Die Erziehung der Gefühle. Gustave Flaubert

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Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert

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Brokatgewande eine hohe Porphyrtreppe herab. Ein andermal träumte er, wie sie in gelbseidenen Pantalons auf den Polstern eines Harems saß; – und alles Schöne, das Funkeln der Sterne, gewisse Melodien, der Klang eines Satzes, ein Kontur, lenkte unvermittelt und unvermerkt seine Gedanken auf sie hin.

      Denn sie zu seiner Geliebten zu machen, war sicher ein vergebliches Bemühen.

      Eines Abends küßte sie Dittmer, der gekommen war, auf die Stirn; Lovarias tat es ebenfalls mit den Worten:

      »Sie gestatten doch, nicht wahr, in anbetracht des Privilegiums der Freunde?«

      Frédéric stammelte:

      »Ich denke, wir alle sind Freunde?«

      »Nicht alle alte!« erwiderte sie.

      Das hieß ihn indirekt von vornherein zurückstoßen.

      Aber was sollte er tun? Ihr sagen, daß er sie liebe? Sie würde ihn ohne Zweifel abweisen oder ihn entrüstet aus dem Hause jagen! So zog er der furchtbaren Aussicht, sie nicht mehr zu sehen, alle Qualen vor.

      Er beneidete die Pianisten um ihr Talent, die Soldaten um ihre Narben. Er wünschte sich eine gefährliche Krankheit in der Hoffnung, dadurch ihr Interesse zu wecken.

      Eines wunderte ihn: daß er nicht eifersüchtig auf Arnoux war; und er konnte sie sich nicht anders als angekleidet vorstellen, – so natürlich schien ihre Schamhaftigkeit, die ihr Geschlecht in ein geheimnisvolles Dunkel hüllte.

      Indessen träumte er von dem Glück, mit ihr zu leben, sie zu duzen, mit der Hand langsam über ihre Scheitel zu streichen oder, vor ihr auf der Erde kniend, den Arm um ihre Taille, ihr die Seele aus den Augen zu trinken! Dazu aber hätte er das Schicksal zwingen müssen, und unfähig, etwas zu tun, lästerte er Gott, zieh sich der Feigheit und wand sich in seinem Verlangen, wie der Gefangene in seiner Zelle. Eine beständige Angst erstickte ihn. Stundenlang saß er unbeweglich, oder er brach in Tränen aus; und eines Tages, als er nicht die Kraft hatte, sich zusammenzunehmen, fragte ihn Deslauriers:

      »Himmeldonnerwetter! was hast du denn?«

      Frédéric schob alles auf seine Nerven. Deslauriers glaubte nicht daran. Vor einem solchen Schmerz fühlte er seine Liebe zu ihm wieder erwachen und er tröstete ihn. Ein Mann wie er sollte verzagen, welche Torheit! Das ginge noch in der Jugend hin, später aber hieße das seine Zeit verlieren.

      »Du gehst mir zu Grunde, Frédéric! Sei wieder der alte! Immer dieselbe Geschichte! Früher gefielst du mir besser! Komm, rauche deine Pfeife, alter Junge! Raffe dich auf, du bringst mich zur Verzweiflung!«

      »Es ist wahr,« sagte Frédéric, »ich bin ein Narr!«

      Der Schreiber fuhr fort:

      »Ach, du alter Troubadour, ich weiß wohl, was dich betrübt. Das Herzchen? Gestehe es! Ach was! Eine verloren, vier gewonnen! Über die tugendhaften Frauen tröstet man sich mit den anderen. Willst du, daß ich dich mit Weibern bekannt mache? Du brauchst nur in die Alhambra zu kommen.« (Es war ein kürzlich oben in den Champs-Elysées eröffnetes öffentliches Ballhaus, das durch einen für diese Art von Etablissements verfrühten Luxus schon in der zweiten Saison einging.) »Man amüsiert sich dort, wie es scheint. Laß uns hingehen! Du nimmst deine Freunde mit, wenn du willst; ich gestatte dir selbst Regimbart!«

      Frédéric lud den Citoyen jedoch nicht ein. Deslauriers verzichtete auf Sénécal. Sie nahmen nur Hussonnet, de Cisy und Dussardier mit; und dieselbe Droschke setzte alle fünf an der Tür der Alhambra ab.

      Zwei maurische Galerien zogen sich parallel nach rechts und links hin. Die Wand eines Hauses nahm den ganzen Hintergrund ein, und die vierte Seite (die des Restaurants) stellte ein gotisches Kloster mit bunten Scheiben dar. Eine Art chinesisches Dach schützte die Estrade, wo die Musikanten spielten; der Boden ringsum war asphaltiert, und an Pfosten hängende venetianische Laternen bildeten, von weitem gesehen, an den vier Abteilungen vielfarbige Lichtkronen. Ein Postament hier und da trug eine Steinschale, aus der ein dünner Wasserstrahl emporstieg. In dem Laubwerk bemerkte man Gips-Statuen, Heben und Cupidos, ganz klebrig von Ölfarbe; und die zahlreichen Alleen, mit sehr gelbem, sorgfältig geharktem Sand bedeckt, ließen den Garten noch größer erscheinen, als er schon war.

      Studenten spazierten mit ihren Mädchen; Kommis in Mode-Neuheiten spreizten sich mit einem Stöckchen zwischen den Fingern; Schüler rauchten Regalias; alte Hagestolze strichen behaglich ihre fahlen Bärte mit einem Kamm; man sah dort Engländer, Russen, Südamerikaner, drei Orientalen im Turban. Loretten, Grisetten und Mädchen waren in der Hoffnung gekommen, einen Gönner, einen Liebhaber, ein Goldstück zu finden, oder einfach um des Tanzvergnügens willen; und ihre Kleider mit wassergrünen, blauroten oder violetten Überwürfen bewegten sich, glitten zwischen Ebenholzbäumen und Fliederbüschen vorüber. Fast alle Männer trugen karierte Stoffe, einige weiße Beinkleider trotz der Frische des Abends. Die Gasflammen wurden angezündet.

      Hussonnet kannte durch seine Beziehungen zu den Zeitungen und kleineren Theatern viele Damen; er warf ihnen Kußhände zu und verließ von Zeit zu Zeit seine Freunde, um mit ihnen zu plaudern.

      Deslauriers wurde eifersüchtig auf dieses Gebaren. Er redete eine große, in Nanking gekleidete Blondine an. Nachdem sie ihn mit mürrischer Miene betrachtet hatte, sagte sie: »Nein, dir trau’ ich nicht, mein Lieber!« und kehrte ihm den Rücken.

      Er versuchte es von neuem bei einer vollen Braunen, die offenbar verrückt war, denn sie prallte beim ersten Wort zurück und drohte die Polizei zu holen, wenn er sie weiter belästigte. Deslauriers zwang sich zu lachen; dann forderte er ein junges Mädchen, das er abseits unter einer Gaslaterne sitzen sah, zu einem Kontretanz auf.

      Die auf der Estrade wie Affen hockenden Musikanten kratzten und bliesen ungestüm. Der Dirigent schlug stehend in automatenhafter Weise den Takt. Man drängte, amüsierte sich; aufgeknüpfte Hutbänder streiften die Krawatten; Stiefel verirrten sich unter die Röcke; alle hüpften im Takt. Deslauriers drückte das junge Mädchen an sich und bewegte sich, von dem Delirium des Cancans angesteckt, bei der Quadrille wie eine große Marionette. Cisy und Dussardier setzten ihre Promenade fort; der junge Aristokrat lorgnettierte die Mädchen, wagte aber trotz Dussardiers Ermahnungen nicht, sie anzusprechen, da er sich einbildete, daß diese Frauen immer »einen Mann mit einer Pistole bei sich im Schrank verborgen halten, der daraus hervorkommt, um einen zur Unterschrift von Wechseln zu zwingen«.

      Sie gingen zu Frédéric zurück; Deslauriers wollte nicht mehr tanzen und alle fragten sich, wie sie den Abend beschließen sollten, als Hussonnet ausrief:

      »Seht! die Marquise d’Amaëgui!«

      Es war eine blasse Frau mit Stülpnase, bis zum Ellbogen reichenden Halbhandschuhen und langen, schwarzen Locken, die zu beiden Seiten der Wangen wie zwei Pudelohren herabhingen. Hussonnet sagte zu ihr:

      »Wir möchten ein kleines Fest bei dir veranstalten, einen orientalischen Rout. Versuche, einige deiner Freundinnen für diese französischen Kavaliere aufzutreiben. Nun, was hält dich davon ab? Erwartest du deinen Hidalgo?«

      Die Andalusierin senkte den Kopf, da sie die ein wenig verschwenderischen Gewohnheiten ihres Freundes kannte und fürchtete, für die Bewirtung aufkommen zu müssen. Bei dem von ihr hingeworfenen Worte Geld bot de Cisy endlich fünf Napoleons, seine ganze Börse, an; die Sache war geordnet. Aber Frédéric war nicht mehr da.

      Er hatte geglaubt, die Stimme Arnoux’ zu erkennen, hatte einen Frauenhut bemerkt und war schnell in das Bosket nebenbei eingetreten.

      Mademoiselle Vatnaz

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