überlebenswichtig. Sie erhöhten ihn in seinem Selbstbild gegenüber den anderen und gaben ihm das Gefühl, eben nicht einer von ihnen zu sein; ein Rentner, den keiner mehr brauchte, dessen Leben seinen Anker verloren hatte und der in der Anonymität des Banalen zu versinken drohte.

      Wenn er jedoch über seine Situation mit dem ihm eigenen analytischen Verstand nachdachte empfand er nur eine tiefe Einsamkeit und Traurigkeit. Manchmal erwischte er sich sogar dabei, dass er mit einer imaginären Person Selbstgespräche führte und ihr sein großes Unglück erzählte. Dann erschrak er und schaute sich um, prüfend, ob jemand Zeuge seines Selbstgespräches gewesen sein könnte.

      5

      Es war schon Mittag, als Gerd Matuschak vor dem Haus in der Reihenhaussiedlung stand. Er schob sein Fahrrad den schmalen Weg von der Straße zum Hauseingang und stellte es in den dafür vorgesehenen Fahrradständer. Heute war Mittwoch. Das war der Tag, an dem er im Sommer immer das kleine Stückchen Rasen, das hinter dem Haus, eingebettet in einen Schutzwall aus Forsythiensträuchern lag, mähte.

      Er erledigte diese Arbeit und noch einige andere gern für seine Kinder. Seine Tochter arbeitete ebenso

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