Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Mit diesen Vorschlägen verließ die Kommission vollständig das Grundkonzept einer einheitlichen, in sich geschlossenen Rechtsform, der der Charakter eines europäischen Aktiengesetzes zugekommen wäre. An dessen Stelle trat ein neuer Gedanke: eine „Europäische AG deutschen, französischen, britischen etc. Rechts“. Die Annahme, die gesellschaftsrechtliche Harmonisierung hätte zur weitgehenden Gleichwertigkeit der nationalen Gesellschaftsrechte geführt, trügt. Allein die grundlegende Richtlinie zur Struktur der AG mit ihren, abgesehen von der Art der Unternehmensführung, erforderlichen Regelungen über die Stellung und Rechte der Aktionäre fehlt bis heute vollkommen. Alle Optionen, insbesondere im Bereich der Unternehmensführung und der Mitbestimmung, führen notwendigerweise zu nationalen Differenzierungen und öffnen durch die Wahl des Sitzes der Versuchung Tor und Tür, das günstigste Recht zu wählen – eine Versuchung, die gerade durch die Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte beseitigt werden sollte. Mit Recht sagte Ulmer: „Die künftige SE ist, überspitzt gesagt, eine nationale AG in europäischem Gewande.“[9] Das gilt nach wie vor auch für die 2001 endgültig verabschiedete Rechtsform.
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Nach Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses[10] und des Europäischen Parlaments[11] zum Statuts- und Richtlinienvorschlag Mitbestimmung[12] änderte die Kommission am 16.5.1991 erneut ihren Vorschlag,[13] verkürzte ihn weiter auf 108 Artikel und fügte für die Mitbestimmung eine vierte Option hinzu. Aber auch diese Initiative scheiterte, vornehmlich an der Mitbestimmungsfrage.
Anmerkungen
ABlEG Nr. L 169 v. 29.6.1987.
Dok. KOM/85/310 endg., Luxemburg 1985.
Dok. KOM/88/320 endg. v. 15.7.1988.
Dok. KOM/88/320 endg. v. 15.7.1988.
Dok. KOM/89/268 endg. v. 25.8.1989, ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 41.
ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 69.
ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 1.
Erläuterung zu Art. 4 in ABlEG Nr. C 263 v. 16.10.1989, 23.
Ulmer Gestaltungsfreiheit in der Europa-AG bietet Vorteile, FAZ v. 21.3.2001.
ABlEG Nr. C 124 v. 21.5.1990, 34.
ABlEG Nr. C 48 v. 25.2.1991, 72.
Wirtschafts- und Sozialausschuss ABlEG Nr. C 124 v. 21.5.1990, 24; Europäisches Parlament ABlEG Nr. C 48 v. 25.2.1991, 100.
ABlEG Nr. C 176 v. 8.7.1991, 1.
1 › V. Davignon-Ausschuss: Erneuter Anlauf 1996/2000 und Verabschiedung
V. Davignon-Ausschuss: Erneuter Anlauf 1996/2000 und Verabschiedung
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Nachdem die Kommission mit einer „Mitteilung über die Information der Arbeitnehmer“[1] einen neuen Anlauf unternommen hatte, die Mitbestimmungsfrage zu lösen, wurde 1996 ein Ausschuss unter Vorsitz des ehemaligen Vizepräsidenten der Kommission Davignon eingesetzt, der unter Beteiligung aller Interessen aus Industrie und Gewerkschaften Vorschläge erarbeiten sollte. Durch die Tatkraft und das Verhandlungsgeschick Davignons gelang es, die divergierenden Ansichten anzunähern. Im Mai des folgenden Jahrs legte der Ausschuss einen Abschlussbericht mit dem Titel „Europäische Systeme der Arbeitnehmer-Beteiligung“[2] vor, zu dem Parlament[3] und Wirtschafts- und Sozialausschuss[4] Stellung nahmen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Systeme der Arbeitnehmerbeteiligung nicht zu harmonisieren seien. Daher schlage man eine Lösung durch Verhandlungen vor, hinter denen für den Fall der Ergebnislosigkeit eine Auffanglösung bereitstehen sollte. Versuche, diese Vorschläge in Gesetzesform zu verwirklichen, scheiterten im Rat an der Opposition nunmehr nur noch eines Mitgliedstaats, Spaniens. Spanien fürchtete, dass bei einem Zusammenschluss eines spanischen Unternehmens mit einer deutschen AG als SE mit Sitz in Spanien nach Scheitern von Verhandlungen über eine spezifische Mitbestimmungsregelung die deutsche Mitbestimmung in Spanien eingeführt werde, wenn die Auffangregelung obligatorisch werde.
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In den beiden folgenden Jahren 1998 und 1999 wurden durch den jeweiligen Ratsvorsitz verschiedene Kompromisse vorgeschlagen und erörtert, ohne dass es zu einer Einigung kam. Trotzdem legte die Kommission am 20.9.2000 erneut einen geänderten Verordnungsentwurf[5] sowie einen neuen Richtlinienvorschlag[6] vor. Auf der Gipfelkonferenz von Nizza konnte unter französischem Vorsitz schließlich im Dezember 2000 eine politische Einigung durch das Zugeständnis an Spanien erreicht werden, die Einführung der Auffanglösung nicht obligatorisch zu machen. Will sich eine SE in einem Mitgliedstaat ohne obligatorische Auffangregelung niederlassen, ist eine Vereinbarung über eine spezifische Mitbestimmung zwingend oder es dürfen für keine der beteiligten Gesellschaften vorher Mitbestimmungsregeln gegolten haben. Wie stets wurde dieses Zugeständnis in die Möglichkeit eines „opting out“ für alle Mitgliedstaaten gekleidet und nicht auf Spanien beschränkt. Dadurch besteht nun die Gefahr, dass auch andere Mitgliedstaaten von diesem Ausweichen vor der deutschen Mitbestimmung Gebrauch machen können. Damit ist – was in all den Jahren stets befürchtet wurde – die Gefahr einer Konzentration