Die Frau vom Schwarzen See. Anna-Irene Spindler

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Die Frau vom Schwarzen See - Anna-Irene Spindler

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nicht. Ich werde schon einen Weg finden.“

      Agnes betrachtete die junge Frau neben sich. Ehe sie zu ihrer gemeinsamen Reise aufgebrochen waren, hatten sie sich nur flüchtig gekannt. Während der vergangenen Tage hatte sich jedoch eine stille Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Anders als Mariele war Hedwig still und zurückhaltend. Sie hatte nicht viel geredet. Aber durch ihre stete, freundliche Hilfsbereitschaft war sie Agnes sehr ans Herz gewachsen. Es tat ihr leid, dass Hedwig nun ganz alleine zurückbleiben würde.

      „Vielleicht nimmt dich der Frachtschiffer wieder mit zurück nach Mĕlnik.“

      „Natürlich! Das ist eine gute Idee. Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin.“ Ein schelmisches Grinsen huschte über Hedwigs Gesicht.

      „Er war doch so angetan von den weichen Hemden. Vielleicht stellt er mich ja als Wäscherin an. Ich mache mich besser gleich auf den Weg, bevor er seine Ladung beisammen hat und Elbe aufwärts davon dampft.“

      „Findest du allein zurück zu der Anlegestelle der Binnenkähne, oder soll ich mitkommen?“

      „Danke, Agnes! Das ist lieb von dir. Aber ich finde den Weg schon. Und wenn nicht, kann ich ja fragen. Anders als in Amerika verstehen mich hier die Leute.“ Herzlich umarmte sie Agnes. „Pass gut auf dich auf, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten!“

      „Und du gib acht, dass du beim Wäsche aufhängen nicht in die Elbe plumpst!“

      Ihr Bündel fest an sich gepresst, drehte sich Hedwig um. Nach ein paar Metern blieb sie stehen und winkte Agnes zum Abschied noch einmal zu. Dann verschwand sie im Getümmel.

      April 1870

      Ganz allmählich konnten die beiden Frauen die Grenze zwischen Wasseroberfläche und Himmel erkennen. Das heller werdende Schwarz des Firmaments zeichnete sich immer deutlicher vom schwarz-grünen Wasser des Atlantiks ab. Seit nunmehr sechzehn Tagen standen sie jeden Morgen vor Sonnenaufgang am Bug des Dampfers und starrten in die Dunkelheit. Seit sechzehn Tagen warteten sie darauf, dass am Horizont die Umrisse der Stadt New York auftauchen würden. Der Kapitän der Atlantica hatte ihnen beim Auslaufen des Frachtdampfers gesagt, dass die Überfahrt mindestens achtzehn Tage dauern würde. Aber das hinderte Agnes und Mariele nicht daran, jeden Morgen Ausschau zu halten nach ihrer neuen Heimat.

      Der Start in Hamburg hatte sich als recht schwierig erwiesen. Tagelang waren sie durch das Hafengebiet gestreift auf der Suche nach einem Schiff, das sie nach Amerika mitnehmen würde. In der übelsten Gegend der Hafenstadt hatten sie eine billige Unterkunft gefunden. Trotzdem zehrte jeder Tag ihres Aufenthalts an ihren kümmerlichen Ersparnissen. Nach vier Tagen vergeblicher Suche hatten sie endlich einen Passagierdampfer gefunden, der am nächsten Morgen nach New York auslaufen sollte. Allerdings kostete die einfachste Kabine im untersten Deck 120 Mark. Nur einer der Männer hatte genügend Geld gespart um diesen Preis bezahlen zu können. Aber auf dem Dampfer wurden noch drei Kohlentrimmer und ein Heizer gesucht. Also hatte die Gruppe schweren Herzens beschlossen sich zu trennen. Als die vier Burschen an Bord des Dampfers gingen, standen die verbliebenen acht jungen Böhmerwäldler an der Mole, drückten ihre Freunde zum Abschied, wünschten ihnen alles Gute und winkten ihnen hinterher, ehe sie im Bauch des großen Dampfers verschwanden. Jeder von ihnen wusste, dass es mit ziemlicher Sicherheit ein Abschied für immer wäre. Mutlos und mit hängenden Köpfen machten sich die Zurückgebliebenen wieder auf die mühsame Suche nach einem Schiff.

      Schließlich war es Mariele, die ihnen die Überfahrt sicherte. Drei Tage nachdem sie sich von ihren Freunden getrennt hatten, drückten sich Mariele und Agnes wieder an den Landungsbrücken herum. Neugierig beobachteten sie das Beladen eines Frachtdampfers. Holzkisten wurden an Bord gebracht. Sie wurden nicht, wie sonst üblich, in großen Netzen verstaut mit Kränen über die Ladeluken gehievt und dann abgelassen, sondern einzeln mit Schubkarren über eine Planke geschoben. Eine sehr umständliche Methode, wie Agnes fand.

      „Ich möchte wissen, was die da verladen. Scheint ja etwas ganz Besonderes zu sein, wenn sie so ein Aufhebens darum machen“, sagte sie.

      Die beiden Frauen wollten gerade weiter gehen, als es geschah. Einer der Schauerleute hatte offensichtlich zu wenig Schwung geholt. Er schaffte es nicht die Schubkarre in einem Ansatz bis zum Schiffsdeck hoch zu schieben. Er verlor das Gleichgewicht und die Karre kippte um. Mit einem lauten Scheppern krachte die Holzkiste auf die Mole. Der Lademeister, der das Beladen überwachte, lief rot an und begann mit wüsten Flüchen den Hafenarbeiter zu beschimpfen. Die anderen Arbeiter stellten sich auf die Seite ihres unglücklichen Kollegen und in kürzester Zeit hallte die Mole wider von üblem Geschrei und Beschimpfungen. Schließlich machten die sechs Schauerleute kehrt und ließen den fluchenden Lademeister einfach stehen. Mariele packte Agnes am Arm.

      „Lauf‘ und hol‘ die Männer. Beeil dich! Ich versuche den Lademeister zu überzeugen, dass wir genau die Richtigen sind, um ihm aus seiner Notlage heraus zu helfen.“

      Ohne weiter auf Agnes zu achten, rannte sie zu dem Frachtdampfer und erklomm mit so sicherem Schritt das Deck, als hätte sie sich ihr ganzes Leben lang auf schwankenden Planken bewegt.

      Als Agnes mit den sechs Männern zurückkam, hatte es Mariele tatsächlich geschafft, den Lademeister davon zu überzeugen, dass ihre Freunde bestens geeignet wären, die kostbare Ladung fachgerecht zu verstauen. Wie sie herausgefunden hatte, befand sich in den Kisten sündhaft teures Meißner Porzellan. Es waren Sonderanfertigungen für den amerikanische Millionär William Backhouse Astor. Dieser hatte den Frachtdampfer Atlantica für eine geradezu fürstliche Summe eigens für den Transport des Porzellans angemietet. Die Bezahlung sollte jedoch nur unter der Bedingung erfolgen, dass lediglich ein Prozent des fünfhundertteiligen Porzellanservices bei der Überfahrt zu Bruch ginge. Als der unglückliche Arbeiter die Kiste zu Boden fallen ließ, war zum Glück nur ein Suppenteller zerbrochen. Das bedeutete, dass immer noch gute Aussichten bestanden, die kostbare Fracht nahezu unversehrt in New York abzuliefern und die Entlohnung zu kassieren. Die kräftigen Burschen aus dem Böhmerwald schafften die Kisten mit so großer Vorsicht in den Laderaum des Frachters, als würden sie rohe Eier transportieren. Agnes und Mariele machten sich ebenfalls nützlich. Sie fanden einen gewaltigen Haufen alter Kleider und leerer Kohlensäcke. Der Lademeister hatte sie bereits gemeinsam mit einen enormen Berg Holzwolle unter Deck bringen lassen. Die Holzwolle stopften die beiden Frauen in die leeren Kohlensäcke. Die alten Kleider wurden in mehreren Lagen um die Kisten gewickelt. Dann wurden die Säcke mit der Holzwolle zwischen die Kisten gestopft und auch außen herum geschichtet. Schließlich wurde das Frachtgut noch kreuz und quer mit dicken Tauen gesichert, die an den Eisenträgern des Laderaums verankert wurden. Der Lademeister war mit ihrer Arbeit so zufrieden, dass er nicht Nein sagen konnte, als Mariele ihn bekniete sie mit nach New York zu nehmen. Die Männer sollten, wie schon auf dem Elbkahn, das Heizen übernehmen und die beiden Frauen in der Kombüse arbeiten. So kam es, dass die acht Auswanderer eine Woche nach ihrer Ankunft in Hamburg an Bord des Frachtdampfers Atlantica das alte Europa in Richtung Amerika verließen.

      Nun standen also Agnes und Mariele wie an jedem Morgen, ehe sie ihre Arbeit in der Kombüse aufnahmen, an der Reling und hielten Ausschau.

      „Was meinst du? Wie wird es wohl werden?“ Fragend sah Mariele ihre Gefährtin an.

      Agnes zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob wir eine Unterkunft und Arbeit finden. Wir haben kaum noch Geld. Und es gibt bestimmt viele Menschen in New York, die auf der Suche nach Arbeit sind. Aber ich weiß, dass wir es schaffen werden, wenn wir nur hart genug arbeiten und wenn wir immer fest zusammen halten.“

      Mariele nickte zustimmend. „Ja, es wird bestimmt nicht leicht werden. Aber es gibt nichts, was wir Beide nicht schaffen könnten. Die Arbeit möchte ich sehen,

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