Als Erich H. die Schule schwänzte. Hans-Georg Schumann

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Als Erich H. die Schule schwänzte - Hans-Georg Schumann

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Und er versuchte, diesem Kerl aus dem Weg zu gehen. Doch eines Tages schwenkte er um. Überrascht stellte Viktor plötzlich fest, dass Urban ihn freundlich behandelte. Sogar neben ihm sitzen wollte. Und ihm immer wieder Antworten vorsagte, wenn Viktor mal von einem Lehrer drangenommen wurde.

      Eine direkte Hilfe in Mathematik oder Englisch kam ohnehin nicht infrage, weil beide in zwei verschiedenen Leistungskursen waren. In den meisten Fächern wurde integriert unterrichtet, nur in Mathe und den Sprachen gab es eine Unterteilung in A, B und C. Während Urban nur an A-Kursen teilnahm, war Viktor überall in C. Hülya befand sich dazwischen. Sie besuchte meist B-Kurse, nur in Deutsch und Englisch hielt sie sich noch in A.

      Die Möglichkeiten zum Abschreiben, die Urban Viktor bot, konnte der nicht immer nutzen. Manchmal ergab sich nicht die Gelegenheit, davon unbemerkt Gebrauch zu machen, weil Viktor darin ziemlich ungeschickt war. Wenn er abschrieb, setzte er die geschenkten Informationen oft an den falschen Stellen ein.

      Urbans Hilfe war letztlich oft nutzlos. Dass sich einige Zensuren für Viktor dennoch verbesserten, lag daran, dass es Urban gelang, ihm einige Referate aufzuschwatzen. Urban verfasste sie und Viktor trug sie unter seinem Namen vor.

      So entwickelte Viktor ein übermäßiges Gefühl von Dankbarkeit. Und das hatte Folgen. Von nun an nämlich war er Urban geradezu hörig. Und der hatte damit einen eigenen Leibwächter und »Vollstrecker« – wie Urban das nannte.

      Im Laufe der Zeit war aus beiden ein völlig ungleiches aber dessen ungeachtet harmonisches Paar geworden. »Wie ein Liebespaar«, lästerte Hülya gern.

      Im Gegensatz dazu war die Beziehung zwischen Urban und Hülya vor allem durch Hass gekennzeichnet. Die ständigen Versuche Urbans, Hülya zu schikanieren und dazu oft Viktor zu missbrauchen, waren auch ein Grund für sie, immer wieder die Schule zu schwänzen.

      Tröstlich war nur, dass dieses Paar eine Art Ehrenkodex hatte, zu dem auch gehörte, dass man Mädchen nicht schlug. Die Prügel waren also geistig-seelischer Art. Und auf dem Gebiet war Hülya Urban durchaus gewachsen. Manchmal machte es ihr sogar Spaß, sich mit diesem eingebildeten Kerl zu messen. Auch wenn sie nicht selten den Kürzeren zog. Aber eben nicht immer. Und wenn Urban einmal eine Wortschlacht verloren hatte, genoss sie es doppelt.

      Viktor dagegen schien von alledem nicht viel mitzubekommen. Er stand da und lächelte. Egal, wie ein Streit zwischen Urban und Hülya ausging, Viktor lächelte in dem Glauben, dass sein Herr und Meister den »Kampf« sowieso für sich entschieden hatte. Erst das wütende Gesicht von Urban ließ sein Lächeln ersterben und machte einer verdutzten Miene Platz.

      Viktor tat Hülya leid. Sie hatte nichts gegen ihn, solange er ihr nichts tat. Wenn sie es auch schlimm fand, wie er andere Jungs behandelte, meist auf Urbans Geheiß. So war Viktor schon in einige Schlägereien verwickelt, aus denen er aber immer als klarer Sieger hervorging.

      Das schien das einzige zu sein, bei dem Viktor Anerkennung bekam. Zumindest war er gefürchtet. Und Viktor fasste diese Furcht als Respekt auf, den alle scheinbar vor ihm hatten. Jedenfalls hatte Urban ihm das so erklärt.

      »Später, wenn ich erfolgreich und reich bin«, meinte Urban einmal zu Viktor, »wirst du mein starker Assistent.« Was immer das war – Viktor wagte nicht nachzufragen – es klang gut.

      Keiner außer Viktor mochte Urban also wirklich. Der spürte natürlich die wachsende Isolation. Zwar wurden seine Leistungen durch die Lehrer als hervorragend bewertet (für Urban waren Einsen und Zweien in den Klassenarbeiten Standard), bei vielen aber hatte er sich inzwischen eher unbeliebt gemacht. Für so manche Lehrer war er ein Besserwisser. Und sie fühlten sich durch ihn in ihrer Autorität und trotz ihres Wissensvorsprungs herabgesetzt.

      Das jedenfalls war Hülyas Eindruck. Aber sie wusste, dass die meisten Lehrer auch von ihr nicht viel hielten. Ausnahme war Hoofeller, der zwar auch manchmal über ihr häufiges Fehlen witzelte, sie deshalb aber als Mensch und als Schülerin nicht abwertete. Gerade das passte Urban nicht, zumal Hoofeller bei ihm offenbar schärfere Maßstäbe ansetzte als bei schwächeren Schülern.

      Urban war natürlich auch bei Hoofeller in den Fächern Deutsch und Englisch gut. Aber eben nur gut, nicht hervorragend. Denn dieser Lehrer hatte die Eigenart, die gleiche Leistung bei einem schwächeren Schüler höher zu bewerten als bei jemandem wie Urban. Das hatte schon zu einigen Streitigkeiten zwischen Hoofeller und Urban geführt. Außerdem hatten sich dessen Eltern schon mehr als einmal beschwert.

      Urban verbreitete dies natürlich sofort weiter, und er setzte noch eins drauf: Da liefe sogar etwas über die Schulleitung und hätte für Hoofeller wohl auch rechtliche Folgen.

      Hülya wusste nicht, ob Urban sich nur wie üblich wichtigmachen wollte, oder ob da wirklich etwas dran war. Na ja, gleiche Leistung verschieden zu bewerten war wohl auch ein Problem – für den, der an und für sich die bessere Zensur bekommen müsste.

      Und nun war Hoofeller nicht da. Ob er für immer wegbleiben würde, einfach so? Das konnte er nicht tun, das würde ihn doch seine Rente kosten? Hülya wunderte sich, warum sie sich darüber Gedanken machte.

      Aber es war schon ein bisschen ungewöhnlich, wenn ein Lehrer mal schwänzte. Das heißt, bestimmt kam das öfter vor. Es fehlten ja immer mal wieder Lehrer. Wie es hieß, waren die krank oder auf Dienstreise. Aber es könnte ja sein, dass einige von ihnen wirklich schwänzten. Und einer davon war jetzt eben Hoofeller.

      Na und? Sie gönnte ihm das, sich auch mal von den Schülern zu erholen. Doch es passte nicht zu ihm. Sie hatte ihn zwar erst seit diesem Schuljahr in Deutsch und in Englisch. Von anderen Schülern aber wusste sie, dass er selten fehlte. Und wenn, dann war er wirklich krank. Oft war er vorher schon so krank, dass man es ihm ansah. Und dann, einen Tag später, fehlte er dann auch. Und wenn er zurückkam, sah man ihm wieder an, dass er krank gewesen war.

      Also war es diesmal doch anders. Hoofeller war einfach weggeblieben, ohne krank zu sein. Einfach so. Und hatte nicht mal einen Grund. Er hatte sich auch nicht die Mühe gemacht, einen zu erfinden.

      06

      Erich war früh aufgestanden. So wie immer, wenn er zur Schule musste. Heute hatte er frei. Sein zweiter Schwänztag, schmunzelte er vor sich hin. Schon gestern, gleich nach dem Gespräch mit Hülya, war er bei seinem Hausarzt gewesen. Anschließend hatte er nochmals in der Schule angerufen und sich bis zum Freitag einschließlich krankgemeldet. Das Attest würde er am Montag mitbringen.

      Es erschien es ihm noch immer unverständlich, warum er nicht in der Schule war. In der ersten Stunde hatte seine Neunte Deutsch. Wahrscheinlich würden sie die ausfallen und die Schüler eine Stunde später kommen lassen.

      Ob Hülya heute erschienen war? Oder schwänzte sie ebenso wie er und trieb sich gerade wieder in der Stadt herum?

      Erich hatte beschlossen, um den See herum spazieren zu gehen. Zumindest einen Teil des knapp fünf Kilometer langen Rundwegs könnte er abwandern. Dabei hatte er fast ständig einen Blick aufs Wasser. Viele Abschnitte des Rundwegs verliefen im Schatten, allerdings war auch der größte Teil nicht befestigt. Er würde sich also seine Wanderschuhe mit den dicken Sohlen und der Luftfederung anziehen.

      Ehe er losging, zögerte er noch einmal kurz. Und was, wenn ihn jemand von den Kollegen sehen würde? Die waren nämlich nicht alle in der Schule, einige hatten erst später Unterricht, teilweise erst am Nachmittag.

      Da war Erich pingelig. Immer wenn er einmal krank war – was selten der Fall war – blieb er zu Hause. Verließ nur seine Wohnung, um zum Arzt oder zur Apotheke zu gehen. Niemand sollte ihn irgendwo herumbummeln

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