Die Engel der Madame Chantal. Kurt Pachl

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Die Engel der Madame Chantal - Kurt Pachl

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      Die Entscheidung, Miranda den Weg in eine neue Zukunft zu ebnen, stellte sich als eine gute und pragmatische Lösung heraus. Für diese Welt war Chantal nicht geschaffen. Zweifellos hätte sie sich zu sehr in diesen Sumpf hineinziehen lassen. Ihre Seele wäre darin erstickt.

      Allerdings, und das war ebenfalls abzusehen, riss diese Welt Miranda mit sich. Sie sahen sich nur noch selten. Neuerdings verbrachte die Gestresste weit über die Hälfte der Zeit in China. Vor wenigen Tagen lüftete sie ihr Geheimnis. Taos Schwester Ailin war ein geteilter Pfirsich, wie man in China zu sagen pflegte. Während im alten China die gleichgeschlechtliche Liebe zur weitverbreiteten Kultur des Landes zählte, bestand die Partei auch noch heute darauf, dass es sich hierbei um einen dekadenten kapitalistischen Lebensstil handle. Repressionen waren deshalb noch immer an der Tagesordnung. Tao liebte seine jüngere Schwester über alles. Insofern betrachte er die Liebe zwischen ihr und der überaus attraktiven Deutschen als eine Fügung des Schicksals. Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Ailin gehörten beträchtliche Teile am Unternehmen. Mit ihr musste er sich gut stellen.

      Chantal entwickelte sich zunehmend zur Pragmatikerin. Mit riesigen Schritten steuerte sie auf die einundfünfzig zu. Ihre männlichen Kunden, auch des gleichen Alters, ließen sich lieber von einer duftenden und erotischen Zwanzig- oder Dreißigjährigen verwöhnen. Das Zeitalter der Begleiterinnen mit Niveau schien sich schleichend zu verabschieden. Heißer Sex war angesagter. Lange Gespräche mit einer Konkubine waren nicht mehr so wichtig. Oder redete sie sich das nur ein?

      Und noch etwas hatte sich verändert. Frauen drängten zunehmend in die höheren Ebenen; bis hinauf in die Chefetagen. Sie mussten taff und durchsetzungsstark sein. Keine Ahnung, was sich die Götter dabei gedacht hatten. Ein nicht unbeträchtlicher Teil gerade dieser starken Frauen schien nicht viel von Männern zu halten. Oder sie waren zwar mit Männern verheiratet; suchten jedoch Entspannung bei Frauen. Ein Großteil dieser Frauen war nicht mehr blutjung. Und diese Klientel war auf der Suche nach Frauen mit Niveau. Sex war zwar wichtig. Aber sie suchten Begleiterinnen mit Einfühlungsvermögen, mit Sanftheit und gleichzeitig mit Intelligenz oder gar Klugheit. Und solche Frauen waren nicht dichtgesät.

      Nicht wenige Klientinnen sahen deshalb großzügig darüber hinweg, dass ihre Begleiterinnen nicht mehr taufrisch waren. Beim Kerzenschein fiel das ohnehin nicht auf.

      Gespräche bei entspannenden Ausflügen, im dezenten Ambiente oder im Bett waren durchaus etwas Erstrebenswertes, um aufzutanken oder sich für einige Stunden oder gar Tage fallen zu lassen. Chantal liebte Miranda immer noch. Doch diese war weit weg; lag in den Armen einer Chinesin.

      Eines Tages stand Chantal vor dem Spiegel und lachte halblaut.

      »Was bist du für ein dummes Huhn. Eigentlich könntest du dir viele Begleiterinnen leisten. Sogar junge, knusprige Ladies. Du könntest sie aus der Portokasse bezahlen.«

      Darüber sinnierte sie noch lange. Nein. Nein. Sie brauchte diesen Kick. Sie war ihr ganzes Leben lang lang Liebesdienerin gewesen. Warum sollte sich daran etwas ändern? Weil sie jetzt reich war? Okay. Was sie für ihre Liebesdienste bekam, war lächerlich im Verhältnis zu ihrem neuen Reichtum und zu ihrem Lebensstil. Ein paar Jahre wollte sie diese knisternde Welt noch genießen. Noch ein paar Jahre.

      Die Zeit flog dahin. Vor allem die letzten Jahre waren wunderschön und herrlich gewesen. Selbstverständlich bis auf Haralds Tod.

      Neuerdings dachte Chantal sehr oft über das Leben mit Harald nach. Es war der einzige Mann in ihrem Leben, dem sie Einblick in ihre Seele gegeben hatte. Zunehmend wurde ihr bewusst, dass sie ihn geliebt hatte; genau genommen immer noch liebte. Bei ihm fühlte sie sich geborgen; fühlte sie sich zuhause. Aber noch mehr liebte sie ihn dafür, dass er sie so genommen hatte, wie sie war. Vielleicht war es ein wenig kitschig, den großen lachenden Buddha, in dessen Bauch sich Haralds Urne befand, dezent zu beleuchten. An warmen Abendenden saß sie auf der Terrasse, blickte auf diesen Buddha und prostete Harald mit seinem Lieblingswein zu.

      Eines Abends fiel ihr Professor Kubischek ein, der Harald bis zu seinem Ende begleitet hatte. Sie hatte noch seine Telefonnummer. Und sie hatte ihm versprochen, sich zu melden. Es war verrückt – aber irgendeine Stimme in ihr sagte, dass sie das Harald schuldig war.

      Rolf Kubischek war ein guter und zärtlicher Liebhaber. Für Chantal war es fraglos, dass sie diesen Mann unendlich glücklich machte. Dafür untersuchte er sie alle drei Monate; selbstverständlich kostenlos.

      Und dann kam dieser Tag.

      Nach einer Untersuchung nahm er Chantal in den Arm. Das, was er ihr zu sagen hatte, wollte er ihr nicht mitteilen, während er in ihre Augen blickte.

      »Ich … ich habe einen Schulfreund … am Bodensee. Mein Freund Harald leitet dort eine … na sagen wir mal … Nobelklinik. Er ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Ich werde Harald bitten, dich ebenfalls zu untersuchen. Zur Sicherheit.«

      Danach wurde Rolf einsilbig; sehr einsilbig. Er starrte auf seine Uhr, und hatte plötzlich einen sehr wichtigen Termin.

      Am 1. Juni, es war ein wolkiger und leicht windiger Tag, schlug das Schicksal zu. Für Chantal war es, als würde eine diabolische Kraft ihr einen Dolch in die Brust rammen – und diesen noch einmal genüsslich in ihrem Leib herumdrehen.

      »Es ist, wie ich das befürchtet habe, sagte Professor Harald Lemberg.

      »Warum muss dieser Mann ausgerechnet Harald heißen«, fluchte Chantal in sich hinein.

      Gleichzeitig hoffte sie, dass dies ein gutes Omen sein könnte. Auf alle Fälle galt dieser Professor als eine Koryphäe auf seinem Gebiet – hatte ihr Rolf mit auf dem Weg gegeben.

      »Herr Professor Lemberg. Sie wissen, dass ich Ihnen voll vertraue.«

      Chantal versuchte, eine gefasste und ruhige Miene aufzusetzen, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug.

      »Bitte erklären Sie es mir so einfach wie nur irgend möglich.«

      Der Professor lächelte milde. Was er zu sagen hatte, würde für diese schöne Frau hart genug sein. Nicht unwesentlich war natürlich, dass es sich um eine wohlhabende Frau handelte, die ihm bei der ersten Konsultation ein Kuvert mit 10 000,- Euro hinterlassen hatte; dezent versteht sich.

      Im Laufe des Vorgespräches waren sie auf Chantals „Beruf“ zu sprechen gekommen. Dem Fachmann war schlagartig bewusst, welche Bedeutung diese schönen Brüste für diese Frau haben mussten.

      »Die gute Nachricht zuerst Frau Mauriac«, begann er mit ruhiger Stimme.

      »Die Brusthaut und die Brustwarzen sind Gott sei Dank noch gesund. Das ist extrem wichtig für den späteren Brustaufbau.«

      »Brustaufbau!«, schrie Chantal auf.

      Der Professor strich beruhigend über Chantals Hände.

      »Ebenso wichtig ist, dass die bösen Biester da drinnen nicht gestreut haben. Wir konnten keine Metastasen in den Knochen oder in anderen Organen feststellen. Ich darf deshalb von einer lokalen Erkrankung sprechen.«

      »Und die schlechte Nachricht Herr Professor?!«

      Professor Lemberg ergriff langsam die schmalen und grazilen Hände seiner Patientin. Er hatte große und warme Hände; beruhigende Hände.

      »Nun. Ich habe Ihnen offene und verständliche Worte versprochen. Wir müssen zunächst das befallene Gewebe entfernen.« Er neigte seinen Kopf von der einen auf die

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