Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Für einstweilige Anordnungen nach § 300 FamFG oder vorläufige Maßregeln nach §§ 1908i, 1846 BGB ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt,[1] das ist üblicherweise der Ort des tatsächlichen Aufenthaltes.
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Hierzu im Einzelnen:
Wurde bereits eine Betreuerbestellung durch Beschluss erlassen, ist das Gericht örtlich zuständig, bei dem das Betreuungsverfahren bereits anhängig ist. Auf die Wirksamkeit des Beschlusses kommt es nicht an.
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Gibt es noch keinen Beschluss zur Betreuerbestellung, ist das Gericht, in dem die betroffene Person, gleich welcher Staatsangehörigkeit, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, örtlich zuständig zur Bearbeitung einer Betreuungsanregung, § 272 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Unerheblich ist, ob der Betroffene dort polizeilich gemeldet ist.[2] Dies ist allenfalls von Belang für die Frage, ob ein Verstoß gegen die einschlägigen Meldevorschriften vorliegt. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person bestimmt sich nach seinem familiären Lebensmittelpunkt, eine Legaldefinition findet sich in § 30 Abs. 3 SGB I.[3] Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse.[4]
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Vorübergehende, auch längerfristige Unterbrechungen des Aufenthalts, beruhend auf Krankheit, Urlaub, Studium oder Gefängnishaft, bewirken eine Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts nur dann, wenn eine Rückkehr weitestgehend ausgeschlossen ist.[5] Die Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Betreuungsgericht von einem betreuungsrechtliche Maßnahmen erforderlich machenden Lebenssachverhalt Kenntnis erhält.
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Beispiel
Der aus Kassel stammende Franz K. wohnt bereits seit drei Jahren in Berlin Charlottenburg bei Christina Sch., seiner Lebensgefährtin, ohne dort polizeilich gemeldet zu sein. Nachdem Franz K. einen Schlaganfall erlitt, wurde er in das nächstgelegene Krankenhaus verbracht. Der Sozialdienst des Krankenhauses regt bei dem zuständigen Amtsgericht Charlottenburg eine Betreuung zu Gunsten von Herrn K. an.
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Ist zu Gunsten des Betroffenen – etwa wegen Obdachlosigkeit oder Äußerungsunfähigkeit – ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht zu ermitteln, so ist das Gericht nach § 272 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zuständig, in dessen Bezirk das Fürsorgebedürfnis entsteht, also meist das Gericht am tatsächlichen Aufenthaltsort.
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Der anordnende Betreuungsrichter hat im Regelfall das primär zuständige Gericht von den angeordneten Betreuungsmaßnahmen in Kenntnis zu setzen, § 272 Abs. 2 S. 2 FamFG, Kap XV/1 Abs. 1 Nr. 1–3 MiZi. Fällt das Fürsorgebedürfnis später weg, übersendet das Fürsorgegericht die Betreuungsakte an das zuständige Betreuungsgericht.[6] Diese Vorschrift betrifft Deutsche und Ausländer gleichermaßen. Der Inhalt der betreuungsgerichtlichen Entscheidung richtet sich gem. Art. 24 Abs. 3 EGBGB nach deutschem Recht. Ist ein dem deutschen Betreuungsverfahren vergleichbares Verfahren bereits im Ausland anhängig, kann das Betreuungsgericht von einer Betreuerbestellung absehen, sofern dieses dem Betroffenen durch ein vergleichbares Rechtsinstitut einen adäquaten Schutz gewährt. Es gelten die allgemeinen Vorschriften; das ausländische Recht ist von Amts wegen zu berücksichtigen.[7]
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Beispiel
Der obdachlose Alexander S. leidet an einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz. Er wird in das nächstgelegene Krankenhaus im Bezirk Berlin/Kreuzberg eingewiesen. Zuständig für die Anordnung einer Eilbetreuung ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg.
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Nach § 272 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig für im Ausland lebende Deutsche, die dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
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Beispiel
Birgit B. lebt seit circa 15 Jahren nach dem Tod ihres Ehemannes auf Mallorca. Eines Morgens wird sie von ihrer Bekannten bewusstlos in ihrem Haus aufgefunden. Sie wird in das nächstgelegene Provinzkrankenhaus verbracht und liegt dort mehrere Wochen im Koma, bevor sie wieder aufwacht. Ihr in Berlin wohnender Sohn Stefan B. entschließt sich, seine Mutter wegen der in Deutschland besseren Behandlungsmöglichkeiten in eine hiesige Klinik zu verbringen. Er muss, um die Überführung seiner Mutter bewerkstelligen zu können, einen Antrag bei dem Amtsgericht Schöneberg auf Installierung einer Eilbetreuung stellen.
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Wird ein Betreuungsverfahren wegen einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Betreuten nach §§ 4 S. 1, 273 S. 1 FamFG an ein anderes Amtsgericht abgegeben, ist die Abgabeentscheidung nicht selbstständig anfechtbar.[8]
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§§ 49, 50 FamFG regeln die so genannte Eilzuständigkeit. Danach kann das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Fürsorgebedürfnis für eine Eilmaßnahme besteht, sowohl im Wege einer einstweiligen Anordnung eine vorläufige Betreuung einrichten, §§ 300 ff. FamFG, als auch selbst eine einstweilige Maßnahme, §§ 1908i, 1846 BGB, treffen. Der anordnende (Eil-)Betreuungsrichter setzt das primär zuständige Gericht von den angeordneten Betreuungsmaßnahmen in Kenntnis, § 272 Abs. 2 S. 2 FamFG, XXX, Kap XV/1 Abs. 1 Nr. 1-3 MiZi.
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Beispiel
Bei einem Sportunfall im Urlaub wird ein Volljähriger schwer verletzt. Er ist bewusstlos und wird in der Intensivstation des nahegelegenen Krankenhauses behandelt. Das dort zuständige Amtsgericht ordnet eine Eilbetreuung mit den Aufgabenkreisen „Aufenthaltsbestimmung zu Zwecken der Heilbehandlung“ und „Zustimmung zu Heilbehandlungsmaßnahmen“ an.
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Sobald die einstweilige Anordnung erlassen wurde, wird das Verfahren an das eigentlich zuständige Gericht abgegeben, § 50 Abs. 2 S. 2 FamFG. Es ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. das Bedürfnis nach Fürsorge auftritt.
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Sachlich zuständig ist das Amtsgericht, § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GVG. Bei den Amtsgerichten werden Abteilungen für Betreuungssachen errichtet, § 23c Abs. 1 GVG, die als „Betreuungsgericht (BetrG)“ bezeichnet werden. Eine Ausnahme gilt für das württembergische Rechtsgebiet bis 2017 aufgrund des Landesrechts: Dort ist das (staatliche) Notariat grundsätzlich zuständig (§ 36 LFGG Baden-Württemberg; ausnahmsweise Zuständigkeit des Amtsgerichtes dort § 37 LFGG).
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Hinblicklich der funktionellen Zuständigkeit