Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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3.3 Die Generalverweisung des Art. 9 Abs. 1 c SE-VO
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Art. 9 Abs. 1 c SE-VO bildet einen Auffangtatbestand und verweist in Bezug auf die Bereiche, die in der Verordnung nicht oder nur teilweise geregelt sind, auf das Recht des Sitzstaates. Die Anwendung der Generalverweisung ist demgemäß ausgeschlossen, wenn bereits eine spezielle Verweisung eingreift oder die Regelung in der Verordnung abschließend ist.
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Soweit die erste Alternative der Generalverweisung “in Bezug auf die nicht durch diese Verordnung geregelten Bereiche” auf nationales Recht verweist, besteht Einigkeit,[27] dass der Wortlaut der Vorschrift zu weit gefasst ist und der Verweisung nur innerhalb des Regelungsbereichs der Verordnung bzw. bei Sachverhalten, die einen spezifischen Bezug zum Recht der SE aufweisen, gefolgt werden kann. Der Anwendung des nationalen Rechts des Sitzstaates unter Ausklammerung des internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten wären sonst keine Grenzen gesetzt: Selbstverständlich sind eine Vielzahl von Rechtsfragen, die die SE wie jedes andere Rechtssubjekt betreffen, nicht in der SE-VO geregelt, ohne dass in diesen Fällen das Sachrecht des Sitzstaates Anwendung finden könnte. Eine derartige Ausweitung ist nicht beabsichtigt, da die Verordnung kein allgemeines Sonderkollisionsrecht für die SE schaffen wollte.[28]
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Angesichts der Lückenhaftigkeit der SE-Verordnung steht allerdings auch fest, dass der Regelungsbereich der SE-VO weiter reicht, als die unmittelbaren sachrechtlichen Regelungen in der Verordnung selbst. Somit können Regelungsbereiche von der Generalverweisung erfasst werden, die in der Verordnung selbst nicht angesprochen sind.[29] Die praktische Bedeutung der Abgrenzung des Anwendungsbereichs ergibt sich hierbei vornehmlich unter rangkollisionsrechtlichen Aspekten: Soweit der europäische Verordnungsgeber über die Generalverweisung nationales Recht zur Anwendung beruft und auf eine eigenständige Regelung verzichtet, ist eine Derogation der Vorschriften der Verordnung durch nationales Recht möglich, soweit diese nicht abschließend sind. Gelangt das nationale Recht hingegen lediglich aufgrund des internationalen Privatrechts zur Anwendung, ist eine Verdrängung der höherrangigen Normen der Verordnung in deren Regelungsbereich nicht möglich.
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Der Regelungsbereich der SE-VO und damit der Anwendungsbereich der Generalverweisung beschränken sich auf das Gesellschaftsrecht der SE. In den Randbereichen bestehen allerdings immer dann erhebliche Unschärfen, wenn die gesellschaftsrechtliche Qualifikation der fraglichen Regelung nicht eindeutig ist.[30] Angesichts der spezifischen Funktion der Generalverweisung innerhalb des Regelungstorsos der Verordnung und der Zielsetzung der Verordnung, eine europäische Rechtsform zu schaffen, muss der Anwendungsbereich jedoch letztlich verordnungsautonom bestimmt werden.
3.4 Abgrenzungsprobleme in einzelnen Rechtsgebieten
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Sehr streitig ist, ob das Konzernrecht[31] von der Generalverweisung des Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO umfasst ist oder außerhalb des Regelungsbereichs der SE-VO liegt[32] und somit nach den Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung gelangt. Dies überrascht zunächst, da es sich hierbei um genuin gesellschaftsrechtliche Fragen handelt, die in der SE-VO nicht bzw. nur am Rande behandelt werden,[33] so dass Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO einschlägig erscheint. Für den kollisionsrechtlichen Ansatz sprechen allerdings insbesondere die Aussagen im 15. und 16. Erwägungsgrund der Verordnung, in denen ausgeführt wird, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts, aus dem sich die Rechte und Pflichten hinsichtlich des Schutzes von Minderheitsaktionären und von Dritten, die sich für ein Unternehmen aus der Kontrolle durch ein anderes Unternehmen ergeben, nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts erfolgen könne und eine Sonderregelung für die SE nicht erforderlich sei. Die Gegenauffassung hält an der Einbeziehung des Konzernrechts in die Generalverweisung fest, berücksichtigt die Erwägungsgründe jedoch bei der Anwendung der Verweisung, indem eine Abgrenzung nach dem jeweiligen Schutzzweck der einzelnen konzernrechtlichen Bestimmung vorgenommen wird, durch die eine weitgehende Kongruenz mit den IPR Regeln erreicht werden soll.[34] Die praktischen Auswirkungen der Streitfrage sind für SE mit satzungsmäßigem Sitz und Verwaltungssitz in Deutschland[35] gering, da beide Ansichten im Regelfall zu gleichen Ergebnissen führen.[36] Auch der deutsche Gesetzgeber unterstellt in § 49 SEAG ohne Weiteres die Anwendbarkeit des deutschen Konzernrechts auf SE mit Sitz im Inland.
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Hinsichtlich des Insolvenzrechts[37] ist die Reichweite der Spezialverweisung in Art. 63 SE-VO unklar und umstritten. Die Regelung erklärt hinsichtlich der Auflösung, Liquidation, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung und ähnlicher Verfahren die Rechtsvorschriften für anwendbar, die für eine Aktiengesellschaft maßgeblich wären, die nach dem Recht des Sitzstaates der SE gegründet worden ist, während der 20. Erwägungsgrund das Konkursrecht als außerhalb der SE-VO stehend bezeichnet. Offen ist in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis zur Europäischen Insolvenzordnung.[38] Im Ergebnis ist nicht anzunehmen, dass eine von der Europäischen Insolvenzordnung abweichende Sonderanknüpfung durch die SE-VO erfolgen soll, so dass Art. 63 einschränkend auszulegen ist.
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Während Einigkeit besteht, dass das Börsen- und Kapitalmarktrecht grundsätzlich außerhalb des Regelungsbereichs der SE-VO liegen,[39] soweit nicht die Verweisung in Art. 5 SE-VO eine Sonderregelung trifft, stellt sich die Frage, ob einzelne Regelungen, wie etwa das Vereitelungsverbot im Übernahmerecht (§ 33 WpÜG), gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und damit von der Verweisung der SE-VO umfasst sind,[40] eine derartige Einzelanknüpfung begegnet jedoch Bedenken, so dass das Übernahmerecht einheitlich nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen Anwendung finden sollte.[41]
2 › II › 4. Einzelstaatliche Regelungen der Geschäftstätigkeit einer SE
4. Einzelstaatliche Regelungen der Geschäftstätigkeit einer SE
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Art. 9 Abs. 3 SE-VO räumt den Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts, die für die von der SE ausgeübte Geschäftstätigkeit gelten, uneingeschränkte Anwendung ein. Die Regelung stellt somit klar, dass einzelstaatliche Regelungen, die an die Geschäftstätigkeit der SE anknüpfen, nicht durch das SE Statut verdrängt werden. Es handelt sich insoweit nicht um eine Verweisung, da die Anwendung der einzelstaatlichen Vorschriften nicht von der SE-VO abhängt, sondern eine partielle Ausnahme von dem Vorrang der SE-VO.
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Für eine Vielzahl von Vorschriften des deutschen Rechts, die die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft regulieren, versteht sich dies von selbst, da diese Aspekte der Tätigkeit einer SE nicht im Regelungsbereich der SE-VO liegen und somit von der Verordnung gar nicht erfasst werden. Beispielhaft sei nur auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder das Bundesimmissionsschutzgesetz verwiesen.
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Art.