Die Geisterbande Dekalogie. Dennis Weis

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Die Geisterbande Dekalogie - Dennis Weis

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Die nächste Zeit verbrachte ich allein. Ich konnte mich wieder aufraffen, denn meine Kräfte kamen zurück. Irgendwann hörte ich Geräusche und ich legte mich hin, um vorzutäuschen, dass ich weiterhin angeschlagen bin.

      Ohne ein Wort zu sagen, legte jemand etwas in meine Zelle. Ich drehte mich so hin, sodass ich etwas denjenigen im Blick hatte. Es war ein anderer Geist!

      „Was ist das?“ fragte ich.

      „Nahrung“, antwortete er.

      „Und wer bist du?“ wollte ich wissen.

      „Hans“, antwortete der Geisterjunge.

      „Weißt du, wo Peter ist?“ fragte ich weiter.

      „Nein“, sagte er, „aber pass‘ auf Hanna auf.“

      „Hanna?“ wiederholte den Namen, fast als kenne ich sie gar nicht.

      „Ja, sie gehört zu Malit“, verriet der Geist.

      Das wusste ich bereits, aber ich schämte mich in diesem Augenblick um so mehr, dass ich drauf reingefallen war.

      „Aber warum macht sie das?“ wollte ich wissen, denn ihre Geschichte schien mir glaubwürdig.

      Sie hatte es so lebendig erzählt und ihre Emotionen wirkten so echt. War sie eine tolle Schauspielerin? Oder war ich einfach zu naiv? Ich konnte es nicht beantworten. Beides ist nicht schön.

      „Sie war der erste Geist, den Malit je geschaffen hat“, erzählte Hans, „und sie schuldete ihm etwas.“

      „Wegen Ludwig?“ vermutete ich.

      „Ja, wegen Ludwig“, wiederholte Hans, der sichtlich erstaunt darüber war, dass ich Wissen darüber hatte.

      „Aber diese Schuld hätte lange abgegolten sein sollen“, äußerte ich meine Gedanken laut.

      „Hanna hat alles für ihn getan, was er verlangt hat, um endlich wieder zu ihren Eltern zu kommen“, verriet Hans, „sie sind ebenfalls Geister geworden und werden hier auch als Geister gefangen gehalten.“

      „Wie ist es dazu gekommen?“ wollte ich erfahren.

      „Hanna denkt, sie sei schuld daran“, antwortete der Geisterjunge, „sie wollte sie eigentlich warnen, aber Malit hat sie zuerst getötet und dann zu seinen Geistersklaven gemacht.“

      „Kommen sie und ihre Eltern jetzt frei?“ fragte ich nach.

      „Drei Mal kannst du raten“, entgegnete er, „bisher hat Malit immer noch einen Weg gefunden, sie für seine Zwecke zu benutzen.“

      „Und warum sollte ich dir all das glauben?“ war meine Frage, „denn schließlich bin ich schon einmal hintergangen worden.“

      „Ich verlange es nicht“, antwortete Hans, „aber ich sage dir, dass wir uns alle die Freiheit wünschen und dich unterstützen, wo wir können.“

      „Kannst du mich befreien?“ fragte ich und wollte seine Aussage testen.

      „Und dann?“ stellte er als Gegenfrage, „was willst du dann machen? Du kommst hier aus dem Komplex nicht heraus.“

      „Und wie willst du oder ihr mir helfen?“ interessierte es mich.

      „Ich allein kann gar nichts ausrichten, außer dass es dir in der Gefangenschaft gut ergehen kann“, antwortete er, „aber wir alle können einiges tun, nur trauen sich die meisten nicht.“

      „Na toll“, stellte ich fest, „eigentlich kann mir keiner helfen.“

      „Bist du denn ein Lacin?“ fragte Hans auf einmal.

      „Ich denke schon“, antwortete ich, „aber ich weiß meine Kräfte noch nicht zu nutzen. Manchmal sind sie sehr stark und ein anderes Mal bin ich sehr schwach. Ich verstehe es noch nicht.“

      In Hans Augen bildete sich eine Träne, die die Wange hinunterkullerte.

      „Du weinst ja“, sagte ich und es überraschte mich, „ihr könnt weinen?“

      „Klar können wir das“, entgegnete er.

      „Und warum weinst du?“ wollte ich wissen.

      „Weil die alte Minna uns sagte, dass ein Lacin kommen wird, um uns zu befreien“, verriet Hans.

      „Wer ist die alte Minna?“ fragte ich.

      „Sie war mal eine von uns, ehe Malit sie hingerichtet hat. Er konnte sie nicht gebrauchen, da sie sehr alt war“, antwortete der Geisterjunge, „zu ihren Lebzeiten war sie eine Wahrsagerin.“

      Es zeigte die Verzweiflung der Geister, die von Malit gefangen gehalten wurden. Sie glaubten einer alten Dame schon und sahen es als eine Art Prophezeiung. Dabei hatte ich das Gefühl, dass sie es ihnen gar nicht mehr gelingen konnte. Ich, der Lacin, der Retter, war doch am Ende! Wie sollte da eine Befreiung möglich sein?

      Gar nicht!

      „Ich muss weiter, sonst merkt einer was“, sagte Hans dann und zog wieder ab.

      Ich war wieder allein. Es brachte mich zum Nachdenken. Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben und hätte mal auf meinen Geisterfreund gehört! Aber nun war es zu spät. Plötzlich konnte ich Geräusche wahrnehmen und instinktiv legte ich mich erneut hin, da es zumindest augenscheinlich so aussah als sei ich weiterhin geschwächt. Die Augenlider ließ ich leicht geöffnet, um zu erfahren, wer da kam.

      Es war Hanna, zusammen mit zwei Geistern. Sie machten die Zelle auf, stießen sie hinein und schlossen die Tür wieder. Ich wollte mich aufraffen, aber ich sah keine Möglichkeit, so schnell bei ihnen zu sein und wusste nicht einzuschätzen, ob Hanna eine Gefahr darstellte, obwohl sie uns verraten hatte.

      „Lasst mich raus!“ brüllte sie und fing an zu weinen.

      „Das können wir nicht machen“, widersprachen die beiden Geister, „und gerade nicht bei dir, wo du uns alle hier in die Hölle geholt hast.“

      „Aber ich wollte doch nur…“, versuchte sie zu erklären, aber sie ließen sie gar nicht ausreden.

      „Schweig!“ rief der eine, „und sei froh, dass wir dich nicht töten!“

      Hanna sackte zusammen. Die beiden zogen ab und wir waren allein. War das eine erneute Falle, um mich auf die Probe zu stellen? Oder war Hanna tatsächlich all die Jahre so blind, ihre Eltern zu sehen, sodass sie alles für das Scheusal getan hatte?

      Hanna weinte immer noch. Sie hatte mich nicht einmal angeschaut. Ich öffnete meine Augen ganz und sah ein kleines, verbittertes und hilfloses Mädchen. Auch ich wäre jetzt gerne bei meinen Eltern. Ich würde auch alles tun, um sie zurück zu bekommen. In diesem Moment hatte ich Mitleid. Andererseits wollte ich Peter retten, denn er konnte auch nichts für die Situation. Vielleicht könnte ich Hanna dafür noch gebrauchen.

      „Hanna?“ fragte ich mit leiser Stimme.

      Hanna hielt sich verdeckt, sodass man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie hörte zwar kurz auf zu weinen, aber nach einigen

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