Böse Jungs dringend gesucht. Mira Schwarz
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Читать онлайн книгу Böse Jungs dringend gesucht - Mira Schwarz страница 6
Er nickte. „Ich war schon ewig da. Endlich mal wieder schwimmen.“
„Du bist doch in England ständig von der Nordsee umgeben“, erwiderte Jenny mit einem leichten Kopfschütteln.
„Ich war dieses Jahr trotzdem noch nicht ein einziges Mal am Strand.“
Das war ja schon fast ein Gespräch! Jenny entspannte sich etwas. „Kein Wunder. Ihr seid ja im Moment auch total erfolgreich.“
Er nickte. „Ja, irgendwie schon.“
Komisch. Irrte sie sich oder sah er ein bisschen traurig aus? Jenny konnte nicht weiter nachbohren, denn Anouk drängte sich zwischen die beiden. „Kann ich vielleicht fahren?“, wandte sie sich mit einem Augenaufschlag an Jenny. „Du weißt doch, dass ich in so kleinen Autos nicht hinten sitzen kann. Mir wird da immer total übel.“
Nach Jennys Beobachtung hatte Anouk eine sehr angenehme Form der Reisekrankheit: sie schien immer dann aufzutauchen, wenn es gerade passte. Jenny überlegte kurz, wie sie reagieren sollte. Aber sie hatte keine Lust, in ihrem eigenen Auto hinten zu sitzen.
„Ich fahre“, sagte sie deshalb und schob die Freundin sanft zur Seite. „Ihr könnt euch einigen, wo ihr sitzt.“
Chris lachte. „Na, bevor unserer Prinzessin schlecht wird“, sagte er gutmütig und öffnete die hintere Tür. „Hauptsache, wir hören nicht die Spicegirls.“
Wie auf Kommando fingen Jenny und Anouk an, den Song 'Wannabe' zu singen und setzten sich lachend auf die Vordersitze. Chris hielt sich die Ohren zu und Jenny ließ immer noch singend den Wagen an. Es fühlte sich an wie vor ewigen Zeiten, als Chris von seinem Vater den alten Mercedes bekommen hatte und sie am Wochenende zu dritt kleine Spritztouren unternommen hatten.
Auf der Autobahn legten Anouk eine CD ein und Chris lehnte sich zurück, ohne sich am Gespräch zu beteiligen. Im Rückspiegel sah Jenny irgendwann, dass er den Kopf nach hinten gelehnt hatte. Sie konnte seine Augen hinter der Sonnenbrille nicht sehen, aber alles an seiner Körperhaltung sprach dafür, dass er sie geschlossen hatte.
Jenny wandte sich an Anouk, die aus den Sandalen geschlüpft war und ihre zierlichen Füße mit den dunkelroten Nägeln am Handschuhfach abstützte. „Und? Was hast du letzte Woche so gemacht?“
„Ach, das Übliche“, antwortete Anouk. „Ich war mit meiner Mutter auf einer Filmpremiere, wir haben kurz bei einer Vernissage reingeschaut - ein grauenhafter Künstler! - und ansonsten habe ich an meiner Mappe gearbeitet.“
Jenny warf ihr einen überraschten Blick zu. Das Thema Mappe und eigene Kunst war eigentlich ein Tabuthema zwischen ihnen.
Anouk war mit großen Plänen an die Kunsthochschule in Berlin gekommen. Aber sie hatte sich dort nicht ausreichend gefördert gefühlt und das Studium abgebrochen. Sie hatte es nicht wirklich verwunden, dass sie sich trotz der Unterstützung ihrer Eltern mit ihren Bildern nicht hatte durchsetzten können. Sie machte schräge Kohlezeichnungen mit geometrischen Formen, die einen gewissen, morbiden Charme hatten. Als sich abzeichnete, dass sie in der Berliner Kunstszene nicht Fuß fassen konnte, hatte ihr Vater ihr den Job in einer Galerie besorgt. Anouk machte ihren Job hervorragend und war inzwischen zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Doch selbst das schien sie nicht wirklich zufrieden zu stellen.
„Ich wusste gar nicht, dass du wieder etwas planst“, erwiderte Jenny vorsichtig, aber offenbar war Anouk nicht bereit, das Thema zu vertiefen.
Stattdessen streckte sie sich wie eine Katze. „Du weißt ja, wie meine Mutter ist. Wir haben ein bisschen zu viel Gras geraucht und ich bin mit ihr den neuen Text für einen Film durchgegangen.“
„Und wie lange warst du in Hamburg?“, fragte Jenny nach hinten.
„Meinst du mich?“, kam es vom Rücksitz, dann tauchte Chris Kopf zwischen den Lehnen der Vordersitze auf.
Jenny warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und lächelte. „Ja, ich hab dich gefragt, wie lange du schon in Hamburg bist.“
„Ich bin gestern Abend erst angekommen. Wir haben vorgestern in Holland auf einem Festival gespielt. Die anderen Jungs sind schon wieder zurück nach London geflogen.“
Er blieb vorgerückt in der Mitte der Rückbank sitzen. „Und du hast im Krankenhaus noch ein paar Leben gerettet?“, fragte er dann und zog Jenny leicht an einer leicht gelockten Strähne.
Das Ziehen ging ihr durch den ganzen Körper und ein albernes Lachen stieg in ihrer Kehle hoch. Sie hatte sich schon ewig nicht mehr so lebendig gefühlt. Sie konnte es kaum glauben. Sie saßen hier im Auto, fuhren in den Urlaub und führten normale Gespräche, als würde Chris immer noch zu ihrem Leben gehören. Was für ein Paralleluniversum.
„Na ja, Gott sei Dank geht es auf unserer Kinderstation nicht oft um Leben und Tod. Blinddarm, Mandeln und diverse Infektionen – das ist das Tagesgeschäft.“
„Wahnsinn, dass die kleine Jenny wirklich Ärztin geworden ist, was?“ wandte sich Chris an seine Stiefschwester.
Anouk gab ein unverständliches Brummeln von sich, dann setzte sie ihre Sonnenbrille ab und drehte sich halb zu Chris um. „Ich hab dir noch gar nicht von Jennys großem Urlaubsplan erzählt“, begann sie, ohne seine Frage zu beantworten. „Du erinnerst dich doch noch an ihren Freund?“
„Florian?“, fragte er.
Wieder hüpfte Jennys Herz auf und ab, weil sich Chris den Namen ihres Freundes gemerkt hatte. Das würde er doch nicht wissen, wenn sie ihm total gleichgültig wäre, oder? Jetzt nicht ausflippen, ermahnte Jenny sich. Sie konzentrierte sich wieder auf Anouk. Warum fragte sie Chris, ob er sich an Florian erinnerte?
„Genau“, bestätigte Anouk jetzt und ihr Grinsen verhieß nichts Gutes.
„Ex-Freund“, mischte sich Jenny in das Gespräch ein. „Florian und ich haben uns vor einer Weile getrennt.“ Es war, als hinge ihr Leben davon ab, dass Chris diese Information wirklich verstand.
„Vielleicht ja nicht mehr lange.“ Anouk drehte sich jetzt ganz nach hinten. „Jenny hat Florian abserviert, weil er ihr keinen Heiratsantrag gemacht hat. Seit Florian sich eine Neue gesucht hat, ist er auf einmal wieder hochinteressant.“
„So ein Schwachsinn“, entfuhr es Jenny heftig. „Das habe ich nie gesagt.“
„Das hörte sich aber vor einer Woche noch ganz anders an.“ Anouk schüttelte den Kopf. „Wir sind doch unter uns, Jenny. Chris ist Familie, der kann das doch ruhig wissen. Dann weiß er wenigstens, was Sache ist, wenn du mit ihm flirtest, um deinen Flori-Schatzi eifersüchtig zu machen.“
Hitze schoss Jenny ins Gesicht. „Was soll das, Anni?“, fragte sie wütend. „Ich will Florian nicht zurück.“ Verdammt, warum musste Anouk nur immer so sein wie sie war. Jetzt konnte Jenny machen, was sie wollte: Chris würde denken, sie wollte nur ihren Ex-Freund zurückgewinnen.
„Na gut, du musst es ja wissen.“ Anouk hob abwehrend die Hände, sah sie aber gleichzeitig an wie eine arme Irre. „Ich habe nichts gesagt.“
„Warum habt ihr euch denn getrennt?“, fragte Chris und wieder war Jenny erstaunt, dass er mit ihr ein ganz normales Gespräch führte. Vielleicht hatte sie ihn in der Vergangenheit zu selten nüchtern gesehen, aber er wirkte so anders als früher.