Die Rache der Zarentochter. Tatana Fedorovna

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Die Rache der Zarentochter - Tatana Fedorovna

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      „Sofern ihr irgendjemanden erzählt, dass ich hier war, sterbt ihr!“, ermahnte sie die vollkommen verängstigten Wachposten. Beide hatten offenbar noch immer mit ihrem Tod gerechnet und nickten glücklich mir aufgerissenen Augen aus einfältigen Gesichtern.

      Wir gingen von den Kosaken eskortiert zurück.

      Das Geheimnis der Fabergé-Eier

      Was sollte ich an einem so trüben Wintertag schon gegen einen Besuch bei dem berühmten Fabergé einwenden? Ich freute mich natürlich über diese Abwechslung. Welches junge Mädchen liebte nicht den Anblick von Juwelen und Gold? Bei Fabergé gab es doch immer etwas zu bestaunen. Peter Carl Fabergé war fast schon ein Mitglied unserer Familie. Der ergraute Juwelier war wie ein Großvater für mich einfach schon immer da gewesen. Unzählige Schmuckstücke hatte er zusammen mit seinen vielen Mitarbeitern in den letzten Jahrzehnten in der Eremitage restauriert. Dieses Palais der Kunst war so etwas wie der Louvre Russlands. Dort gab es allein wegen der Unmenge von Ausstellungsstücken immer etwas für ihn zu tun. Seine Berühmtheit hatte der Goldschmied bereits vor meiner Geburt 1882 bei der Allrussischen Ausstellung durch zahlreiche extravagante und einmalig fantasievolle Schmuckstücke erlangt. Seit dem war allein der Name Fabergé eine renommierte und begehrte Marke. Sein persönliches Auftragsbuch war so voll, dass er auf Jahre ausgebucht war. Internationale Auftraggeber standen Schlange. Die Zeit seines Lebens war zu kurz um alle Aufträge auszuführen. Sein Geschick war weltweit unvergleichlich. Jeder Monarch in dieser Welt wollte inzwischen unbedingt eines seiner verspielten Meisterwerke ergattern. Daran hatte auch der Krieg nichts geändert. Unsere Familie bevorzugte er natürlich. Denn Peter Carl Fabergé war inzwischen zum Hofjuwelier aufgestiegen und durfte diesen Namen auch als Titel in seiner Firmenanschrift verwenden. Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass Mama mich zum Abholen von zwei kürzlich bestellten Werken in seinem Geschäft einlud.

      Wir fuhren mit einem amerikanischen Automobil zu unserem Ziel. Es war ein Geschenk des dortigen Präsidenten und recht bequem. Die USA sympathisierten seit längerem im Krieg mit uns und schienen sich gegen das Deutsche Reich und Österreich zu stellen. Vater erhoffte ihren direkten Eintritt an unserer Seite. Es gab dazu bereits geheime Verhandlungen. Selbst bei der recht kurzen Fahrt stellte ich fest, dass sich die Stimmung in der Stadt noch mehr zum Schlechten gewandelt hatte. Das quicklebendige Petrograd wirkte inzwischen bedrückend und bedrohlich auf mich. Nur einige wenige Getreue trauten sich noch, ihre Verbundenheit mit dem Zarenhaus öffentlich auf der Straße zu zeigen. Winkten die Menschen vor einigen Monaten noch begeistert unserem mit den russischen Reichswimpeln geschmückten Auto zu, so ernteten wir heute fast nur noch böse Blicke. Die Zarenfamilie war in Ungnade gefallen. Der Mord an Rasputin schien die Ereignisse nur zu beschleunigen. Seine Mörder waren davongekommen. Papa hatte sich gegenüber den Tätern aus seiner eigenen Familie als zahnlos erwiesen. Mama verzieh ihm das nicht. Zwischen beiden herrschte deswegen so etwas wie eine kleine Eiszeit. Trotzdem verließ Mama ihren Gemahl in dieser schweren Zeit natürlich nicht. Sie war gläubig, glaubte an die Bedeutung der ehelichen Gelübde und war die russische Zarin, auch wenn sie vor uns immer stärker ihre deutschen Wurzeln betonte. Sicher wollte sie uns Kindern damit ein wenig Hoffnung spenden und andeuten, dass es auch eine Zukunft für uns außerhalb Russlands gab. Aber das machte uns nur um so mehr Furcht.

      Unter den Gaffern sah ich einen Mann auf Krücken durch die Straße humpeln. Wahrscheinlich hatte er ein Bein im Krieg verloren. Er sah mürrisch und finster zu unserem wimpelgeschmückten Wagen und spuckte beim Vorbeifahren in Richtung unseres Autos. Ein lauter Schlag ertönte vom Blech unseres Wagens. Jemand anders hatte tatsächlich mit einem Stein auf die schwarze Karosse geworfen. Wir zuckten zusammen. Der uns begleitende Sicherheitsdienst feuerte zur Sicherheit und Abschreckung einen Schuss in die Luft. Das Leben in der Hauptstadt war für uns gefährlich geworden. Vater Grigorij schien mit seiner düsteren Prophezeiung Recht zu behalten. Angst erfüllte mich.

      Mama zog beherzt die Gardine vor die Scheibe.

      „Schau am besten gar nicht hin!“, ermahnte sie mich.

      „Sie sehen in uns eben als Deutsche an. Du musst auf alles gefasst sein. Wir werden zur Sicherheit nächste Woche die Stadt verlassen und früher nach Zarskoje Selo reisen. Hier wird es einfach zu gefährlich.“

      „Mama, du übertreibst immer so sehr. Es ist halt Krieg. Viele hungern und sind deswegen unzufrieden. Bald wird alles besser!“, widersprach ich halbherzig. „Irgendwann endet auch dieser Krieg.“ Die Wahrheit erschien mir zu bitter. Ich redete sie schön.

      Mama verzog keine Mine. So reagierte sie immer, wenn sie anderer Meinung war. Sie versuchte jedoch nicht, mich zu überzeugen und brauchte sicher meinen pubertären Optimismus nicht.

      Der Wagen hielt bald darauf und unser Chauffeur öffnete eifrig die Tür. Vor und hinter uns parkten die Autos unserer Leibwächter. Ohne diese konnten wir keine Fahrt mehr unternehmen.

      Peter Carl Fabergé ließ es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen, seinen hohen Besuch vor der Eingangstür zu empfangen. Sein Haupthaar war noch dünner und grauer geworden. Sein Bart schien dagegen immer voller zu werden. Genau so stellte ich mir in meinem Inneren einen wahren Künstler vor. Nicht mit äußerlicher Exaltiertheit oder Auffälligkeit, wie bei den unzähligen un- oder halbbegabte Adepten, glänzte ein Meister dieser Zunft, sondern allein mit seinen grandiosen Werken. Sie entsprangen dem Geist der göttlichen Musen und nicht menschlicher Beschränktheit. Der berühmte Goldschmied hatte es nicht nötig, irgendjemandem Bedeutung oder Individualität vorzugaukeln, denn er besaß diese ganz natürlich aufgrund seiner göttlichen Talente. Jeder Besucher spürte sofort, dass er es mit einem ganz besonderen Menschen zu tun hatte. Der alte Fabergé stand mit seinen beiden Beinen fest auf dem russischen Boden. Aus seinem intelligenten Gesicht blickten uns warme und neugierige Augen an. Seine von vielen Falten gestaltete Stirn spiegelte vielfältige Emotionen, durchlebte Gefühle und Erfahrungen wider. Ab fünfzig Jahren hat jeder Mensch das Gesicht, welches er sich durch sein Leben verdient hat. Fabergé war zu diesem Zeitpunkt bereits über siebzig Jahre alt. Er trug einen gut geschneiderten, jedoch nicht unbedingt auffälligen dunklen Anzug, eine dazu passende Krawatte und ein weißes Hemd. Er glich in diesem für ihn typischen Aufzug mehr einem Gelehrten, denn einem Feinschmied. Auch er hatte wie wir zur Hälfte deutsches Blut. Vielleicht verband uns diese Gemeinsamkeit zusätzlich.

      „Meine Zarin, Sie glänzen mit ihrem Besuch mehr als meine gelungensten Schmuckstücke!“, schmeichelte er galant und vertraut zugleich. „Wie schön, dass Sie mir hier die Ehre Ihres Besuches geben. Ich wäre selbstverständlich auch im Palast vorbeigekommen.“

      „Ach gönnen Sie uns doch diese kleine Abwechslung!“, wiegelte Mama ab. Sie wirkte plötzlich so natürlich und ungezwungen in der Nähe dieses Da Vinci des Goldes. Die steife Monarchin fiel wie ein Mantel von ihr ab. So mochte ich sie am liebsten. Ich lächelte für einen Moment glücklich.

      „Prinzessin Olga!“ Faberge küsste ungezwungen meine Hand. „Mein Gott, Sie sind noch schöner als bei unserer letzten Begegnung!“ Er hatte keinerlei Berührungsängste in Bezug auf den höchsten Adel dieser Welt, denn seine Kunst adelte ihn gleichfalls und machte ihn zu einem der unseren.

      Ich klopfte dem Großväterchen vertraut mit meinem Fächer auf den Oberarm. Hoffentlich lebte er noch lange, denn ich mochte ihn gar zu gern und natürlich seinen Schmuck, der mich schon aus den Fenstervitrinen anfunkelte: Kauf mich!

      Ein Angestellter hielt über das gesamte Gesicht willfährig lächelnd einladend die hölzerne Tür auf. Wir traten fröhlich ein.

      Mein Gott, was war das für eine schöne heile Welt inmitten der Not um uns herum. Kein Wunder, dass der alte Mann so zufrieden wirkte. Er hatte sich sein eigenes goldenes Königreich geschaffen. Hier gab es keinen Krieg und kein Leid.

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