Was dieses Weib so alles treibt. Monika Starzengruber
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Was dieses Weib so alles treibt - Monika Starzengruber страница 4
Wie oft meinte Klaus, Luisa sei zu nachsichtig mit Marie, und wie oft nahm sich Luisa vor, strenger mit ihr zu sein. Aber Personal war rar, und schließlich war es besser eine schlechte Arbeitskraft zu behalten, als alles selbst zu tun.
Luisa sah sich um. Wo blieb Marie? Keine Spur von ihr. Was bestätigte: die eigene Arbeitskraft war die verlässlichste und so fing Luisa schon mal an, das Auto von den Lebensmitteln zu befreien. Ächzend hob sie Karton für Karton heraus und stellte sie daneben, auf den Boden. Anschließend sammelte sie die verstreut herumliegenden Sachen im Fond des Wagens ein, die, oh Graus, mit Ketchup vollgeschmiert waren. Und während sie auf der Suche nach einem Taschentuch war, um den roten Tomatenbrei von ihren Händen abzuwischen, drang aus einiger Entfernung eine allzu bekannte Stimme an ihr Ohr: „Juhuuu, Frau Karl!“
Luisa machte auf taube Ohren. Gleichzeitig wünschte sie ihre Nachbarin wer weiß wohin, denn die liebe Frau hieß zwar Stumm, aber zum Leidwesen aller in der Straße war sie es nicht. Äußerlich unterschied Frau Stumm nichts von ihren weiblichen Mitmenschen in der Straße. Äußerlich sah sie aus, wie eine Frau und sie benahm sich auch, wie eine Frau. Und es gab manchmal kleine, nichts sagende Meinungsverschiedenheiten mit ihr, wie sie unter femininen Nachbarn oft üblich sind. Der große Unterschied lag innerlich. In einem tragischen Geburtsfehler. Er war genetisch bedingt. Was bewirkte, dass die Arme als wandelndes Tratschblatt ihr Dasein fristen musste. Bedauerlich für alle, die mit ihr in Berührung kamen. Luisa erinnerte sich nicht, jemals wieder so viel über ihre umliegenden Nachbarn erfahren zu haben, als in den Minuten, in denen Frau Stumm ihr die Zeit verkürzte. Da Luisa für Tratsch überhaupt kein Interesse aufbringen konnte, war sie auf der Hut, sobald ihre Nachbarin auftauchte.
„Guten Tag, Frau Karl, man sieht sich so selten, in letzter Zeit.“.
Mit, aufgesetzter aber liebenswürdiger Miene wandte Luisa sich der Nachbarin zu.
„Oh, guten Tag, Frau Stumm.“
Frau Stumm deutete auf die Schachteln auf den Boden.
„Was treiben Sie denn da? Man könnte meinen, Sie erhalten Zuwachs bei den vielen Kartons. Was in Gottes Namen ist da drin?“
Neugierig reckte sie ihren Hals vor, und da sie nichts als Lebensmittel entdecken konnte, und das ihre Neugier nicht befriedigte, kam nochmals: „Was denn, in Gottes Namen?“
„Lebensmittel“, lautete die erschöpfende Antwort.
„So viel?“ Frau Stumm betrachtete die Schachteln und war ehrlich entsetzt.
„Das verdirbt doch alles, das gute Zeug.“
Bei ihr sei noch nie etwas weggeworfen worden, entgegnete Luisa, wobei sie allerdings ein wenig flunkerte. Denn die Jausenbrote, die von den Kindern in der Schule verschmäht wurden, segneten stets das Zeitliche im Biomüll. Frau Stumm ahnte wohl, viel mehr würde sie von Luisa nicht erfahren und zuckte die Schultern.
„Mich geht es natürlich nichts an.“
Endlich ein Wort, dem sich Luisa voll und ganz anschloss.
„Übrigens, Frau Karl ...“
Wenn Frau Stumm mit "übrigens" anfing, wusste Luisa, was folgte. Eilig machte sie sich an den Kartons zu schaffen, damit sie wegkam.
„... haben Sie schon gehört, die "Neuen", die erst vorige Woche zugezogen sind...“
Das fehlte Luisa noch und das war etwas, was sie im Moment am allerwenigsten gebrauchen konnte – Altweiberklatsch pur, der ihre knapp bemessene Zeit in Anspruch nahm.
„... und da haben sie doch tatsächlich gesagt ...“
Die Verkäuferin hätte die Schachteln nicht so vollstopfen sollen, dachte Luisa, als sie sich anschickte, zwei hochzuheben.
„... was sagen Sie dazu, Frau Karl, ist das nicht eine bodenlose Frechheit?“
„Wie? Oh, ja, natürlich.“ Wovon sprach sie überhaupt?
„Solche Leute sollte man gar nicht hierher ziehen lassen. Die üben bloß einen schlechten Einfluss auf unsere Kinder aus, finden Sie nicht?“
Seit wann hat Frau Stumm denn Kinder?, wunderte sich Luisa.
„... und gestern, Frau Karl ...“
Luisa griff sich an die Stirn. Ihre Nervosität stieg. Und wieder einmal überkam sie der Wunsch nach acht paar Armen. Und nach Siebenmeilenstiefel, die sie von Frau Stumm, die ihrem Namen so gar keine Ehre machte, fortbrachten.
„... na, das sollen die erst mal versuchen, aber solche Menschen schrecken vor nichts zurück ...“
Besser, ich trage einen Karton, überlegte Luisa und nahm einen kleineren hoch. Dabei hoffte sie, dass er wenigstens so lange standhielt, bis sie im Haus war, die Lebensmittel drückten ganz schön durch. Den weiteren Wortschwall von Frau Stumm würgte sie ab, indem sie sich zum Gehen wandte und sagte: „Die Kartons tragen sich leider nicht allein ins Haus, obwohl es sehr praktisch wäre, finden Sie nicht?“
„... und ich habe gesagt - wie meinen Sie?“
Frau Stumm begriff zwar nicht, trotzdem winkte sie Luisa nach, während es in ihr sichtlich arbeitete und sie wohl dachte: Was will sie haben? Einen Karton, der sich ins Haus trägt?
Ihre liebliche Meinung über die Nachbarin verstärkte sich umgehend, was ihre Miene zur Schau trug: Die hat einen gewaltigen Vogel.
Ruhe und Entspannung, davon konnte Luisa nur träumen. Wenn ihr alles vergönnt war, das nicht. Gleich im Vorzimmer fiel sie über eine Leiter, die am Boden lag, was zur Folge hatte, dass sie stolperte und auf dem Allerwertesten landete. Der Karton in ihrer Hand machte sich, daneben sie irgendwo vergebens Halt suchte, selbständig, und flog durchs Zimmer, wobei sämtlicher Inhalt herausfiel und geräuschvoll zu Boden krachte. Zum Glück waren keine Flaschen dabei. Aber Eier.
Luisa wusste nicht wieso, plötzlich kam ihr das Sprichwort "Trautes Heim, Glück allein" in den Sinn. Angebrachter wäre gewesen "Ein Unglück kommt selten allein". Denn im nächsten Moment ertönte ein freudiges "Wau, Wau" hinter ihr. Gleich darauf spürte sie zwei behaarte, braune Pfoten an ihrem Körper, voll bekleckert von den zerbrochenen Eiern, die überall am Boden herumlagen. Stasi, ein übergroßer, weißbrauner Bernhardiner störte sich nicht daran, die Kleider seines Frauchens damit überall zu beschmieren. Kräftig brachte er seine Wiedersehensfreude zum Ausdruck, indem er einen Freudentanz um Luisa aufführte, schließlich die Pfoten auf ihre Schultern legte und hingebungsvoll ihr Gesicht leckte. Energisch versuchte Luisa den Hund abzuwehren. „Stasi, wirst du wohl aufhören.“ Sie schubste ihn weg. „Stasi ... verschwinde, pfui - geh Platz!“ Vergebens.
Die Küchentür wurde aufgestoßen. Florian erschien auf der Bildfläche und rief aufgebracht: „Ich habe es ihr gesagt, aber sie hört nicht, sie guckt immer so komisch“, Florian leiser, „Marie ist plemplem.“ Er tupfte sich mit dem Zeigefinger auf die Schläfe.
Endlich ließ Stasi von Luisa ab. Er zog es vor, bei Florian weiterzumachen. Luisa, die zunächst ihre Sinne ordnen musste, wollte etwas erwidern, vergaß es wieder, da im nächsten Augenblick Marie aus der Küche stürzte, um gleich danach ihr