Himmel. Harald Winter

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Himmel - Harald Winter

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hätte er davon ihm einen falschen Ratschlag zu geben, der die Geschehnisse wenn überhaupt nur unwesentlich beschleunigte? Jonathan folgte der Geste des fetten Kerls und tastete mit dem Fuß nach dem Vorsprung der dort sein mochte oder auch nicht. Was hatte er schon zu verlieren? In wenigen Augenblicken würde er zum ersten Mal in seinem Leben erfahren, was freier Fall wirklich bedeutete; und zugleich auch zum letzten Mal, wenn kein Wunder geschah. Jonathan schloss die Augen und streckte sich so weit er konnte. Und tatsächlich; da war etwas an dem sein Fuß Halt fand. Genug jedenfalls um seine schmerzenden Finger zu entlasten und endlich wieder tief durch zu atmen. Gleichzeitig mit dem Sauerstoff fluteten neue Kräfte durch seine Adern, die sie seine verkrampften Muskeln lockerten und ihm den Willen durchzuhalten zurückgaben, den er schon verloren geglaubt hatte. „Toll“ rief der fette Kerl mit fröhlicher Stimme und klatschte in die Hände. Jonathan verzichtete darauf nach oben zu sehen und ignorierte den seltsamen Fremden. Er musste weiter nach unten. Stück für Stück schob er sich weiter, immer wieder vorsichtig tastend, nach den Schwierigkeiten, die er gerade überstanden hatte in dem Bewusstsein, dass der Fels dieser Wand auch brüchig sein konnte. Gleichzeitig schwor er sich mit jedem Meter den er mühsam zurücklegte, nie wieder auf irgend etwas zu klettern das höher war als eine Leiter. Plötzlich fiel ein Schatten über ihn. Erstaunt sah er, dass der fette Kerl direkt neben ihm in der Luft schwebte, ohne sich irgendwo festzuhalten. Der Typ kann fliegen. „Das hat jetzt lange genug gedauert, findest du nicht auch? So war das nicht vorgesehen.“ Bevor Jonathan verstand was er damit meinte bewegten sich die großen Hände des Kerls, griffen nach seinen Fingern und lösten sie mit einem Ruck vom Fels. Für einen kurzen Moment gelang es Jonathan das Gleichgewicht zu halten. Dann kippte er wie ein Brett nach hinten und fiel. Er ruderte mit den Armen, überschlug sich und hörte mit zunehmender Panik, wie die Luft immer schneller an seinen Ohren vorbei rauschte. Wie lange würde es dauern, bis er gegen die Felswand prallte? Oder würde er ungebremst bis zum Boden der Schlucht fallen? Er wusste, dass er nicht schneller als mit einer gewissen Geschwindigkeit fallen konnte. Das hatte etwas mit der Gravitation zu tun; und mit dem Luftwiderstand. Genau wusste er es nicht mehr. Wenn er unten ankam würde er aber auf jeden Fall viel zu schnell sein, um auch nur den Hauch einer Überlebenschance zu haben. Jonathan hatte viele Geschichten gelesen, die besagten, dass vor dem sicheren Tod das ganze Leben wie ein geraffter Film an einem vorbeilief. Die Wahrheit war wesentlich profaner und beinahe beschämend. In seinem Kopf war nur Platz für kreatürliche Angst und sinnlose Gedankenspielereien. Keine großen Erkenntnisse bevor er abtrat; keine Einsicht getragen von der Weisheit der letzten Momente. Vielleicht bist du auch nicht...Jonathan blinzelte. Plötzlich raste der Boden unheimlich schnell auf ihn zu. Bevor er die Augen schließen konnte löschte ein greller Blitz seine Gedanken aus.

      „Köstlich! Köstlich!“ sagte eine vertraute Stimme. „Ich sehe immer wieder gern dabei zu. Könnte den ganzen Tag lang nichts anderes machen.“ Bin ich... Jonathan begriff, dass er entgegen jeder Logik noch am Leben war. Und nur wenige Schritte von ihm entfernt stand dieser verdammte Kerl, dessen Füße knapp über dem Boden schwebten. Er ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er etwas Besonderes war. Wenigstens wirst du nicht von einem Durchschnittstypen verspottet. Jonathan sah sich selbst, die Hände fest um den Hals des fetten Kerls gekrümmt, dem langsam die Luft ausging. Eine durchaus verlockende Vorstellung, die sich aber nicht in die Tat umsetzen ließ. Zumindest so lange er geschwächt war. Danach aber... „Wenn du dich stark genug fühlst darfst du es gerne versuchen“ sagte der Glatzkopf dessen Gesichtsausdruck sich von einem Moment auf den anderen drastisch verändert hatte. Er sah plötzlich beinahe bedrohlich aus und in seinen Augen blitzte etwas das Jonathan schaudern ließ. Erst jetzt begriff er, dass er es möglicherweise nicht mit einem etwas verschrobenen harmlosen Mann zu tun hatte. Vielleicht war er nicht einmal ein Mann. In einer Umgebung, die wahrscheinlich seiner eigenen Fantasie entsprang war schließlich alles möglich. Er fragte sich, ob ihm irgend etwas hier wirklich gefährlich werden konnte? Was, wenn er hier starb? Warum endete jeder Traum vom Fallen vor dem Aufprall? Was verbarg sich hinter diesem Moment? Endete das Leben, wenn der Traum jäh mit dem Aufprall abbrach? Jonathan setzte sich auf und wartete darauf, dass der Schock seines Absturzes nachließ und der Schmerz durch seine Glieder schoss. Aber es geschah nichts. Er richtete sich auf wie tausende Male zuvor und saß. Nichts weiter. Aufmerksam sah er an sich herab und ließ den Blick über den eigenen Körper schweifen, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. Die Kleidung sah nicht anders aus als vor dem Absturz und seine Haut war unversehrt. Manche Menschen sahen schlimmer aus, nachdem sie einfach nur aus dem Bett gefallen waren. Vielleicht war er gar nicht... nein, die Felswände die zu beiden Seiten, nur ein paar Dutzend Meter von ihm entfernt aufragten belehrten ihn eines Besseren. Er saß am Grund der Schlucht. Und er hatte sich den Fall nicht einfach nur eingebildet. Jetzt frage ich mich schon ernsthaft, ob ich mir innerhalb meiner Einbildung etwas nur einbilde. Absurd. Jonathan konnte nicht anders. Seine Mundwinkel hoben sich und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Absurd war genau das richtige Wort, das alles was in den letzten Stunden; oder waren es schon Tage?; ereignet hatte beschrieb, ohne zu untertreiben. Und scheinbar wurde es noch schlimmer. Jonathan fragte sich, ob er in der realen Welt langsam immer tiefer ins Delirium abglitt. Ob sie schon darüber nachdenken, wer in Frage kommt um das Formular für das Abschalten der Maschinen zu unterschreiben? Der fette Kerl wartete mit einem verkniffenen Ausdruck im Gesicht, aber mit stoischer Ruhe darauf, dass sich Jonathan wieder bewusst wurde, dass er nicht alleine war. Für ihn war es unerheblich, wie lange etwas dauerte. Zeit spielte für ihn keine Rolle. Jonathan löste den Blick von den glatten, senkrechten Felswänden, die seine Welt im Moment begrenzten und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem seltsamen Mann zu, der aus irgend einem Grund den Weg in seine Fantasie gefunden hatte. Er konnte sich nicht erinnern jemals jemanden gekannt zu haben, der so aussah. Vielleicht war es auch nur eine Figur aus einem Film, den er irgendwann einmal gesehen hatte. Warum sein Unterbewusstsein kein angenehmeres Bild heraufbeschwören wollte verstand er nicht, aber er konnte auch nichts daran ändern. Woran er auch dachte, der Kerl verschwand nicht. Er saß einfach nur da und starrte ihn mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen an. Er sah aus wie jemand der eine Katze beobachtete und fest damit rechnete, dass sie etwas Verbotenes tun würde. Aber Jonathan hatte nichts dergleichen vor. Das bedrohliche Glitzern in den Augen seines Gegenübers machte ihm mehr Angst als er sich eingestehen wollte. Dieser fette unscheinbare Mann konnte... schweben. Etwas das Jonathan nicht von sich behaupten konnte. Er hatte nicht die geringste Ahnung was der Kerl noch alles können mochte und er wollte es eigentlich auch gar nicht wissen. Jedenfalls würde er nun vorsichtiger sein. Und er hoffte, dass es ihm gelingen würde seine Gedanken im Zaum zu halten, die der andere scheinbar, zumindest zum Teil, lesen konnte. „Was willst du von mir?“ fragte Jonathan er mit schwacher Stimme, ohne wirklich mit einer sinnvollen Antwort zu rechnen, aber er musste einfach irgend etwas sagen, um das unheilvolle Schweigen zu brechen. Er hielt es einfach nicht mehr aus, dass der fette Kerl ihn mit diesen unheimlichen Augen unverwandt anstarrte. Er kam sich langsam vor wie die Fliege, die hilflos im Netz einer Spinne gefangen war, die sie mit unverhohlener Gier musterte während sie sich ihrem Opfer langsam näherte. „Ich? Ich will überhaupt nichts von dir. Ich bin nur hier um aufzupassen, dass du keinen Unfug anstellst.“ Jonathan sah überrascht auf und suchte im Gesicht seines Gegenübers nach Anzeichen, dass der sich über ihn lustig machte. Nichts. Immer noch war da nur diese kaum verhohlene Drohung. Was soll das heißen, auf mich aufpassen? Wer hat dich hergeschickt? Diese Fragen stellte er nicht. „Warum?“ war alles was er zustande brachte. Es fiel ihm unheimlich schwer die Worte die in seinem Kopf hin und her schwirrten wie Motten um das Licht, zu artikulieren. Seine Lippen schienen nicht mehr mit seinem Gehirn verbunden zu sein. „Weil er es will“. Jonathan riss die Augen auf und sah den fetten Kerl mit neu erwachtem Interesse an. Endlich hatte er eine Antwort erhalten, mit der er etwas anfangen konnte. Er. Wer war er? War er das etwa selbst? Ein Teil von ihm, der unbewusst den Traum steuerte, damit er sich nicht in eine falsche Richtung entwickelte? Als ob er das nicht schon längst getan hätte. Sein Gegenüber hob den schwabbligen Arm und ließ ihn seinen bereits geöffneten Mund wieder schließen. „Bevor du mich fragst, wer er ist, lass mich dir zuerst sagen, dass das hier kein Traum ist. Du liegst nicht in irgend einem Krankenhaus und fantasierst dir irgend einen Mist zusammen. Auch wenn das mit Sicherheit besser für dich wäre.“ „Und was ist das dann?“ Jonathan breitete die Arme in einer allumfassenden Geste aus. „Was zum Teufel soll das

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