Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › I. Beginn des Betreuungsverfahrens › 1. Auf Antrag des Betroffenen
1. Auf Antrag des Betroffenen
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Das Betreuungsverfahren beginnt nach § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB mit einem Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen. Der vom Betroffenen selbst gestellte Antrag ist nicht im formellen Sinn zu verstehen. Ausreichend ist vielmehr jede Willensäußerung gegenüber dem Betreuungsgericht, der in etwa entnommen werden kann, der Betroffene wünsche sich eine Betreuerbestellung.[1] Der Antrag kann schriftlich gestellt werden oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen, § 25 FamFG. Nach §§ 10 Abs. 1, 25 Abs. 2 FamFG können bei jedem Amtsgericht in Deutschland Anträge auf Betreuungseinleitung gestellt werden. Wird ein unzuständiges Gericht angerufen, leitet dies als Ausfluss der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) den Antrag an das zuständige Gericht weiter.
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Die Antragstellung setzt keine Geschäftsfähigkeit des Betroffenen voraus, § 1896 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Betroffene kann seinen Antrag auch jederzeit formfrei zurücknehmen.[2] Diese Regelungen entsprechen § 275 FamFG, der die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit postuliert. Bei einer Betreuung auf eigenen Antrag hin steht Angehörigen kein Beschwerderecht zu (§ 303 Abs. 2 FamFG).[3]
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Nach § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG soll der Antragsteller zur Unterstützung des Gerichts die zur Begründung seines Antrages dienenden Tatsachen und Beweismittel sowie mögliche Beteiligte bezeichnen.[4] In Bezug genommene Urkunden sollen aus demselben Grunde in Urschrift oder als Kopie beigefügt werden. Der Antrag soll, aber muss nicht von dem Betroffenen unterzeichnet werden, § 23 Abs. 1 S. 4 FamFG.
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Das Gericht hat somit Zweifeln an der Ernsthaftigkeit oder Authentizität im Rahmen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) nachzugehen. Es kann sich hierbei der Unterstützung der örtlichen Betreuungsbehörde (§ 3 BtBG i.V.m. dem Landesausführungsgesetz zum BtR) bedienen und dieses um entsprechende Sachverhaltsaufklärung bitten (§ 8 BtBG).
Anmerkungen
Jurgeleit/Jurgeleit BtR, § 1896 BGB Rn. 7.
BayObLG FamRZ 2001, 1245; FamRZ 2003, 1871.
Jurgeleit/Jurgeleit BtR, § 1896 BGB Rn. 7.
BT-Drs. 16/6308, 185.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › I. Beginn des Betreuungsverfahrens › 2. Betreuerbestellung von Amts wegen
2. Betreuerbestellung von Amts wegen
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Die Antragstellung durch den Betroffenen selbst wirkt sich sowohl verfahrensrechtlich als auch materiell-rechtlich aus:[1]
– | Absehen von dem an sich obligaten Einholen eines Sachverständigengutachtens und Beurteilung der Betreuungsvoraussetzungen anhand eines ärztlichen Zeugnisses, das auch von dritter Seite vorgelegt werden kann, § 281 FamFG, |
– | Erleichterungen bei der Aufhebung der Betreuung auf Antrag des Betroffenen, § 1908d Abs. 2 BGB, |
– | zieht der Betroffene sein zunächst erklärtes Einverständnis im Laufe des Betreuungsverfahrens zurück, ist dies vom Betreuungsgericht – auch im Rahmen eines Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahrens – zu berücksichtigen. Die Betreuerbestellung muss – sofern die materiell-rechtliche Prüfung sowie das Verfahren auf die Besonderheiten des Antragsverfahrens ausgerichtet waren – im Beschwerdeverfahren bei Antragsrücknahme durch den Betroffenen aufgehoben werden.[2] |
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War also das Verfahren auf die Besonderheiten eines Antragsverfahrens zugeschnitten, siehe Rn. 67, muss die Betreuerbestellung bei einer Antragsrücknahme durch den Betroffenen – auch im Beschwerdeverfahren – aufgehoben werden.[3]
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Hinweis
Ist zweifelhaft, ob der Betroffene dauerhaft eine Betreuerbestellung wünscht, sollten die verfahrensrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, die bei einer Betreuerbestellung von Amts wegen zu beachten sind bzw. ist parallel eine Betreuerbestellung von Amts wegen zu prüfen.[4]
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Demgegenüber kann eine Betreuerbestellung bei lediglich körperbehinderten Betroffenen nur auf ihren Antrag hin erfolgen.[5] Die Einrichtung einer Betreuung von Amts wegen bei einer (rein) körperlich behinderten Person gegen deren Willen, so genannte Zwangsbetreuung, scheidet aus. Nimmt also eine körperbehinderte Person ihren Antrag auf Betreuerbestellung im Rahmen eines laufenden Betreuungsverfahrens zurück, tritt automatisch dessen Beendigung ein, § 1896 Abs. 1 S. 2 BGB.
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Ein Antrag des Betroffenen ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Das Betreuungsgericht hat allen Hinweisen nachzugehen, die auf einen Betreuungsbedarf deuten. Dementsprechend kann jedermann – Angehörige, Freunde, Nachbarn, Ärzte oder soziale Dienste – bei dem nächstgelegenen Betreuungsgericht eine Betreuung zu Gunsten einer Person anregen. Die Rechtsantragsstellen der Amtsgerichte sind verpflichtet, entsprechende Anträge, von wem auch immer, aufzunehmen. Anregungsbefugt ist also jeder, der wahrnimmt, dass beispielsweise sein Nachbar, Freund, Bekannter oder Angehöriger nicht mehr in Lage ist, in einzelnen Bereichen sein Leben selbst, d.h. ohne fremde Hilfe, zu meistern.
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Selbstverständlich kann man sich auch schriftlich an das zuständige Betreuungsgericht oder die örtlich zuständige Betreuungsbehörde (meist beim Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt) wenden, um dort einen Betreuungsbedarf anzuzeigen. Häufig ist die Betreuungsbehörde nach § 7 BtBG die beim Gericht anregende Stelle für ein Betreuungsverfahren.
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Auch in konkreten Verwaltungsverfahren kann sich eine Handlungsunfähigkeit des Betreffenden ergeben, was eine Anregung zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für das Verwaltungsverfahren zur Folge hat (§ 81 AO im Steuerrecht, § 15 i.V.m. § 71 Abs. 3 SGB X im Sozialverwaltungsverfahren,