Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Nach Art. 69 SE-VO hatte die Kommission fünf Jahre nach Inkrafttreten einen Bericht über deren Anwendung vorzulegen und diesem erforderlichenfalls Änderungsvorschläge beizufügen. Um die erforderlichen Daten über die Umsetzung des SE-Statuts in der Praxis einzuholen, gab die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen der Europäischen Kommission eine externe Studie in Auftrag und befragte die Beteiligten im Rahmen einer öffentlichen Konsultation und einer Konferenz.[2] Am 17.11.2010 legte die Europäische Kommission den Bericht nach Art. 69 SE-VO an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Verordnung vom 8.10.2001[3] vor, in dem sie die bisherigen Erfahrungen mit der SE zusammenfasst und einige rechtliche Verbesserungen anregt sowie Normsetzungsvorschläge dazu in Aussicht stellt. Anreize und Hintergründe für die Errichtung einer SE sind ausweislich der Konsultation vorwiegend ihr europäisches Image und ihr supranationaler Charakter sowie die Möglichkeit der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes. Auch die Möglichkeit grenzüberschreitender Fusionen war (jedenfalls bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinie[4]) zusammen mit der potentiell einfacheren Umstrukturierung und Vereinfachung der Gruppenstruktur ein Argument für die SE. Als Hinderungsgründe werden auf der anderen Seite die Gründungskosten, das zeitraubende und komplexe Verfahren, die Rechtsunsicherheit in Verbindung mit mangelnden praktischen Erfahrungen sowie generell die mangelnde Kenntnis über diese Gesellschaftsform, die durch die fehlende Einheitlichkeit der SE in den verschiedenen Mitgliedstaaten begünstigt wird, genannt. Daher schlägt die Kommission insbesondere eine Vereinfachung des zeitaufwändigen und komplexen Gründungsverfahrens vor.
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Im Zusammenhang mit der Evaluation hat sich auch der Arbeitskreis Aktien- und Kapitalmarktrecht (AAK) damit befasst, Vorschläge zur weiteren Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen und zur Erhöhung der Attraktivität der SE für große und mittlere Unternehmen in Deutschland und Europa zu erarbeiten.[5] Die Vorschläge betreffen nicht nur die Reform der SE-VO, sondern auch des SEBG und wurden von Experten aus Wissenschaft und Praxis erarbeitet, so insbesondere von Bachmann, Bücker, Casper, Ihrig, Jacobs, Jannott, Kiem, Rieble, Schäfer, Seibt, Schiessl, Teichmann, Veil und Weller. Ausweislich ihres Aktionsplans vom 12.12.2012[6] beabsichtigt die Kommission allerdings zumindest kurzfristig keine Revision des Statuts der SE, da sie „die potentiellen Herausforderungen bei einer Neueröffnung der Diskussion“ scheut.[7]
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Auch das SEAG ist zwischenzeitlich mehrfach, unter anderem durch das MoMiG und das ARUG geändert worden.[8] So ist entsprechend der Änderungen des MoMiG zur AG (vgl. § 5 AktG) etwa das Erfordernis aus § 2 SEAG entfallen, wonach die Satzung der SE als Sitz den Ort der Hauptverwaltung bestimmen muss. Zudem wurden die Insolvenzantragspflicht und die Fälle der Führungslosigkeit bei der monistischen SE geregelt. Das ARUG führte zu einer Neu-Festlegung der Verzinsung des Barabfindungsangebots im Falle einer Gründung durch Verschmelzung und konkretisierte, welche Unterlagen der Hauptversammlung der SE zugänglich zu machen sind.
Anmerkungen
Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates v. 26.4.2004 (ABlEU Nr. L 168 v. 1.5.2004), die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates v. 20.11.2006 (ABlEU Nr. L 363 v. 20.12.2006) und Verordnung (EG) Nr. 517/2013 des Rates v. 13.5.2013 (ABlEU Nr. L 158 v. 10.6.2013).
Externe Studie von Ernst & Young. Der zusammenfassende Bericht über die Konsultation und die Informationen über die Konferenz vom 26.5.2010 sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/company/se/index_en.htm.
KOM/2010/ 676 endgültig; hierzu Kiem CFL 2011, 134.
Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABlEU Nr. L 310 v. 25.11.2005, 1.
ZIP 2009, 698; ZIP 2010, 2221; ZIP 2011, 1841.
Europäische Kommission, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagiertere Aktionäre und besser überlebensfähige Unternehmen, Brüssel, 12.12.2012, COM/2012/740/2.
COM/2012/740/2, Ziffer 4.5, 16.
Vgl. zu den Änderungen durch das MoMiG Art. 18. MoMiG, BGBl I 2008, 2026, zu den Änderungen durch das ARUG Art. 6 ARUG, BGBl I 2009, 2479.
1 › VIII. Fazit und Ausblick
VIII. Fazit und Ausblick
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Der lange, mühselige Weg hin zu einer gemeinsamen Gesellschaftsform mit eigenem Rechtscharakter für die Europäische Union ist 2004 nach 40-jährigen Bemühungen an seinem (vorläufigen) Ende angelangt. Die geschaffene „Europäische AG“ ist etwas anderes geworden als die kühne, vielleicht zu ambitiöse Konzeption des Jahrs 1970, die ja in erster Linie der wirtschaftlichen Konzentration der europäischen Industrie durch Zusammenschluss vorhandener Kräfte hatte dienen sollen. Die Großunternehmen der Mitgliedstaaten sind heute durch den kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahrzehnte stark genug geworden, wenn auch gesellschaftsrechtlich die transnationale Zusammenfassung zu einer Ausrichtung auf eine nationale Spitze, der der Muttergesellschaft zahlreicher Tochter- und Enkelgesellschaften sowie „joint ventures“ in der ganzen Welt, führte und nicht zu einem europäischen Verbund.
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Die Arbeiten der letzten fünfzig Jahre sind für die entstandene Form sicherlich von Nutzen gewesen. Die langjährigen Verzögerungen waren ja, wie gezeigt, eigentlich ausschließlich durch die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten über die Mitbestimmung bedingt. Es erschien und erscheint aber wohl nicht nur politisch unmöglich, eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in Großunternehmen in deren gesellschaftsrechtlicher Organisation zu vernachlässigen. Allerdings ist aus deutscher Sicht nur ein Mindestkompromiss gefunden worden.
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Auch auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts entwickelt sich die Europäische Union weiter. Die „Europäische AG“ ist ein Schritt auf diesem Weg. Die neue Form hat sich bereits bewährt und wird sich weiter bewähren. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Bemühungen um die Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte zielstrebig weitergeführt werden, deren Unterschiedlichkeit heute zwangsläufig