Die Frau vom Schwarzen See. Anna-Irene Spindler

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Die Frau vom Schwarzen See - Anna-Irene Spindler

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Das gesparte Geld konnte man für den Start in der neuen Heimat gut gebrauchen. Ob es für Frauen auch die Möglichkeit gab sich die Überfahrt zu erarbeiten, wusste keine von ihnen. Aber in der Euphorie der ersten Stunden verschwendeten Agnes, Mariele und Hedwig keinen einzigen Gedanken an diese ferne Zukunft. Über diese Dinge wollten sie nachdenken, wenn es soweit war. Zu groß war die Aufregung und Freude über das große Abenteuer, in das sie so unvermittelt hinein geschlittert waren.

      Und dann klappte alles so, wie es sich die dreizehn jungen Auswanderer ausgemalt hatten. Nach fünf Tagen erreichten sie die Burg Klingenberg. Mitfahrgelegenheiten ergaben sich auf dem Weg dorthin zwar keine. Dazu waren mitten im eisigen böhmischen Winter zu wenige Fuhrwerke auf den verschneiten Straßen unterwegs. Aber an jedem Abend fanden sie rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit einen Schlafplatz. Die Männer hackten Holz, die Frauen halfen beim Melken oder in der Küche und die Bauern erlaubten ihnen im Gegenzug in ihren Scheunen zu übernachten. Zweimal bekamen sie sogar zusätzlich noch saure Milchsuppe, schön heiß, und für jeden eine Scheibe Brot.

      In Klingenberg saßen sie über zwei Wochen fest. Auf der Moldau trieben zu viele Eisschollen, so dass keine Schiffe fuhren. Aber die Männer und sogar die drei Frauen fanden Arbeit in der Brauerei. Zwei Mahlzeiten am Tag, ein Bett im Gemeinschaftsschlafsaal waren der Lohn für täglich zehn Stunden Arbeit.

      Als es Anfang März wärmer wurde kam der Schiffsverkehr auf dem Fluss wieder in Gang. Hedwig erwies sich als wahre Meisterin in der Kunst des Feilschens. Mit dem Führer eines Lastkahns, der Baumstämme von den Höhen des Riesengebirges nach Hamburg transportierte, verhandelte sie so lange, bis er alle dreizehn Auswanderer kostenfrei mitnahm. Die Männer sollten das Befeuern des Dampfkessels übernehmen, die drei Frauen in der Kombüse arbeiten, für das Essen sorgen und sich um die Wäsche kümmern. Da der Kahn am Zusammenfluss von Elbe und Moldau seine Fahrt erst begann, hatte der Schiffseigner noch keine Mannschaft angeheuert. Er brauchte somit nur einen erfahrenen Maschinisten, der das Befeuern überwachte. Die anderen Arbeiten würden seine Passagiere übernehmen. Der Eigner war mit dieser Vereinbarung sehr zufrieden, denn die aufkommende Kettenschifffahrt auf der Elbe machte den kleinen Frachtkähnen immer mehr zu schaffen. Sie bekamen kaum noch Ladung und mussten deshalb sehr billig transportieren. Die Einsparungen bei der Mannschaft kamen ihm daher sehr gelegen. Hedwig war fest davon überzeugt, dass sie sogar noch eine Entlohnung für die kleine Auswanderertruppe heraus gehandelt hätte, wäre ihr nur genügend Zeit geblieben.

      Auf dem Weg flussabwärts konnten die Männer im Maschinenraum des Frachtkahns wertvolle Erfahrungen sammeln. Als sie schließlich in Hamburg den Kahn verließen, bescheinigte ihnen der Schiffseigner, dass ganz ordentliche Heizer und Kohlentrimmer aus ihnen geworden waren. Die drei Frauen hätte er am liebsten ganz behalten. Besonders Marieles Kartoffelsuppe und Agnes‘ böhmische Knödel hatten es ihm angetan. Hedwig, die für die Wäsche verantwortlich gewesen war, versicherte er immer wieder, dass seine Hemden noch nie so sauber und so weich gewesen wären. Mit der Hoffnung, für die Überfahrt nach Amerika nun bestens gerüstet zu sein, verabschiedete sich die kleine Truppe schweren Herzens von dem wackeren Binnenschiffer. Er wünschte ihnen viel Glück für ihr großes Abenteuer. Dann machte er sich auf die Suche nach einer neuen Fracht Elbe aufwärts zurück nach Mĕlnik.

      Ursprünglich hatten sie vorgehabt, getrennt voneinander nach einem Schiff nach Amerika zu suchen. Aber angesichts des unglaublichen Gewirrs an Anlegestellen, Kais, Trockendocks und Lagerhäusern hatten sie Angst, niemals wieder zusammen zu finden, wenn sie sich einmal aus den Augen verloren hatten. Also zogen sie gemeinsam los. Etliche Male endete ihre Suche in Sackgassen vor riesigen Backsteinlagerhäusern oder an Brackwasserkanälen, die nach fauligem Fisch stanken. Immer wieder mussten sie nach dem Weg fragen, ehe sie schließlich zu den Landungsbrücken gelangten, an denen die großen Segelschiffe und Ozeandampfer lagen. Riesige Schiffsleiber, überragt von einem unübersehbaren Wald an Masten und gewaltigen Schornsteinen bauten sich vor den Augen der kleinen Schar auf.

      „Oh mein Gott!“, entfuhr es Agnes, als sie der unzähligen Schiffe ansichtig wurde. Ein unablässiges Kommen und Gehen herrschte an den Kais. Schauerleute, Matrosen, Passagiere, Händler – alle drängelten um das staunende Auswanderergrüppchen herum, schoben sie unter ärgerlichem Fluchen bald hier hin, bald dort hin.

      Angesichts der großen Schiffe und des unfassbaren Durcheinanders, das an den Landungsbrücken herrschte, presste Hedwig fassungslos ihr kleines Bündel fest an die Brust. Irgendwie hatte sie erwartet, dass das Schiff, das sie nach Amerika bringen sollte, die Größe des Frachtkahns auf der Elbe hätte. Als sie jetzt die gigantischen Schiffsleiber aus Holz und Eisen sah, die an den Kaimauern auf und ab schaukelten und immer wieder mit hässlich kratzenden Geräuschen an den dicken hölzernen Planken entlang geschoben wurden, griff die Angst mit eiskalter Hand nach ihr. Wenn die Schiffe hier im Hafen schon so schrecklich schaukelten, wie würde es dann erst draußen auf dem weiten Ozean sein?

      „Siehst du wie die schaukeln?“, flüsterte sie Agnes leise zu.

      Agnes nickte. „Natürlich schaukeln sie. Was hast du denn gedacht? Dass der Ozean so still da liegt wie der Schwarze See?“

      Auch sie war aufgeregt. Aber nicht weil sie eingeschüchtert war oder Angst hatte. Nein! Sie war aufgeregt, weil endlich ihr lang gehegter Traum zum Greifen nahe war.

      „Ich weiß nicht was ich gedacht hab‘. Aber das hier bestimmt nicht“, stammelte Hedwig. Beim Anblick der schaukelnden Schiffe war ihr der Schreck derartig in die Glieder gefahren, dass die Lust auf ein neues Leben jenseits des großen Ozeans dahin schmolz wie Schnee in der Frühjahrssonne.

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht.“

      „Was kannst du nicht?“, fragte Mariele, die bisher nicht auf Hedwig geachtet hatte und sich nun verwundert zu ihr umwandte.

      „Ich kann nicht in ein Schiff steigen.“

      „Unsinn! Du kommst doch gerade von einem Schiff“, sagte Mariele verständnislos.

      „Das ist nicht dasselbe“, gab Hedwig zu Bedenken. „Das war nur ein kleiner Kahn. Und außerdem fuhr er auf einem Fluss. Der hatte keine Wellen. Und wenn der Kahn untergegangen wäre, hätte ich ans Ufer schwimmen können.“

      „Hat man je so einen Unfug gehört! Du kannst überhaupt nicht schwimmen. Außerdem wärst du in dem eisigen Wasser der Elbe erfroren, bevor du bis zum Ufer hättest plantschen können.“ Mariele rollte mit den Augen.

      Sie hatte für Feiglinge nichts übrig und Dummheit war ihr verhasst.

      „Sei doch nicht dumm! Hast du schon vergessen, wie das Leben zuhause war? Mühsal und Plage von früh bis spät. Ohne jede Aussicht, dass jemals eine Änderung eintritt. In Amerika wird Alles anders sein“, redete Mariele auf die verängstigte Hedwig ein. Aber diese schüttelte wieder energisch den Kopf.

      „Nein! Nicht für alles Geld der Welt werde ich in eines dieser Schiffe steigen. Da will ich lieber bis ans Ende meiner Tage als Kleinmagd schuften. Ich geh‘ wieder zurück in den Böhmerwald.“

      Mariele zuckte mit den Schultern. „Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Aber du wirst es bis zum Ende deines Lebens bereuen.“

      Sie küsste Hedwig auf beiden Wangen. Dann drehte sie sich um und beobachtete weiter das bunte Treiben. Für sie war der Fall erledigt.

      Agnes hakte sich bei Hedwig ein und zog sie ein paar Schritte beiseite.

      „Willst du wirklich nicht mit uns mitkommen?“, fragte sie.

      „Nein“, sagte Hedwig. „Die große weite Welt ist nichts für mich.“

      „Und

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